Kohlensaures Ammoniak

Kohlensaures Ammoniak

Kohlensaures Ammoniak (Ammoniumkarbonat) wird erhalten, indem man schwefelsaures Ammoniak oder Chlorammonium mit Kreide (kohlensaurem Kalk) in eisernen Retorten erhitzt und die sich bildenden Dämpfe in geräumigen Bleigefäßen verdichtet. Um farbloses Sublimat zu erhalten, vermischt man die Beschickung der Retorte mit etwas Kohle oder unterwirft das erste Sublimat mit etwas Wasser einer zweiten Sublimation aus eisernen Töpfen mit ausgesetzten Bleizylindern. Auch durch Einwirkung von Kohlensäure auf feuchtes Ammoniakgas (wie es aus Gaswasser durch Kalk ausgetrieben wird) in Kondensationskammern stellt man k. A. dar. Beim Erhitzen von Knochen, Hirschhorn, Hufen etc. unter Abschluß der Luft, also als Nebenprodukt bei der Darstellung von Knochenkohle und von Stickstoffkohle zur Darstellung von Blutlaugensalz, erhält man kohlensaures Ammoniak (daher Hirschhornsalz), das mit empyreumatischen Stoffen stark verunreinigt ist und wiederholter Sublimation mit Kohle bedarf. Das sublimierte kohlensaure Ammoniak bildet eine weiße kristallinische, spröde, durchscheinende Masse, riecht und schmeckt stark ammoniakalisch, löst sich bei 15° in 4, bei 65° in 1,5 Teilen Wasser und hinterläßt bei Behandlung mit wenig Wasser doppeltkohlensaures Ammoniak. Dies bereits von Raimundus Lullus im 13. Jahrh. aus Harn und von Basilius Valentinus im 15. Jahrh. aus Salmiak dargestellte Präparat ist ein Gemisch von karbaminsaurem mit doppeltkohlensaurem Ammoniak H(NH4)CO3+NH2(NH4)CO2, verdampft bei 60°, verwandelt sich im zugeschmolzenen Rohr bei 130° teilweise in Harnstoff. Hirschhornsalz verwandelt sich beim Liegen an der Luft unter Verflüchtigung des karbaminsauren Ammoniaks in Form von Kohlensäure und Ammoniak in doppeltkohlensaures Ammoniak H(NH4)CO3, farblose, nicht ammoniakalisch riechende, kühlend salzig schmeckende, bei 15° in 8 Teilen Wasser, nicht in Alkohol lösliche, luftbeständige Kristalle, die bei 60° sublimieren. Das Bikarbonat kommt auch im Guano vor, tritt in Gasleitungsröhren zuweilen in größern Kristallen auf und ist im Gaswasser gelöst vorhanden. Es entsteht, wenn man Ammoniakflüssigkeit mit Kohlensäure sättigt. Normales k. A. (NH4)2CO3 entsteht aus karbaminsaurem Ammoniak durch Aufnahme von Wasser, bei Destillation von Chlorammonium mit kohlensaurem Kali und Alkohol, bei Behandlung von Hirschhornsalz mit konzentrierter Ammoniakflüssigkeit; es kristallisiert aus mit Kohlensäure gesättigter Ammoniakflüssigkeit mit 1 Molekül Kristallwasser, riecht stark nach Ammoniak und wird an der Luft undurchsichtig und feucht unter Bildung von Bikarbonat. Man benutzt Hirschhornsalz zur Bereitung von Flechtenfarbstoffen, als Surrogat der Hefe beim Backen, da es sich in der Hitze des Backofens verflüchtigt und dabei den Teig lockert. Es dient auch in Lösung als Fleckwasser, als Arzneimittel und, mit Ätzkalk gemischt und parfümiert, als Riechsalz. Aus gesättigter Kochsalzlösung fällt doppeltkohlensaures Ammoniak doppeltkohlensaures Natron, und hierauf beruht der Ammoniaksodaprozeß zur direkten Darstellung von Soda aus Kochsalz.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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