- Intervention
Intervention (lat., »Dazwischenkunft«), Einmischung, besonders gebieterisches Eingreifen eines Staates in solche Angelegenheiten eines andern, die an und für sich dem freien Ermessen des letztern unterliegen, mögen sie nun dessen Verfassung und Verwaltung oder die Beziehungen zu dritten Staaten betreffen. Hierbei kann die fremde Macht als Hauptpartei auftreten, entschlossen, ihre Pläne nötigenfalls mit Gewalt durchzusetzen; in solchen Fällen ist die I. zuweilen der Vorbote eines Krieges gewesen. Die I. kann aber auch nur als eine Hilfsleistung zur Unterstützung einer Macht, und zwar besonders auf deren Ansuchen, erscheinen (Kooperation, akzessorische I.). Ferner kann schon die Ergreifung vorbeugender Maßregeln, z. B. die Ausstellung eines Observationskorps, den Charakter einer I. tragen. Endlich wird der Ausdruck I. auch für das Eintreten für eigne oder fremde Interessen im diplomatischen Verkehr der Staaten untereinander, vorzüglich behufs Herbeiführung einer Verständigung in Streitfällen, also auf freundschaftliche Weise, gebraucht. Je nachdem eine I. mit bewaffneter Macht oder nur mittels freundschaftlicher Bemühung (Anbieten der »guten Dienste«, s. d.) geschieht, wird zwischen bewaffneter (intervention forcée) und moralischer I. (intervention amicale) unterschieden. Eine I. ist außer auf Ersuchen des andern Staates selbst oder mit dessen Zustimmung dann gerechtfertigt, wenn auf Grund geleisteter Garantie die garantierende Macht wegen Verletzung des Vertrags von einem Teil (Staat) zum Einschreiten aufgefordert worden ist. War aber die Garantie nicht bloßer Nebenvertrag, d. h. ein solcher, wodurch der Garant einer Vertragspartei Hilfe verspricht, sondern ein Hauptvertrag, wodurch eine Anzahl Mächte einen völkerrechtlichen Zustand unter ihren selbständigen Schutz nehmen (Garantiebeschluß), so sind die Garanten berechtigt, auch ohne Anrufen zu intervenieren, wenn ihr eignes Interesse an der fraglichen Anordnung verletzt oder bedroht erscheint (s. Garantie). So wären z. B. die Garantiemächte zur I. berechtigt, wenn eine Macht die Neutralität Belgiens (Vertrag von 1839) oder des Kongostaates (Berliner Vertrag vom 26. Febr. 1885) antasten würde. In die innern Angelegenheiten eines Staates sich einzumischen, ist, außer im Fall einer geleisteten Garantie, in der Regel kein Staat ermächtigt; die sogen. Interventionspolitik erscheint daher verwerflich. Jedenfalls hat sich Amerika durch die sogen. Monroe-Doktrin (s. Monroe) gegen jegliche Einmischung europäischer Mächte in amerikanische Angelegenheiten zu schützen gesucht. Insonderheit hat man die Interventionspolitik für den Fall verteidigt, wenn die Handlungen eines Staates die allgemeine Sicherheit der europäischen Staaten bedrohen und so ein gemeinsames Eingreifen derselben (Kollektivintervention) rechtfertigen (z. B. beim Krieg der Westmächte gegen Rußland! 1853–56], weil dieses die Türkei angriff); ferner auch, wenn solche Handlungen die Sicherheit, die Machtstellung oder sonstige wichtige Rechte eines derselben oder seiner Untertanen verletzen und ihn so zur Ausübung seines Selbsterhaltungsrechts zwingen; endlich für den Fall, wenn die Bedrückung einer Bevölkerung der Zivilisation Europas unwürdig erscheint (soz. B. I. zum Schutz der christlichen Bevölkerung in der Türkei, in China). Aus religiösen Ursachen ward von den Ultramontanen I. zugunsten des Papsttums gegen Italien gefordert. Eine besondere Art der I. ist die, welche gegen die ungerechtfertigte I. eines Staates geübt wird, um deren Ende herbeizuführen und zu verhüten, daß durch dieselbe eine Störung des Weltfriedens herbeigeführt werde (Konterintervention). Es gibt aber auch eine staatsrechtliche J. (richtiger Exekution [s. d.] genannt), insofern in zusammengesetzten Staaten (Bundesstaat oder Staatenbund) in der Regel unter bestimmten Voraussetzungen und aus gewissen Anlässen die Zentralgewalt zur I. in einzelnen Staaten, z. B. wegen Verfassungsverletzung, befugt ist. Schon die Verfassung des frühern Deutschen Bundes erkannte ein Interventionsrecht des letztern in den innern Angelegenheiten der Einzelstaaten an, soweit dadurch die Zwecke des Bundes berührt wurden. Im Deutschen Reich ist das Interventionsrecht des Bundesrats (s. Bundesrat) ausdrücklich anerkannt (Reichsverfassung, Art. 76). Verschieden von der I. ist die Interzession, d. h. die Erteilung freundschaftlicher Ratschläge, und die Mediation (s. d.). Vgl. außer den Lehrbüchern des Völkerrechts von Bonfils (deutsch von Graf, Berl. 1904), Gareis, Liszt, Rivier, Ullmann: H. v. Rotteck, Das Recht der Einmischung in die innern Angelegenheiten eines fremden Staates (Freiburg 1845); Strauch, Zur Interventionslehre (Heidelb. 1879); de Floeckher, De l'interventionen droit international (Par. 1896); Petin, Les Etats-Unis et la doctrine de Monroe (das. 1900); Engelhardt, Le droit d'intervention et la Turquie (das. 1880).
Im Zivilprozeßrecht bedeutet I. das Eintreten in einen bereits anhängigen bürgerlichen Rechtsstreit. Sie ist demnach teils der Vorgang, durch den eine dritte Partei sich in einen zwischen zwei andern anhängigen bürgerlichen Rechtsstreit einmischt, teils die durch eine solche Einmischung eintretende gerichtliche Verhandlung (processus interventionis). Der sich einmischende Dritte heißt Intervenient, sein Gegner Intervent. Die I. ist entweder Hauptintervention (s. d.) oder Nebenintervention (s. d.). Eine Ergänzung der erstern bildet die sogen. Exekutionsintervention (s. Hauptintervention). Über I. im Wechselverkehr s. Wechsel.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.