- Grundsteuer
Grundsteuer ist eine auf den Ertrag des Grund und Bodens gelegte Steuer. Die G. erstreckt sich in der Regel auf alles land- und forstwirtschaftlich benutzte oder auch benutzbare Land. Doch wird die G. vom Wald mehrfach abweichend von der landwirtschaftlichen G. und gelegentlich auch durch eine besondere Steuer erhoben. Eine echte G. hätte eigentlich nur den Reinertrag des Bodens an sich, die Bodenrente, zu treffen; doch erstreckt sich die Steuer regelmäßig auf den landwirtschaftlichen Ertrag im weitern Sinn, also einschließlich des Ertrags der Viehzucht, der auf die Bodenbestellung verwendeten und mit den Boden verbundenen Kapitalien und der Arbeit. Die G. kam schon frühzeitig unter verschiedenen Formen und Benennungen vor, was sich daraus erklärt, daß der Grundbesitz als wichtigste Ertrag gebende Besitzesform nicht allein Grundlage politischer Rechte war, sondern auch eine leichte Erhebung der Steuergestattete. Daher finden wir mancherlei Grundabgaben schon bei den Alten, bei Ägyptern, Griechen und Römern als Vermögenssteuer, wie auch im Mittelalter als feudale Grundabgabe (Bede [s. d.], Rauchhuhn etc.). Doch trägt die G. des Mittelalters vollständig einen den damaligen staatlichen Zuständen entsprechenden Charakter: sie ist ganz regellos und enthält staats- und privatwirtschaftliche Elemente in bunter Mischung. Erst mit dem 18. und 19. Jahrh. macht sich bei ihr mehr der Grundsatz der Allgemeinheit und Gleichmäßigkeit geltend, die G. nimmt den Charakter einer öffentlich-rechtlichen, für Staatszwecke erhobenen Abgabe an, Befreiungen werden nur noch Ländereien des Staates und des Fürstenhauses (in einigen Ländern auch der Standesherren), dann dem öffentlichen Zwecken gewidmeten Boden zugestanden, während der als Erwerbsquelle benutzte Boden von Gemeinden durch den Staat und der des letztern durch die Gemeinde, in deren Gemarkung er liegt, zur G. heranzuziehen ist. Die Veranlagung der G. erfolgt heute meist durch umfassende Katastrierung mit Vermessung, Bonitierung und Abschätzung, bez. Einschätzung (Grundsteuerkataster; Näheres s. unter Kataster). Die G. ist meist Quotitätssteuer, indem ein Prozentsatz vom Wert oder Ertrag erhoben wird. In mehreren Gesetzgebungen sind Steuernachlässe bei Ertragsminderungen durch Elementarereignisse und sonstige unverschuldete Unglücksfälle vorgesehen.
In Preußen, wo früher grundsteuerartige Abgaben unter verschiedenen Formen und Namen vorkamen (als Schoß in Ostpreußen, als Kontribution in Westpreußen, in der Mark, in Pommern und Schlesien, als Lehnpferdegelder in Ostpreußen und Pommern, als Ofiara und Rauchfanggeld in Posen, als Schocksteuer, Kavalleriegelder, Servis etc. in Sachsen), konnten die 1810 und 1811 erteilten Verheißungen einer allgemeinen G. ohne Steuerfreiheiten erst nach 1848 durch Gesetz vom 24. Febr. 1850 erfüllt werden, wobei aber den seither Befreiten eine Entschädigung im 131/3-20fachen Betrag der G. gewährt wurde. Die G. ist definitiv geregelt durch Gesetz vom 21. Mai 1861. Für jeden Bezirk wurde ein Flurenbuch und eine Grundsteuermutterrolle angelegt, von denen das erste alle Wirtschaften, die zweite alle Parzellen nach Flächeninhalt und Reinertrag umfaßt. Als Reinertrag gilt der nach Abzug der Bewirtschaftungskosten verbleibende nachhaltig erzielbare Überschuß, der für jede der Kulturklassen nach Bonitätsklassen (bis zu 8 in jedem Kreise) bestimmt wurde. Die G., deren Erträgnis auf 13,2 Mill. Tlr. kontingentiert war, ist durch Gesetz vom 14. Juli 1893 als Staatssteuer außer Hebung gesetzt und den Gemeinden überlassen worden. In Bayern (Gesetz vom 15. Aug. 1828 und 19. Mai 1881) bildet den Maßstab der Steuer der aus dem Flächeninhalt (festgestellt durch Parzellenvermessung) und der Nakuralertragsfähigkeit der Grundstücke ermittelte Ertrag. Die Ertragsfähigkeit wird durch Bonitierung gefunden und in 1/8 Scheffel Roggen ausgedrückt. Die Steuer ist im wesentlichen Rohertragssteuer, doch wird bei allen Kulturarten nur das Hauptprodukt berücksichtigt und die Aussaat in Abzug gebracht. Die Höhe der Steuer wird durch Finanzgesetz festgestellt und beträgt zurzeit 4,9 Proz. des katastermäßigen Ertrags. Für 1902/03 ist sie mit 11,5 Mill. Mk. etatisiert. In Württemberg unterliegen der G. die ertragsfähigen Grundstücke und Realrechte (ausgenommen Dienstgrundstücke der Beamten) nach ihrem Reinertrag, indem die Grundstücke jeder Kulturart in Klassen geteilt und für jede Kulturart und Klasse die Reinerträge (»Steueranschläge«) gebildet werden. Die Steueranschläge werden auf die einzelnen Parzellen angewendet und so deren Steuerkapital nach Abzug der Grundlasten ermittelt. Von dem Steueranschlag wurde bisher (Gesetz vom 14. Juli 1887) ein Prozentsatz (3,9) als G. erhoben. Durch Gesetz vom 8. Aug. 1903 ist in Württemberg eine allgemeine Einkommensteuer eingeführt (s. Einkommensteuer) und durch Gesetz vom gleichen Datum die Grund-nebst Gebäude- und Gewerbesteuer revidiert worden. Zugleich wurde bestimmt, daß für diese Steuer (und für die Kapitalrentensteuer) ein einheitlicher Steuersatz festzustellen und von dem Katasterertrag der Grundstücke (ohne Waldungen) 20 Proz., dem der Weinberge 40 Proz. in Abzug zu bringen sind. Baden besteuert die Grundstücke nach einem Wertkataster, indem für die Grundstücke nach Klassen und Kulturarten ein Steuerkapital nach dem Durchschnitt der Güterpreise von 1828–47 festgestellt wird. Durch Gesetz vom 9. Aug. 1900 ist eine Neueinschätzung der G. auf Grund der 1895–1899 durchschnittlich erzielten Kaufpreise, Pachtzinse, Lage und Ertragsfähigkeit der Grundstücke angeordnet. In Sachsen wird die G. nach einem Reinertragskataster mit 4 Pf. von je 10 Groschen Reinertrag erhoben. Die Hälfte des Ertrags der G. ist den Schulgemeinden überwiesen.
Die österreichische G. (Gesetz vom 24. Mai 1869 und 17. Juni 1881) ist eine Reinertragssteuer ungefähr nach dem Muster der preußischen, jedoch mit andrer Eintragung der Kulturgattungen. Alle 15 Jahre soll eine Revision stattfinden, die jedoch nach Gesetz vom 19. Juli 1896 nicht in einer Steuereinschätzung der einzelnen Parzellen, sondern nur in einer auf allgemeinen Erhebungen beruhenden Beseitigung der zutage getretenen Ungleichmäßigkeiten besteht. Der Betrag der Steuer ist seit 1896 auf 35 Mill. Gulden (früher 37,5) kontingentiert, stellt sich aber infolge von Nachlässen und Abschreibungen auf ca. 29 Mill. Gulden. In Frankreich (Gesetz vom 28. Nov. 1798) erfolgt die Besteuerung auf Grund des Katasters nach dem Reinertrag, d. h. dem, was dem Besitzer nach Abzug der Kosten für Anbau, Ernte und Instandhaltung vom Bruttoertrag verbleibt. Die Steuer ist kontingentiert. Großbritannien hat keine eigentliche G. Die Besteuerung des landwirtschaftlichen Ertrages erfolgt im Wege der Einkommensteuer (Schedula A und B). Es finden sich nur noch Reste der alten Land-tax, die eine ablösbare Reallast darstellt.
In einem rationellen System von Ertragssteuern kann die G. selbstverständlich nicht fehlen. Doch leidet die übliche Katasterbesteuerung an erheblichen Übelständen. Zeit- und Kostenaufwand für die erste Veranlagung sind sehr hoch (150 Mill. Frank in Frankreich). Noch vor Ausführung der in großen Ländern langwierigen Katastrierungsarbeiten haben sich infolge von Änderungen der Technik, des Verkehrs etc. ihre Grundlagen geändert. Eine Neuregulierung kann aber, weil zu kostspielig, nicht sofort wieder eintreten. So verliert denn der stabile Kataster im Laufe der Zeit immer mehr an Zuverlässigkeit. In Österreich war die 1817 angeordnete Katastrierung noch nicht beendet, als eine neue ins Werk gesetzt wurde. 1869 wurde dieselbe begonnen, aber erst 1892 konnte das volle, 1880 ausgeschriebene Kontingent erhoben werden. Dazu kommen die Schattenseiten der Realsteuer, die nur den möglichen durchschnittlichen Reinertrag, nicht die wirklichen, durch die Persönlichkeit des Besitzers, seine individuelle Lage etc. bedingten Reineinnahmen erfassen. Auch die Verschuldung des Besitzers bleibt unberücksichtigt. Wollte man die G. in eine partielle Einkommensteuer umwandeln, so müßte man sich großenteils auf die Selbsteinschätzung des Pflichtigen verlassen, die lediglich nach solchen sachlichen Merkmalen kontrolliert werden könnte, die heute als Grundlagen zur Bemessung der G. dienen. In mehreren Ländern würde eine solche Änderung eine vollständige Umwandlung des ganzen Steuersystems bedingen. Trotz der gerügten Mängel kann von einer Aufhebung der G. um so weniger die Rede sein, als eine seit langem bestehende stabile G. einer Reallast gleich zu achten ist, die bei starker Mobilisierung des Grundbesitzes vom jetzigen Besitzer nicht getragen wird, weil er den Kaufpreis um einen entsprechenden Betrag vermindert hat. Eine Aufhebung der G. wird also für ihn einem Geschenk gleichkommen, als solches aber ganz vorzüglich dann erscheinen, wenn bei Einführung der G. privilegierten Grundbesitzern eine Entschädigung für die neu aufzulegende Last gewährt worden ist.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.