- Irving
Irving (spr. örrwing), 1) Washington, amerikan. Schriftsteller, geb. 3. April 1783 in New York, gest. 28. Nov. 1859 bei New York, begann im Columbia College daselbst das Rechtsstudium, mußte aber seiner Gesundheit wegen Luftveränderung suchen und ging auf zwei Jahre nach Europa. Bei seiner Rückkehr im J. 1806 gab er mit seinem Bruder William und seinem Freunde I. K. Paulding (s. d.) eine dem »Spectator« Addisons nachgebildete Halbmonatsschrift heraus, »Salmagundi«, für die er unter dem Pseudonym Launcelot Langstaff kleine Skizzen mild-satirischen Charakters schrieb. Als er sich kaum von dem Schlag erholt, den der Tod seiner Braut Mathilde Hofmann ihm versetzt, begann er das Werk zu schreiben, das seinen Weltruhm begründen sollte, die köstliche Parodie auf das Heldenepos und die pedantische Weitschweifigkeit gewisser Lokalhistoriker: »A history of New York by Diedrich Knickerbocker« (1809), in der er ein von unwiderstehlich liebenswürdigem Humor erhelltes, meisterhaftes Bild der holländischen Periode New Yorks entwarf. An dem Handelsunternehmen eines seiner Brüder beteiligt, ging er 1815 in dessen Interesse nach England, und als es im folgenden Jahre fallierte, beschloß er, sich ausschließlich literarisch zu beschäftigen. Die in England entstandene Sammlung von Skizzen und Erzählungen: »The Sketchbook of Geoffrey Crayon, Gent.« (1819 bis 1820), erhöhte seinen Ruf, und nachdem er in Paris »Bracebridge Hall, or the humourists« (1822, 2 Bde.) und »Tales of a traveller« (1824, 2 Bde.) geschrieben, folgte er einer Einladung des amerikanischen Gesandten in Madrid, Everett, wo er im Eskorial die auf die Entdeckung Amerikas bezüglichen Handschriften und Dokumente durchforschte. Das also gesammelte Material legte er nieder in den Werken: »The life and voyages of Christopher Columbus« (1828, 4 Bde.), »Chronicle of the conquest of Granada« (1829, 2 Bde.), »Voyages of the companions of Columbus« (1831), »The Alhambra« (1832. 2 Bde.), »Legends of the conquest of Spain« (1835) und »Mahomet and his successors« (1849, 2 Bde.). Nach seiner Rückkehr bereiste er den Süden und Westen seiner Heimat, schrieb »A tour of the prairies« (1835), »The adventures of captain Bonneville« (1837, 2 Bde.) und nach den Papieren John Jacob Astors »Astoria« (1837) und ließ sich in dem bescheidenen Heim bei Tarrytown am Hudson nieder. 1842 ging er als Gesandter nach Madrid, kehrte aber nach Ablauf seines Amtstermins nach Sunnyside zurück, um es nicht wieder zu verlassen. Er schrieb noch die Biographie »Oliver Goldsmith« (1849; deutsch, Berl. 1858) und dann sein populäres »Life of George Washington« (1855–59, 5 Bde.; deutsch, Leipz. 1855–59, 5 Bde.). Außerdem erschienen von ihm einige Bände Essays und Erzählungen u. d. T.: »Wolfert's Roost, and other papers« (1855; vgl. Fliegender Holländer) und »Crayon miscellanies«. Seine gesammelten Schriften erschienen in zahlreichen Ausgaben, darunter die Jubiläumsausgabe (New York 1882 in 27 Bdn.), zuletzt 1895, 10 Bände, und 1897, 40 Bände. Deutsch erschienen »Gesammelte Werke«, übersetzt von Mehreren (Frankf. 1826–37, 74 Bde.), »Ausgewählte Werke« von Adrian (2. Aufl., das. 1847, 4 Tle.; in 1 Bd. Leipz. 1856, illustriert von Ritter u. Camphausen). Vgl. Pierre Irving, Life and letters of Washington I. (Lond. 1862–64, 4 Bde.; neue Ausg. 1883, 3 Bde.); Warner, Life of Washington I. (Boston 1881); Warner, Bryant und Putnam, Studies of I. (das. 1880); Dall, Washington I. (New York 1879); Laun, Washington I., ein Lebens- und Charakterbild (Berl. 1870, 2 Bde.).
2) Edward, Stifter einer nach ihm benannten Sekte (s. Irvingianer), geb. 4. Aug. 1792 zu Annan in der schottischen Grafschaft Dumfries, gest. 7. Dez. 1834 in Glasgow, studierte zu Edinburg Theologie, wurde 1812 Rektor einer höhern Lehranstalt zu Kirkaldy, woselbst er mit Thom. Carlyle enge Freundschaft schloß, 1819 Hilfsprediger des Dr. Chalmers (s. d. 3) an der St. Johanniskirche in Glasgow und 1822 Prediger an der kaledonischen (nationalschottischen) Kapelle in London. Bald überwog das phantastische Element seiner religiös erregbaren Natur den nüchternen Gedanken völlig, zumal als der Bußprediger unter dem Einfluß apokalyptischer Ideen der von dem Londoner Bankier Henry Drummond begründeten Londoner Prophetenschule zum Propheten wurde. 1825 mußte ihm eine größere Kirche erbaut werden. Aber schon 1827 tauchte die Anklage auf, daß I. abweichend von der Kirchenlehre lehre, Christus habe die menschliche Natur in ihrem »gefallenen« Zustand angenommen, und 1829 wurde I. bei einem Besuch in Schottland von der eben in Edinburg versammelten Generalsynode, in der er als Mitglied des Presbyteriums von Annan einzutreten befugt war, als Irrlehrer zurückgewiesen. Gleichwohl predigte er in Edinburg mehrere Wochen hindurch täglich und schritt zur Behauptung einer bevorstehenden Neuausgießung des Heiligen Geistes und des Wiederauflebens der apostolischen Gnadengaben fort. Das 1830 erfolgende verzückte Reden einer schwindsüchtigen schottischen Näherin galt als die tatsächliche Wiedererscheinung der Glossolalie (s. d.), und alsbald stellten die übrigen Gnadengaben sich ein. Während I. das seinen Gottesdienst schließende Gebet sprach, unterbrach zuweilen eine Dame oder auch ein Herr plötzlich den Betenden durch fremdartige und unverständliche, scharf ausgestoßene Laute, woran sich sodann erregte. Ermahnungen zur Vorbereitung auf den Tag des Gerichts knüpften. 1832 verschlossen I. infolgedessen die eignen Kirchenvorsteher die Kirche. Dafür richtete sich die Sekte in Newman Street ein Lokal für ihre Gottesdienste ein. Vor das Presbyterium von Annan auf 23. März 1833 geladen, replizierte I., daß man nicht ihn, sondern den Heiligen Geist anklage. Von der schottischen Kirche ausgestoßen, lebte er nun ganz der unabhängigen Genossenschaft, die sich in London um ihn sammelte. Hier wurden allmählich die »apostolischen Ämter«: Apostel, Propheten, Hirten (Engel), Lehrer (Evangelisten) geschaffen. I. selbst aber erhielt nur die Stellung eines Engels und bekam die Autorität der Apostel zu fühlen. Die Geister des Propheten waren dem Propheten nicht mehr untertan, Irvings Bedeutung sank völlig, die gegenwärtigen Irvingianer verleugnen ihn. Diese Kämpfe untergruben seine Gesundheit; vergeblich suchte er Genesung in Glasgow. Irvings »Collected writings« gab Gavin Carlyle heraus (Lond. 1865, 5 Bde.). Seine Biographie schrieben Wilks (2. Aufl., Lond. 1860) und Mrs. Oliphant (3. Aufl., das. 1865). Vgl. auch »Bruchstücke aus dem Leben und den Schriften Edward Irvings« (hrsg. von Hohl, 2. Ausg., St. Gallen 1850); Carlyle, Lebenserinnerungen (übersetzt von Jäger, Götting. 1897); Kolde, Edward I. (Leipz. 1901).
3) Sir Henry, engl. Schauspieler, geb. 6. Febr. 1838 in Keinton bei Glastonbury, wurde in einer Londoner Schule erzogen, betrat 1856 zuerst die Bretter und war zunächst in Edinburg, dann in Glasgow, Manchester und London tätig. 1866 spielte er auf Veranlassung des Dichters zuerst die Rolle des Spielers Rawdon Scudamore in Boucicaults »Hunted down« und betrat damit sein eigentliches Gebiet, auf dem er sich seitdem auszeichnet, das der Darstellung von Bösewichtern und dämonischen und leidenschaftlichen Charakteren. Er nahm zunächst ein Engagement am St. James-Theater an, dann spielte er am Queenstheater, 1870 im Vaudevilletheater, wo er in 300 Wiederholungen von Alberys »Two roses« auftrat, und stellte 1871 seine Kräfte für längere Zeit in den Dienst des Lyceumtheaters, das hierdurch zum wichtigsten Theater Londons erhoben ward. An diesem Theater, an dem er zunächst einige hundert Male durch die Darstellung eines Mörders in dem Volksstück »The Bells« Sensation erregte, krëierte er die Rollen des Hamlet (1874), des Macbeth (1875), des Othello (1876) und Richards III. (1877) und erwarb sich durch seine Leistungen als Darsteller Shakespearescher Charaktere den Ruf des ersten englischen Tragöden der Gegenwart. 1883, 1884 und 1886 unternahm er mit einer eignen Gesellschaft Kunstreisen durch die Vereinigten Staaten von Nordamerika. 1895 erhielt er von der Königin die Ritterwürde. Mit F. A. Marshall u. a. gab er eine Bühnenausgabe Shakespeares heraus (Edinb. 1887–90, 8 Bde.). Vgl. Archer, Henry I., actor and manager (Lond. 1885); Hatton, H. Irving's impressions of America (das. 1884, 2 Bde.); Hiatt, Sir Henry I. (das. 1899); Brereton, The Lyceum and Henry I. (das. 1903).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.