- Hansemann
Hansemann, 1) David Justus Ludwig, preuß. Staatsmann, geb. 17. Juli 1794 in Finkenwerder bei Hamburg, gest. 4. Aug. 1864 in Schlangenbad, wurde Kaufmann, führte die Geschäfte einer Handlung in Elberfeld und etablierte sich 1818 in Aachen als Wollhändler. Er gründete hier 1825 die unter seiner Leitung rasch aufblühende Aachener Feuerversicherungsgesellschaft, deren Reinertrag zur Hälfte der öffentlichen Wohlfahrt dienen muß, stiftete 1834 den Verein zur Beförderung der Arbeitsamkeit unter den ärmern Volksklassen und arbeitete seit 1836 für den Bau von Eisenbahnen (Schriften: »Die Eisenbahnen und deren Aktionäre in ihrem Verhältnis zum Staat« [Leipz. u. Halle 1837]; »Preußens wichtigste Eisenbahnfrage« [das. 1837]; »Kritik des preußischen Eisenbahngesetzes von 1838« [Aachen 1841]; »Über die Ausführung des preußischen Eisenbahnsystems« [Berl. 1843]); seiner persönlichen Bemühung ist der Bau der Eisenbahn von Köln über Aachen an die belgische Grenze zu danken; er gewann Einfluß auf die preußische Eisenbahngesetzgebung und war als Sachkenner geschätzt, als er 1844 infolge eines Konflikts von der Leitung der Eisenbahngesellschaft zurücktrat. Seit 1838 Handelsgerichtspräsident, gab er 1845 sein Handelsgeschäft auf und trat als Abgeordneter in den rheinischen Provinziallandtag. Schon seit 1830 politisch tätig, war H. auf dem Vereinigten Landtag (1847) einer der hervorragendsten Führer der freisinnigen Opposition und erhielt, als es nach der Erhebung im März 1848 die öffentliche Meinung zu versöhnen galt, das Portefeuille der Finanzen. Nach Camphausens Rücktritt (25. Juni) bildete er mit Auerswald, Kühlwetter u. a. ein neues Kabinett, das aber schon 28. Sept. wieder zurücktrat. Wohl erhielt er durch umfassende Maßnahmen dem Staatshaushalt den Kredit, obwohl viele seiner Vorschläge nicht ausgeführt wurden, aber die Aufgabe, den Ausbau der Verfassung friedlich durchzuführen, wußte auch er, von rechts und links gleich stark befehdet, nicht zu lösen. In der deutschen Frage Freund eines politisch-kommerziellen Verbandes nach Art des Zollvereins, widersprach er der deutschen Reichsverfassung vom 28. März 1849 wie der Union. Vgl. seine Schriften: »Die deutsche Verfassungsfrage« (Frankf. 1848), »Die deutsche Verfassung vom 28. März 1849« (Berl. 1849) und »Das preußische und deutsche Verfassungswerk« (das. 1850). Nach seinem Rücktritt vom Ministerium Chef der Preußischen Bank und der Seehandlung, unterstützte H. als Mitglied der Ersten Kammer das Ministerium Brandenburg-Manteuffel bei Wiederherstellung der gesetzlichen Ordnung, wurde aber, durch die reaktionäre Strömung zur Opposition gedrängt, im März 1851 als Bankdirektor entlassen und legte 1852 auch sein Abgeordnetenmandat nieder. Er gründete hierauf 1851 die Berliner Diskontogesellschaft und machte sie zu einem der bedeutendsten Bankinstitute Deutschlands. Politisch ist H. noch 1861 und 1862 als Präsident der ersten beiden deutschen Handelstage hervorgetreten, namentlich beim zweiten (München), wo der französische Handelsvertrag beraten wurde. Ein Denkmal wurde ihm 1884 in Aachen errichtet. Vgl. Bergengrün, David H. (Berl. 1901); »Die Diskonto-Gesellschaft 1851–1901, Denkschrift zum 50jährigen Jubiläum« (das. 1901). – Sein Sohn Adolf, geb. 27. Juli 1826 in Aachen, gest. 9. Dez. 1903 in Berlin, war seit 1857 Mitinhaber und nach des Vaters Tode Direktor der Diskontobank, wurde 1872 geadelt und stand bis 1899 als Vorsitzender der Direktion, seitdem als Vorsitzender des Verwaltungsrats an der Spitze der 1885 gegründeten Neuguinea-Kompanie (s. d.). Testamentarisch stiftete H. 150,000 Mk., deren Zinsen zur Unterstützung deutscher Handwerker in den Ostmarken verwendet werden. – Der jüngere Sohn, Gustav, geb. 22. Juni 1829 in Aachen, gest. 20. Mai 1902 in Berlin, machte sich durch mehrere physikalische Schriften bekannt und schrieb ferner: »Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zollvereins« (Berl. 1863); »Die Atome und ihre Bewegungen« (das. 1871); »E. v. Hartmanns Philosophie des Unbewußten für das Bewußtsein weiterer Kreise« (Leipz. 1874); »Die doppelte Buchführung in der Weltwirtschaft, ein Versuch zur Einführung des Prinzips von der Erhaltung der Kraft in die Sozialwissenschaft« (das. 1901).
2) Ferdinand von, deutscher Politiker, Sohn von Adolf H. (s. oben), geb. 10. Sept. 1861, gest. 3. Okt. 1900 in Berlin, studierte die Rechte, erwarb den juristischen Doktorgrad und widmete sich der Landwirtschaft. Er kaufte die polnische Herrschaft Pempowo (Kreis Gostyn) in der Provinz Posen und verwandelte sie durch umsichtige Tätigkeit in eine Musterwirtschaft (bedeutende Fohlenzucht), gründete zum Schutze des Deutschtums in Posen und Westpreußen mit Kennemann und v. Tiedemann den Deutschen Ostmarkenverein (s. d., Bd. 4, S. 737) und wurde deshalb von den Polen heftig angefeindet. Auch die Unzufriedenheit der Agrarier zog er sich zu, weil er die Seßhaftmachung russischer Arbeiter bekämpfte.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.