Lama [3]

Lama [3]

Lama (Schafkamel, Kamelschaf, Auchenia Ill.), Gattung der paarzehigen Huftiere aus der Familie der Kamele (Tylopoda), Tiere mit verhältnismäßig großem, spitzschnäutzigem Kopf, langen, spitzen Ohren, großen Augen, schmächtigem Hals, hohen, schlanken Beinen mit getrennten Zehen, von denen jede einzelne mit einer schwieligen Sohle versehen ist, und kurzem, langbehaartem Schwanz. Sie sondern viel Speichel ab und spritzen ihn, wenn sie angegriffen werden, aus. Man unterscheidet vier Formen: Guanako, Vicuña, Lama und Pako (Alpako), aber nur die beiden erstern kommen heute noch wild vor, die letztern sind seit uralten Zeiten Haustiere, deren Stammform man nicht mehr kennt. Alle Lamas bewohnen die Hochebenen der Kordilleren und steigen nur im äußersten Süden der Andenkette bis in die Pampas Patagoniens herab. In der Nähe des Äquators bewohnen sie meist Höhen zwischen 4000 und 5000 m ü. M., die wild lebenden ziehen sich während der Regenzeit auf die höchsten Kämme und Rücken der Gebirge zurück, in der trocknen Jahreszeit steigen sie in die fruchtbaren Täler herab. Sie halten in Rudeln zusammen und sind ein Gegenstand eifriger Jagd. Der Guanako (A. Huanaco H, Sm.) ist 2 m lang, mit 24 cm langem Schwanz, 1 m hoch. Der Leib ist verhältnismäßig kurz und gedrungen, der Hals lang, dünn, nach vorn gekrümmt, der Kopf lang, seitlich zusammengedrückt, die Schnauze stumpf, die Oberlippe vorspringend, tief gespalten. Die Ohren sind etwa von halber Kopflänge und wie die Oberlippe sehr beweglich, die Augen groß und lebhaft. Der langhaarige, sehr lockere Pelz besteht aus kürzerm, feinerm Wollhaar und dünnem, längerm Grannenhaar, er ist schmutzig rotbraun; die Mitte der Brust, Unterleib und After sowie die Innenseite der Gliedmaßen sind weißlich, Stirn und Rücken schwärzlich, an den Hinterbeinen steht ein schwarzer Fleck. Der Guanako lebt in Rudeln und Herden bis zu 500 Stück von der Magalhãesstraße bis ins nördliche Peru, hat sich aber infolge der Jagd sehr vermindert. Er frißt saftige Gräser, im Notfall auch Moos. In der Ebene wird er von einem Pferd leicht eingeholt, läuft aber mit Sicherheit an den steilsten Abhängen hin. Die Rudel stellen Schildwachen aus, die bei der geringsten Gefahr laut blöken. Die Brunstzeit fällt in den August und September, und nach zwölf Monaten wirft das Weibchen ein Junges, das es vier Monate säugt. Junge Tiere lassen sich zähmen, zeigen sich aber im Alter meist sehr störrig. Guanakofelle geben äußerst warme Futter und Decken. Das L. (A. Lama Desm., s. Tafel »Kamele II.«, Fig. 2, und Tafel »Neotropische Fauna«, Fig. 10) ist etwa 1,2 m hoch und besitzt Schwielen an der Brust und an der Vorderseite des Handwurzelgelenks, einen schmalen, kurzen Kopf und kurze Ohren; es gibt weiße, schwarze, gescheckte, dunkel- und hellbraune, fuchsrote etc. Das L. wurde von den Peruanern seit uralter Zeit gezähmt und auch als Opfertier benutzt. Die Spanier fanden ungeheure Lamaherden, die damals mehr noch als heute dieselbe Bedeutung hatten wie das Renntier für den Lappländer. Man benutzt das L. namentlich als Lasttier; es trägt 75 kg und mehr und geht außerordentlich ruhig, solange es nicht durch fremdartige Gegenstände beunruhigt wird. Auf den Hochgebirgen werden große Herden gehalten, die am Tage ohne Hirten auf die Weide gehen und abends in die Einfriedigungen zurückkehren. Die Weibchen dienen nur zur Zucht. Seit Einführung der Einhufer ist die Bedeutung der Lamas sehr gesunken. Sein Fleisch wird überall gegessen, die Milch ist wohlschmeckend, die Wolle wird zu grobem Tuch, die Haut zu dauerhaftem Leder verarbeitet. Der Mist dient als Brennmaterial. Es gedeiht auch in Europa recht gut, begnügt sich mit gewöhnlichem Futter und pflanzt sich fort. Der Pako (Alpako, A. Pacos Tschudi, s. Tafel »Kamele II«, Fig. 1), ist kleiner als das L., gleicht im Körperbau dem Schaf, hat aber längern Hals und zierlichern Kopf; es ist schwarz oder weiß, seltener buntscheckig, sein reiches Haar erreicht an den Seiten eine Länge von 10–12 cm. Es bewohnt die Kordilleren von Peru und Chile und wird in Höhen über 2500 m in großen Herden gehalten, die man nur zur Schur eintreibt. Das Tier ist sehr anspruchslos, pflanzt sich leicht und schnell fort und liefert treffliches Fleisch. Als Lasttier ist es seiner unbesiegbaren Störrigkeit halber nicht zu gebrauchen, dagegen hat seine Wolle großen Wert. In England und im Haag sind Züchtungsversuche nicht ohne Erfolg geblieben, auch in Australien hat man die Einführung des Pako versucht. Das Vlies wiegt 3–4 kg, ist sehr ungleichmäßig und erfordert sorgfältige Sortierung. Das Haar besitzt Nerv und seidenartigen Glanz, ist ziemlich schlicht und liefert treffliches Kammgarn. Gewöhnlich verspinnt man ungefärbte Alpakowolle mit andern Stoffen (Mohair, Baumwolle, Seide, Kammgarn), gibt dem Garn wohl auch durch Zwirnung höhern Seidenglanz und verarbeitet es zu sehr zahlreichen, gemischten Geweben, namentlich auch zu Schals und zu Fransen und Besätzen. Schon die alten Inka wußten die Wolle zu benutzen, Weberei und Färberei standen damals auf hoher Stufe. Jetzt ist diese Industrie verfallen, und die Indianer fertigen nur noch Decken und Mäntel aus Alpakowolle. Die Vicuña (A. Vicugna Desm., s. Tafel »Kamele II«, Fig. 3), ein zierliches, an Größe zwischen L. und Alpako stehendes Tier mit viel kürzerer, gekräuselter, äußerst seiner Wolle. Es ist auf der Oberseite eigentümlich rötlichgelb, an der untern Seite des Halses und der innern der Gliedmaßen hellockerfarben, an der Brust und am Unterleib, wo die Haare zum Teil 13 cm lang werden, weiß. Es lebt in Trupps von 6–15 Weibchen und einem Männchen und in solchen, die nur aus Männchen bestehen, ausschließlich auf grasigen Plätzen der Kämme der Kordilleren und steigt nur in der heißen Jahreszeit, wenn dort das spärliche Futter verdorrt, in die Täler hinab. Das Weibchen wirft im Februar ein Junges. Die Vicuña ist äußerst furchtsam und wird leicht mit Bolas gefangen. Jung eingefangene Vicuñas werden bald sehr zahm, im Alter aber wie die andern Arten störrisch und durch das beständige Anspucken jedes Fremden sehr lästig. Man genießt das Fleisch und fertigt aus der Wolle seine Gewebe und Filze; bei uns dient die Vigognewolle zu Modeartikeln, Handschuhen etc., doch immer nur in Untermischung und namentlich zur Verfeinerung der Oberfläche von Filzhüten. Die Ware wird immer teurer und seltener, weil der Wildbestand bei der ungeregelten Jagd sich stark lichtet. Das sogen. Vigognegarn besteht lediglich aus seiner Schafwolle mit einem Fünftel Baumwolle. Von allen Lamaarten werden Bezoarkugeln gewonnen, die früher in hohem Ansehen als Heilmittel standen. Vgl. die Karte »Verbreitung der wichtigsten Haussäugetiere« beim Artikel »Haustiere«.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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