- Gewerkvereine
Gewerkvereine (Gewerksgenossenschaften, Fachvereine, bisweilen auch Gewerkschaften genannt, engl. Trades Unions, auch als Arbeitergilden der Gegenwart bezeichnet) sind Verbindungen von Lohnarbeitern eines bestimmten Gewerbes (Gewerks) zur Förderung ihrer gesamten wirtschaftlichen und sozialen Interessen, insbes. zur Herbeiführung möglichst günstiger Arbeitsbedingungen. Sie wollen durch dauernden kräftigen Zusammenschluß die Stellung der Arbeiter den Arbeitgebern gegenüber wie überhaupt auf dem Arbeitsmarkt verbessern und auf diesem Wege Vorteile erringen, wie sie der für sich allein stehende Arbeiter, der regellos mit andern konkurriert, nicht erzielen kann. Ihr Bestreben ist zunächst auf eine angemessene Regelung von Arbeitslohn, Arbeitszeit und Arbeitsart gerichtet. Diese suchen die G. durch örtliche und zeitliche Regelung des Arbeitsangebotes, Arbeitsnachweis und Gewährung von Unterstützungen für den Fall der Arbeitslosigkeit, der Krankheit, der Invalidität, des Todes und der im Interesse der Arbeiterschaft nötigen Auswanderung zu verwirklichen. Das Angebot von Arbeitskräften kann durch die G. beeinflußt werden, wenn an Zentralstellen über den Stand des Arbeitsmarktes regelmäßig Bericht erstattet und für einen Ausgleich von örtlichem Überfluß und Mangel gesorgt wird, dann wenn im Kampfe mit Arbeitgebern bei beabsichtigten Streiks diese für ein größeres Gebiet planmäßig organisiert werden. Die Organe der G. können hier zunächst gütliche Vermittelungsversuche anstellen, schon durch das moralische Gewicht der geschlossenen Macht und durch den Druck einer bevorstehenden allgemeinen Arbeitseinstellung günstige Erfolge erzielen. Kommt es nach Prüfung des Falles zum Streik, so kann die Widerstandskraft der Arbeiter durch die von andern Orten und Vereinen her gewährten Unterstützungen, dann durch die eignen angesammelten Mittel erhöht werden. Weiter kann das Angebot wenigstens je für ein einzelnes Gewerbe beeinflußt werden, wenn es die G. verstehen, eine Beschränkung der Anzahl der aufzunehmenden Lehrlinge durchzusetzen und ungelernte Arbeiter fern zu halten. Im allgemeinen können diese Bestrebungen der G. um so erfolgreicher sein, in je umfassenderm Maße sich dieselben organisieren, wenn mehrere Ortsvereine Verbände bilden und diese sich zu Landesverbänden zusammenschließen. Die Wirksamkeit der G. kann sich weiter noch erstrecken auf solche Einrichtungen, die den Arbeitern Nutzen bringen, wie Konsumvereine, Speiseanstalten etc., dann auch auf Fürsorge für die Weiterbildung der Mitglieder. Die Mittel für ihre Ausgaben beschaffen sich die G. durch Eintrittsgelder, regelmäßige Wochenbeiträge und außerordentliche Auflagen.
In England hatten sich G. bereits Ende des 18. Jahrh. gebildet. Ihrer Entwickelung standen jedoch die Koalitionsverbote im Wege. Aber auch nach Gewährung der Koalitionsfreiheit waren die G. noch sehr beengt. Es fehlte ihnen das Recht der juristischen Persönlichkeit. Die Vereine bestanden meist nur für einen Ort, die Mitglieder mußten, wenn sie nach einem andern Platz übersiedelten, hier einem neuen Verein beitreten. Erst nach 1830 wurden mehr und mehr Zweigvereine gegründet, allmählich wurde eine straffere Organisation geschaffen, die Ortsvereine wurden zu Landesgewerkvereinen (je mit einem Zentralausschuß) verbunden, mit Verzweigungen, die sich auch auf Amerika und Australien erstreckten. Erst 1868 wurde den Gewerkvereinen gesetzlicher Schutz gegen Veruntreuung ihres Vermögens durch Vorstände und Kassenverwalter gewährt und 1871 durch die Trades Unions Act den Vereinen, die ihre Statuten registrieren ließen, das Recht der juristischen Persönlichkeit zugestanden. Der ursprünglich bei der Registrierung (gerichtlichen Eintragung) geforderte Nachweis, daß der Verein nicht zur Schädigung des Gewerbes führe, wurde durch eine Novelle von 1876 beseitigt. Von du ab begannen sich die G. kräftiger zu entfalten. Es bildeten sich auch unter dem Einfluß der Women's Trades Union Provident League G. mit weiblichen Mitgliedern, und zwar nicht allein solche, in denen männliche und weibliche Mitglieder nebeneinander gleichberechtigt sind (1900: 122,047 weibliche Mitglieder), sondern auch Vereine mit ausschließlich weiblichen Mitgliedern. Seit 1887 haben auch die ungelernten (unskilled) Arbeiter begonnen, sich in Gewerkvereinen zu organisieren. Der Führer dieser neuen G., John Burns, hat namentlich unter den Dockarbeitern und Seeleuten mächtige Vereinigungen ins Leben gerufen. Doch haben diese neuen Vereine schon wegen der weniger günstigen Erwerbsverhältnisse ihrer Mitglieder mit größern Schwierigkeiten zu kämpfen, sind nicht so fest organisiert und beschränken sich mehrfach nur auf Unterstützung Streikender. In die Gewerkvereinsbewegung haben sie einen radikalern, zum Teil sozialdemokratischen Zug gebracht, der auch einzelne der von ihnen beschickten Gewerkvereinskongresse beeinflußt hat. Die alten G. stellen im allgemeinen hohe Anforderungen an die Qualifikation der Mitglieder. Ausgenommen werden nur gelernte Arbeiter, die Bürgschaft von zwei Mitgliedern beibringen, daß sie gute Arbeiter seien, die außerdem nachweisen, daß sie einen bestimmten Minimallohn verdienen, und daß sie guten Leumund haben. Sie halten an diesen Bedingungen fest, weil sie den Arbeitgebern gegenüber eine günstigere Stellung einnehmen, wenn sie die bessern der Lohnarbeiter umfassen, die bei Arbeitseinstellungen nicht durch andre ersetzt werden können. Die Vereinbarungen über den Lohn sind zunächst Sache des einzelnen Arbeiters, aber wenn eine Benachteiligung der Genossen durch ihre Isolierung droht, tritt der Verein für sie ein. Bei Streit über die Lohnhöhe hat zunächst der Ortsverein mit dem Arbeitgeber zu verhandeln und, wenn ihm nicht der gütliche Ausgleich gelingt, an den Zentralausschuß zu berichten, der nun, wenn er den Anspruch der Mitglieder gerechtfertigt findet, mit dem betreffenden Arbeitgeber in Verhandlungen tritt. Das äußerste Zwangsmittel des Gewerkvereins gegen den Unternehmer ist der Streik. Aber der Verein sucht diesen zu vermeiden, namentlich auch durch die Organisation von Einigungsämtern (s.d.). Eine Unterstützung der Genossen durch den Gewerkverein im Streikfall tritt nur ein, wenn der Zentralausschuß den Streik billigt. Um Angebot und Nachfrage nach Arbeitskräften einander anpassen zu können, werden Listen über die unbeschäftigten Arbeiter des Gewerkes geführt und wird der lokale Begehr von Arbeitern stetig kontrolliert. Der Zentralausschuß dirigiert unbeschäftigte Arbeiter dahin, wo Arbeiter gesucht werden; folgen die Arbeiter nicht der Weisung, so verlieren sie die ihnen vom Gewerkverein im Fall der Arbeitslosigkeit gewährte Unterstützung. Man ist ferner im Interesse der gelernten Arbeiter bemüht, die übermäßige Beschäftigung von ungelernten Arbeitern, ebenso von jugendlichen Arbeitern und von Lehrlingen zu verhindern, und stellt zu diesem Zweck Regeln über die entsprechenden Zahlenverhältnisse auf. Bei Überfüllung des Gewerbes wird, um Lohnverringerung zu verhindern, die Auswanderung unterstützt.
Zu Ende 1900 bestanden nach dem Report on Trade Unions 1272 G. mit 1,905,116 Mitgliedern. Im allgemeinen nimmt man an, daß etwa ein Fünftel der englischen Arbeiter (mit Ausschluß der Landwirtschaft ein Viertel) organisiert ist. Ihre Einnahmen waren 1900: 1,97, ihre Ausgaben 1,49, ihr Vermögen 3,76 Mill. Pfd. Sterl. Etwa drei Viertel der Gewerkvereinler versichern ihre Angehörigen für die Begräbniskosten, die Hälfte etwa ist für Krankenunterstützung, zwei Drittel für Arbeitslosenunterstützung, ein Drittel gegen Unfall und Invalidität versichert. Die englischen G. haben nur eine Kasse für die verschiedenen Unterstützungszwecke; aus dieser werden dann auch die Unterstützungen für streikende Mitglieder gezahlt. Für diese Einrichtung wird geltend gemacht, daß sie zur äußersten Vorsicht in der Genehmigung von Streiks durch die Zentralausschüsse veranlasse.
In Deutschland wurde der erste Gewerkverein (der deutsche Tabakarbeiterverein) 1865 durch Fritzsche ins Leben gerufen. Ihm folgte 1866 der Verband deutscher Buchdrucker. Am 22. Aug. 1868 wurde auf der in Hamburg tagenden Generalversammlung des Allgemeinen deutschen Arbeitervereins die Gründung von Gewerkschaften (Arbeiterschaften) beschlossen. Diese sozialistischen G. zählten bei ihrer Auflösung (1878) 29 Verbände mit 1300 Zweigvereinen, 58,000 Mitgliedern und 15 gewerkschaftlichen Blättern. Gleichfalls im Herbst 1868 tagte in Berlin eine von Duncker und Hirsch berufene Versammlung, die zur Gründung der Hirsch-Dunckerschen G. führte (Ende 1869: 12 G. mit 267 Ortsvereinen und 30,000 Mitgliedern, Ende 1893: 1350 Ortsvereine mit über 61,000 Mitgliedern, Ende 1902 waren es 102,851 Mitglieder). Diese G. stehen auf nationalem Boden. Ihr Streben ist, Streiks möglichst zu verhüten unter Herbeiführung gütlicher Ausgleichung und eines guten Einvernehmens zwischen Arbeitern und Arbeitgebern. Bei ernstern Streitigkeiten oder drohenden Ausständen wenden sich die Ortsvereinsvorstände an den Generalrat, und bleiben dessen Versuche zu gütlicher Beilegung erfolglos, so unterbreitet er die Streitigkeiten dem Zentralrat, der es zum Streik nur kommen lassen soll, wenn auch seine Vermittelungen kein befriedigendes Ergebnis haben, wenn er einen Streik außerdem im vorliegenden Fall als berechtigt anerkennt, und wenn die Kassenverhältnisse und die Geschäftslage auch Aussicht auf einen Erfolg verheißen. Die Hirsch-Dunckerschen G. unterscheiden sich mehrfach wesentlich von ihrem englischen Vorbild. Sie haben nicht die strengen Ausnahmebedingungen. Ferner fehlt in ihrer Organisation die Vereinigung und straffe Zentralisierung der Ortsvereine eines Gewerkes in einem Landesgewerkverein unter einem den Verein leitenden Vorstand. Ihre Organisation baut sich auf den Berufsvereinen der einzelnen Orte (Ortsvereine) auf. Diese Ortsvereine sind neben Zentralrat und Anwaltschaft die Hauptorgane. Jeder Ortsverein wählt seinen Vorstand und Ausschuß und verwaltet seine Angelegenheiten und Kassen selbständig. Mehrere Ortsvorstände eines bestimmten Berufs bilden einen Gewerkverein. Die Ortsvereine eines Ortes bilden einen Ortsverband. Alle G. und selbständigen Ortsvereine bilden zusammen den 1869 gegründeten Verband der deutschen G. (Hirsch-Duncker), dessen Organe der Verbandstag (Abgeordnete der verbundenen G. und selbständigen Ortsvereine), der Zentralrat als zentrales Verwaltungsorgan, der Anwalt (jetzt Hirsch) und die Ortsverbände sind. Ein weiterer Unterschied ist, daß für die verschiedenen Unterstützungszwecke streng gesonderte Kassen bestehen, der wichtigste aber, daß eine Unterstützung bei Arbeitslosigkeit nur von wenigen Vereinen und in geringem Maß gewährt wird. Nach Erlaß der Arbeiterversicherungsgesetze errichteten diese G. Zuschußkassen für solche Mitglieder, die genötigt sind, einer Zwangskasse beizutreten. Die 1869 gegründete Verbandsinvalidenkasse löste sich 1889 wieder auf. In den 31 Jahren 1869–1899 waren die Einnahmen aller Vereine ca. 27, die Ausgaben 24,2 Mill. Mk., hierunter Krankenunterstützung und Begräbnisgeld 14,2, Invalidenunterstützung 1,8, für Rechtsschutz, Unterstützung bei Arbeitslosigkeit etc. 3,8 Mill. Mk. Für 1902 ist die Jahreseinnahme auf 800,434, der Kassenbestand auf 3,220,970 Mk. angegeben. Hauptorgan dieser G. ist der seit 1868 in Berlin erscheinende »Gewerkverein«
Sozialdemokratische G. bildeten sich wieder neu seit 1880 und zwar unter Berücksichtigung der Gesetzgebung zunächst als unpolitische Fachvereine. Diese bildeten bald Verbände und später auch einheitliche Zentralvereine mit (1902: 61) über ganz Deutschland verbreiteten Zahlstellen. Seit 1887 besteht in Hamburg eine Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands, die eine einheitliche Leitung der ganzen Gewerkschaftsbewegung ermöglichen und die Unterstützung von Streiks regeln soll. 1902 hatten die 61 Zentralverbände 733,206 Mitglieder, darunter 28,218 weibliche. Dazu kommen noch 10,090 Mitglieder von Lokalvereinen. Die Einnahmen der erwähnten 61 Zentralorganisationen betrugen 1902: 11,1, die Ausgaben 10 Mill. Mk., darunter für Streikunterstützung 1,93, Reiseunterstützung 0,71, Arbeitslosenunterstützung 0,16, Krankenunterstützung 0,79, Verbandsorgane 0,80 Mill. Mk. Der Kassenbestand betrug 1902: 10,253,559 Mk. Gegenwärtig erscheinen 53 gewerkschaftliche Blätter. Im März 1892 tagte der erste deutsche Gewerkschaftskongreß in Halberstadt, auf dem die Gründung von Industrieverbänden (Kartellen) beschlossen wurde, welche die Zweigvereine verwandter Berufe vereinigen sollten; es sollten möglichst diejenigen Vereine dem nämlichen Verband angehören, deren Mitglieder in denselben Fabriken und Werkstätten beschäftigt sind.
Eine Sonderstellung nehmen mehrere Verbände mit selbständiger Organisation ein. Der wichtigste ist der 1866 gegründete Unterstützungsverein deutscher Buchdrucker (seit 1893 Verband deutscher Buchdrucker). Seit 1894 besteht ein »Gewerkverein christlicher Bergarbeiter«; in der Folge sind weitere christliche und unabhängige G. entstanden, deren Mitgliederstand 1900 auf etwa 190,000 geschätzt wird.
In Österreich bildet die Verschiedenheit von Nationalität, Sprache etc. ein Hindernis für die Entwickelung der G. Dazu kommt, daß wegen der unbestimmten Fassung des Vereinsgesetzes die Vereine fast ganz in das Belieben der Behörden gestellt sind. Doch hat sich in den letzten Jahren die Gewerkvereinsbewegung ziemlich kräftig entwickelt, indem sich der Mitgliederbestand der sozialistischen Gewerkschaften von 1892–1899 von 70,300 auf 157,800 gehoben hat. Als Zentralorganisation der letztern besteht die Gewerkschaftskommission für Österreich in Wien und eine eigne (tschechische) Kommission in Prag. Daneben bestehen die Gehilfenversammlungen der Gewerbegenossenschaften (s. Innungen), die in der neuern Zeit eine rege Tätigkeit entfalten. Die Buchdrucker haben, wie in Deutschland, ihre eigne Organisation. Einige Fachvereine (Eisenbahnangestellte und Eisenbahnarbeiter) stehen unter christlich-sozialer Führung.
In Frankreich war die bisherige restriktive Vereinsgesetzgebung der erfolgreichen Wirksamkeit von Gewerkvereinen, Arbeitersyndikaten (syndicats ouvriers, professionnels etc.) hinderlich. Erst durch Gesetz vom 21. März 1884 sind das Assoziationsverbot (Gesetz vom 14.- 17. Juni 1791) und der Art. 416 des Code pénal aufgehoben und die Gründung von gewerblichen Assoziationen, auch von Gewerkvereinen, mit einigen Beschränkungen freigegeben. Die G. können das Recht der juristischen Person erlangen. Eigentliche G. entstanden erst nach Aufhebung der Koalitionsverbote (1864), von der liberalen kaiserlichen Regierung geduldet, seit 1867; ihre Zahl war aber nur gering, ihre Tätigkeit verhältnismäßig unbedeutend. Größer wurde die Zahl und erheblicher die Wirksamkeit seit 1872. Im J. 1899 gab es 2685 legal errichtete Arbeitersyndikate mit 0,5 Mill. Mitgliedern; da daneben aber Vereinigungen existieren, die den Anforderungen des Syndikatsgesetzes nicht entsprechen, so ist die Zahl der organisierten Arbeiter jedenfalls größer. Ferner kommen die Arbeitsbörsen als Vereinigungen von Arbeitersyndikaten in Betracht, die vielfach von Gemeinden und Departements unterstützt werden. Die französischen Arbeitersyndikate gehören wie die Arbeitsbörsen der sozialistischen Richtung an und nehmen an der politischen Bewegung sehr stark teil.- In Belgien waren die gleichen gesetzlichen Bestimmungen wie in Frankreich der Entwickelung der G. hinderlich. Erst neuerdings ist ihnen das Recht der juristischen Persönlichkeit zugestanden. Die belgischen G. sind im gleichen Sinne politisch tätig wie die französischen. – In der Schweiz können die G. durch Eintragung in das Handelsregister das Recht der juristischen Persönlichkeit erlangen. 1880 entstand unter sozialdemokratischem Einfluß ein allgemeiner Gewerkschaftsbund; auf dem Kongreß von 1900 wurden übrigens die spezifisch sozialdemokratischen Programmpunkte aus dessen Statuten entfernt. Der Gewerkschaftsbund zählte 1900: 327 Sektionen mit 17,451 Mitgliedern; sonstige gewerbvereinliche Verbände hatten 431 Sektionen mit 31,583 Mitgliedern. Der bedeutendste Gewerkverein ist der Schweizer Typographenbund. – In Italien sind G. seit Anfang der 1870er Jahre entstanden, der bedeutendste ist der der italienischen Buchdrucker. – In den Vereinigten Staaten von Nordamerika richten die G. ihre Bestrebungen wesentlich nur auf die Erzielung günstiger Arbeitsbedingungen, insbes. Verkürzung der Arbeitszeit und Erhöhung des Arbeitslohnes, sie sind meist nur Kampfvereine und häufig nur temporäre Vereine. Die ersten G. entstanden in den 1830er und 1840er Jahren, es waren aber nur lokale Vereine, die meisten nicht von langer Dauer. Erst in den 1850er Jahren bildeten sich auch nationale (auf mehrere Orte sich erstreckende) und internationale (auch über Kanada sich erstreckende) G., die aber nicht berufsgenossenschaftliche, sondern territorial abgegrenzte Organisationen darstellen. Besonders hervorzuheben sind die großen Arbeiterorganisationen, welche die verschiedenartigsten Arbeiterverbände und Erwerbszweige umfassen, wie die American Federation of Labor und die »Ritter der Arbeit« (Knights of Labor, seit 1869). – In Australien besteht neben den gewerblichen Gewerkvereinen auch eine große Zahl von Gewerkvereinen landwirtschaftlicher Arbeiter.
Vgl. Artikel »Gewerkvereine« im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften«, 2. Aufl. (Bd. 4, Jena 1900); Kulemann, Die Gewerkschaftsbewegung (das. 1900); L. Brentano, Die Arbeitergilden der Gegenwart (Leipz. 1871–72, 2 Bde.); Schulze-Gävernitz, Zum sozialen Frieden (das. 1890, 2 Bde.); Crompton, Industrial conciliation (Lond. 1876). Holyoake, History of the cooperation in England (3. Aufl., das. 1885, 2 Bde.); Howell, Trade Unionism, new and old (das. 1891); Mrs. Webb, History of trade unionism (das. 1894, neue Ausg. 1902); S. und B. Webb, Industrial democracy (das. 1897; deutsch, Stuttg. 1898, 2 Bde.); Hugo, Die englische Gewerkvereinsbewegung (Stuttg. 1896); H. v. Nostitz, Das Aufsteigen des Arbeiterstandes in England (Jena 1900); Chalmers und Hunt, On Trade-Unions (Lond. 1902); »Labour Statistics. Statistical tables and Report on Trade Unions« (das., jährlich); H. Polke, Die deutschen G. (Stuttg. 1879); verschiedene Schriften von Max Hirsch: Was bezwecken die G.? (16. Aufl., Berl. 1894), Tätigkeit und Entwickelung der deutschen G. und ihres Verbandes (das. 1889), Die Arbeiterfrage und die deutschen G. Festschrift (Leipz. 1893), Die Entwickelung der Arbeiterberufsvereine (das. 1896); Emma Ihrer, Die Organisation der Arbeiterinnen Deutschlands (Berl. 1893); Schmöle, Die sozialdemokratischen G. in Deutschland seit dem Erlaß des Sozialistengesetzes (Jena 1896–98, 2 Tle.); Timm, Aus dem Entwickelungsgang der deutschen Gewerkschaftsbewegung (Münch. 1902); »Korrespondenzblatt der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands« (Hamburg); »Arbeitsstatistik der Deutschen G. für das Jahr 1900«, zusammengestellt von Klein und Petersdorff (Berl. 1901); W. Lexis, G. und Unternehmerverbände in Frankreich (Leipz. 1880); Mahaim, Études sur les Associations professionelles (Lüttich 1891); von der Osten, Die Fachvereine und die soziale Bewegung in Frankreich (in Schmollers »Jahrbuch für Gesetzgebung etc.«, 1891); Farnam, Die amerikanischen G. (Leipz. 1880); A. Sartorius v. Waltershausen, Die nordamerikanischen Gewerkschaften etc. (Berl. 1886) und Der moderne Sozialismus in den Vereinigten Staaten (das. 1890); R. T. Ely, Te Labor movement in America (2. Aufl., New York 1890); Bechtle, Die G. in der Schweiz (Jena 1887); Berghoff-Ising, Die sozialistische Arbeiterbewegung in der Schweiz (Leipz. 1895); Steck, Die heutige Gewerkschaftsbewegung in der Schweiz (im »Archiv für soziale Gesetzgebung«, 1897).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.