Kochen [2]

Kochen [2]

Kochen, in der Technik und im Haushalt die Behandlung verschiedenartiger Substanzen bei der Siedetemperatur des Wassers unter gewöhnlichem, höherm oder niederm Drucke. Durch das K. werden mancherlei Zwecke verfolgt. Flüssigkeiten kocht man, um in ihnen enthaltene Gärungs- und Fäulniserreger zu töten und sie dadurch haltbarer zu machen (Milch, Fruchtsäfte etc.) oder um Krankheit erregende Bakterien zu töten; viele Nahrungsmittel werden durch K. schmackhafter, leichter genießbar und verdaulicher. Durch anhaltendes K. werden Flüssigkeiten verdampft (Salzlösungen, Pflanzenauszüge etc.), und wenn die in der Flüssigkeit gelösten Körper bei Siedetemperatur des Wassers und unter dem Einfluß der Luft zersetzt werden, so kocht man im geschlossenen Gefäß, mit dem eine Luftpumpe verbunden ist, unter niedrigem Druck, bei dem die Flüssigkeit bei niederer Temperatur siedet und sehr schnell verdampft (Vakuumapparat in der Zuckerfabrikation etc.). Hat man alkoholische Lösungen in solcher Weise zu behandeln, so verwandelt sich die Arbeit in eine Destillation, wenn man die Dämpfe ableitet und in andern Teilen des Apparats abkühlt, um den Alkohol wiederzugewinnen. Sehr häufig werden feste Körper mit Wasser gekocht, teils um in ihnen enthaltene lösliche Stoffe auszuziehen (Bereitung von Pflanzenauszügen, Fleischbrühe, Salzlösungen), teils um die festen Körper in ihrer Konsistenz oder anderweitigen Beschaffenheit zu verändern (das K. von Gemüsen, Fleisch, Darstellung von Leim). In diesen Fällen, wo Flüssigkeiten auf feste Körper einwirken sollen, wird der Zweck oft sehr viel leichter erreicht, wenn man den Kochtopf dampfdicht verschließt und dadurch den Druck und mit ihm die Temperatur steigert (Papinscher Topf, Dampfkochtopf, Autoklave, Digestor s. d.).

Sehr häufig und namentlich im Haushalt kocht man über freiem Feuer und benutzt dazu mehr oder minder kompliziert konstruierte Kochherde für gewöhnliches Brennmaterial, für Grude, auch Gas- und Petroleumkochapparate und elektrische Kochapparate; im größern Betrieb aber wird häufig das K. mit Dampf vorgezogen. Man erzeugt Wasserdampf in einem besondern Kessel und leitet ihn durch ein Rohr direkt in die zu kochende Flüssigkeit. Anfangs wird der Dampf durch letztere vollständig verdichtet, dabei gibt er aber seine Dampfwärme an die Flüssigkeit ab, und bald beginnt diese zu sieden. Durch die anfängliche Verdichtung des Dampfes wird das Volumen der Flüssigkeit vergrößert, sie wird mit Wasser verdünnt. Soll dies vermieden werden, so benutzt man Kochgefäße mit doppeltem Boden und leitet den Dampf in den Raum zwischen beiden Böden, oder man legt ein spiralförmig gebogenes Rohr (Dampfschlange) auf den Boden des Kochgefäßes und leitet den Dampf durch das Rohr. Sehr einfach kocht man Kartoffeln mit Dampf, indem man an eine siebartig durchlöcherte Blechscheibe kurze Füße lötet und dies Tischchen in einen Topf stellt, dessen Durchmesser nicht viel größer als der der Blechscheibe ist. Man gießt so viel Wasser in den Topf, daß es das Blech noch nicht berührt, und schüttet die Kartoffeln auf das letztere. Der Dampf durchdringt dann die Kartoffeln und macht sie gar, ohne daß das Wasser darauf einwirkt. Benutzt man statt der Blechscheibe einen Zylinder aus gelochtem Blech oder Drahtgewebe, so kann man die Kartoffeln leichter aus dem Kochtopf herausnehmen. Ähnliche Vorrichtungen haben sich gut bewährt zum K. der Wäsche, auch hat man für diese einfache Kochapparate konstruiert, in denen das Wasser durch den Druck emporgehoben wird und durch die Wäsche hindurchfließt, um von neuem gehoben zu werden.

Als Kochgeschirr benutzt man metallene und irdene Gefäße. In erstern kocht die Flüssigkeit leichter als in letztern und zwar um so leichter, je dünnwandiger die Gefäße sind, dafür ist die Gefahr des Anbrennens größer, während irdene Geschirre leicht zerbrechlich sind und leicht springen. Außerdem kommt das chemische Verhalten der Speisen zu der Substanz der Geschirre in Betracht. Eisen wird sehr leicht angegriffen, namentlich saure Speisen nehmen Eisen auf und erhalten dadurch einen unangenehmen Geschmack. Man kann eiserne Kochgeschirre deshalb nur verzinnt (Weißblech) oder emailliert anwenden, und wenn die Emaille gut ist, nicht abspringt, den Säuren und mechanischen Angriffen hinreichend widersteht, dann sind emaillierte eiserne Geschirre, besonders solche aus Blech, sehr empfehlenswert. Abspringende Emailstückchen können im Darm sehr üble Wirkungen hervorbringen. Kupferne und messingene Geschirre müssen stets in ganz blankem Zustand benutzt werden. Sind sie längere Zeit nicht benutzt worden, so spült man sie mit stark verdünnter Schwefelsäure (1 Teil Säure, 6 Teile Wasser) und dann mit Wasser aus. Niemals dürfen Speisen längere Zeit in kupfernen oder messingenen Gefäßen stehen, namentlich dürfen saure Speisen nach dem K. nicht darin erkalten, weil sie hierbei leicht Kupfer aufnehmen. Zum Schutz gegen Kupfervergiftung hat man die Geschirre verzinnt, rote Fruchtsäfte werden aber in verzinntem Geschirr mißfarbig. Geschirre aus Nickelblech oder aus mit Nickel plattiertem Eisenblech sind sehr reinlich, das Nickel hält sich an der Luft blank, und wegen seiner Härte widersteht es mechanischen Angriffen sehr gut. Angelaufenes Nickelgeschirr muß vor der Benutzung gereinigt werden, saure Speisen sollte man nicht in Nickelgeschirr kochen, jedenfalls nicht darin stehen lassen, auch Milch darf nicht in Nickelgeschirr stehen bleiben. Im allgemeinen ist das letztere völlig ungefährlich und dem Kupfer- und Messinggeschirr vorzuziehen. Aluminiumgeschirr ist sehr leicht und gut verwendbar, es wird von den Speisesäuren, z. B. Fruchtsäuren, gar nicht angegriffen, die Speisen behalten darin ihre natürliche Farbe, und wenn gar geringe Mengen Tonerde (Aluminiumoxyd) in Form von Salzen in die Speisen gelangen, so sind sie ohne Belang. Sehr vorteilhaft ist das Wachwitzmetall, Aluminium mit aufgewalztem Kupfer oder Stahl. Neusilber ist gegen Säuren und Fette weniger empfindlich als Kupfer und Messing, es wird aber zu Kochgeschirr wenig benutzt, häufiger zu Löffeln, Gabeln etc., und muß mit der gleichen Vorsicht wie Kupfer und Messing behandelt werden. Zinngeschirr, früher von großer Bedeutung, findet jetzt nur noch beschränkte Verwendung, es darf, wie auch das Britanniametall, nicht mehr als 10 Proz. Blei enthalten. Bei Tongeschirr kommt hauptsächlich die Beschaffenheit der Glasur in Betracht. Diese darf keine Haarrisse haben, in die Teile der Speisen eindringen, namentlich aber darf die Glasur kein Blei an saure Speisen abgeben (vgl. Glasur). Recht empfehlenswert sind Kochgeschirre aus Weißblech mit doppeltem Boden, die das Anbrennen verhindern und bei gutem Verschluß ebenso schnell gare Speisen liefern wie gewöhnliche Kochtöpfe mit lose aufliegendem Deckel. Vgl. Kochherde und Kochkunst.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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