Irānische Sprachen

Irānische Sprachen

Irānische Sprachen. Die toten und lebenden Sprachen Irans (s. die »Sprachenkarte«) bilden zusammen mit einigen über die Grenzen Irans hinaus vorgeschobenen Verläufern die iranische Familie des indogermanischen Sprachstammes, die besonders nahe mit den indischen Sprachen verwandt ist und mit diesen unter dem Namen der arischen Sprachen zusammengefaßt wird. Die älteste iranische Sprache ist das Zend oder Altbaktrische, das wieder in einen ältern und jüngern Dialekt zerfällt; beide kennen wir nur aus dem Zendavesta, den Bruchstücken von dem heiligen Buch der Zoroastrier, welche die noch übrigen Bekenner der Zoroasterschen Religion in Indien und Persien auf unsre Zeit überliefert haben. Wenig jünger der Zeit nach ist das Altpersische, die Sprache der in Keilschrift abgefaßten Inschriften der Achämenidenkönige. Diese in Persepolis, Behistan u. a. O. gefundenen Inschriften, die vermöge der Ähnlichkeit des Altpersischen mit dem Sanskrit und Zend im großen ganzen sicher entziffert sind (s. Keilschrift), reichen von der Zeit des Dareios bis tief in das 4. Jahrh. v. Chr. hinein und lassen Fortschritte in der Entwickelung des Persischen deutlich erkennen; andre Eigentümlichkeiten, die das Altpersische vom Zend scheiden, beruhen darauf, daß jenes die Sprache des westlichen, das Zend aber die des östlichen Iran ist. Auf der nächsten uns bekannten Entwickelungsstufe, im Pehlewi oder Mittelpersischen, erscheint das Iranische fast seines ganzen Beugungsapparats beraubt; das Pehlewi war die Hofsprache der Sasaniden, jener Dynastie, die im 3. Jahrh. n. Chr. auf Grund einer Regeneration des Zoroasterschen Systems das neupersische Reich errichtete und bis zu ihrem Sturz durch die Araber im 7. Jahrh. beherrschte. Vgl. Pehlewi. Endlich haben wir in der Sprache des »Schahnáme« Firdosis (gest. um 1020), des großen Nationalepos der Perser, bereits das Neupersische vor uns, welches das Pâzend sowohl an Reinheit von fremden Bestandteilen als an Armut grammatischer Formen noch übertrifft. Das Neupersische kennt keine grammatische Geschlechtsunterscheidung, fast gar keine Kasusendungen und drückt die Zeiten des Verbums durch Hilfszeitwörter aus, ist daher neben dem Englischen die formenärmste der indogermanischen Sprachen; dafür hat es eine reich und sein ausgebildete Syntax. Seit Firdosi hat sich das Neupersische insofern wieder geändert, als es eine Menge von Fremdwörtern, ja ganze Phrasen aus dem Arabischen aufgenommen hat. Frei von solchen Beimischungen haben sich die Dialekte erhalten, unter denen der von Masenderan der wichtigste ist. Nahe verwandt mit dem Neupersischen sind auch die kurdischen Dialekte, das Paschtu oder Afghanische in Afghanistan, teilweise auch im nordwestlichen Indien, das Balutschun Belutschistan und die Sprache der Osseten, die sich selbst Iron, d. h. Iranier, nennen, im Kaukasus. Auch die Sprache der alten Skythen, die am Schwarzen Meer wohnten, zeigt, soweit sich nach der geringen Anzahl der daraus überlieferten Wörter urteilen läßt, iranischen Typus. Vgl. Spiegel, Vergleichende Grammatik der alteranischen Sprachen (Berl. 1882); Hübschmann, Etymologie und Lautlehre der ossetischen Sprache (Straßb. 1887); W. Geiger, Lautlehre des Baluči (Münch. 1891) und Etymologie und Lautlehre des Afghanischen (in den Abhandlungen der bayrischen Akademie, das. 1893); Horn, Grundriß der neupersischen Etymologie (Straßb. 1893); Hübschmann, Persische Studien (das. 1895); Geiger und Kuhn, Grundriß der iranischen Philologie (das. 1895 ff.); Bartholomae, Altiranisches Wörterbuch (das. 1905).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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