- Knallsäure
Knallsäure (Karbyloxim, Fulminsäure, Nitroacetonitril, Nitrocyanmethan) CN.OH ist im freien Zustand wenig bekannt. Sie wird aus ihren Salzen durch starke Säuren abgeschieden, riecht wie Blausäure und ist nicht weniger giftig. Ihre Salze (Knallsäuresalze, Fulminate) haben dieselbe prozentische Zusammensetzung wie die Cyansäuresalze, sie nehmen leicht Salzsäure auf und bilden Salze des Formylchloridoxims N.OH=HC-Cl. Dies bildet prachtvolle Kristalle, riecht scharf, durchdringend und ist leicht zersetzlich. Unter Wasseraufnahme bildet es Ameisensäure und Hydroxylamin, seine Lösung in starker Salzsäure zerfällt beim Erwärmen leicht in Salzsäure u. Ameisensäure. Die wässerige Lösung bildet leicht wieder Fulminate, z. B. mit Silbernitrat Knallsilber und Chlorsilber. Das 1799 von Howard entdeckte Knallquecksilber (Howards Knallpulver) (CNO)2Hg entsteht, wenn man Quecksilber in einem geräumigen Gefäß in kalter Salpetersäure löst, zu der abgekühlten Lösung kalten starken Alkohol zusetzt und die sofort beginnende Reaktion durch weitern Zusatz von kaltem Alkohol mäßigt. Die bei dem Prozeß sich entwickelnden Dämpfe sind giftig und leicht entzündlich. Nach Beendigung der Reaktion versetzt man die Flüssigkeit mit Wasser, wodurch das Quecksilbersalz abgeschieden wird. Knallquecksilber entsteht auch aus Quecksilberchloridlösung und Natriumnitromethan. Es bildet weiße Kristalle, ist sehr giftig, schwer löslich in kaltem Wasser, schmeckt süßlich-metallisch, explodiert mit äußerster Heftigkeit durch mäßigen Schlag, Reibung mit harten Körpern, durch den elektrischen Funken, durch einen Funken aus Stahl und Stein, durch brennenden Zunder, beim Erhitzen auf 187° und durch konzentrierte Schwefelsäure. Mit Ammoniak bildet es Harnstoff und Guanidin. Frei liegendes oder in Papier gehülltes Knallquecksilber verpufft bei Annäherung einer Flamme ohne eigentliche Explosion, und wenn man es in Berührung mit frei liegendem Schießpulver entzündet, so wird letzteres beiseite geschleudert, ohne sich zu entzünden. Nur wenn das Schießpulver eingeschlossen und am Ausweichen verhindert ist, wird es durch Knallquecksilber zur Explosion gebracht. Verdünnte Schwefelsäure zersetzt Knallquecksilber ohne Explosion, und Feuchtigkeit schwächt die Explosion sehr stark. Mit 30 Proz. Wasser kann es auf Marmor mit einem hölzernen Stempel ohne Gefahr zerrieben werden. Man benutzt es mit Salpeter und Schwefel oder mit Schießpulver gemischt hauptsächlich zum Füllen von Zündhütchen, die Anwendung als Schieß- und Sprengmaterial ist wegen der gefährlichen Handhabung zu bedenklich; auch verbietet seine enorm zerstörende Wirkung die Verwendung in Feuerwaffen, weil die Zersetzung (in Stickstoff, Kohlenoxyd und Quecksilberdampf) so plötzlich erfolgt, daß in der kurzen Zeit die Trägheit des Geschosses nicht überwunden wird, sondern selbst starke Rohrwände zersprengt werden. Nur in den kleinsten Ladungen, die mit der Kugel im Zündhütchen angebracht werden, ist die Anwendung in den sogen. Zimmerpistolen möglich. Viel explosiver ist das Knallsilber (Brugnatellis oder Howards Knallsilber) CNOAg, das auf ähnliche Weise dargestellt wird, farblose, glänzende Kristalle bildet, in Wasser leichter löslich und höchst giftig ist. Mit Natriumamalgam bildet es Knallnatrium CNONa, das beinahe so giftig wie Cyannatrium ist. Auch die kleinste Menge Knallsilber kann, selbst im feuchten Zustand, frei liegend mit durchdringendem Knall explodieren. Man benutzt es zu Knallbonbons, Knallerbsen, Knallfidibus etc.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.