Ebene [2]

Ebene [2]

Ebene, ein größerer Landstrich, innerhalb dessen keine sehr beträchtlichen Unterschiede des Niveaus vorkommen. Nach der Höhe des Niveaus ü. M. unterscheidet man Hochebenen und Tiefebenen (bei geringerer Größe auch Niederungen genannt), von denen erstere mit den sie umgebenden und durchziehenden Bergen die Hochländer (Plateaus) bilden, letztere die Tiefländer. Gewöhnlich nimmt man die Grenze zwischen Hoch- und Tiefebenen zu 250–300 m ü. M. an, über welche Höhe sich aber das Durchschnittsniveau mancher Hochebenen noch sehr bedeutend erhebt, so Iran im Mittel 1200 m, Südafrika über 1900 m, Mexiko über 2200 m und Peru an 3000 m ü. M. Geringer ist die Höhe der Hochebenen Europas: Spanien 600–700 m, Bayern 500 m. Hochebenen, namentlich in heißern Gegenden vorzüglich zu Kulturstätten geeignet, liegen fast ohne Ausnahme am obern Lauf größerer Ströme, soz. B. die kastilischen Hochebenen am Oberlauf des Tajo und Duero, die bayrische E. an der Donau, dem Inn, Lech etc. Die Tiefebenen, die in Klimaten jeder Art als Kultursitze dienen können, liegen ebenfalls zum Teil an größern Strömen, aber in deren unterm Laufe, so das Marchfeld, die Kleine und die Große ungarische E., das Küstentiefland der Walachei und Bulgarei an der Donau, das Rheintal (Baden, Elsaß) an dem Rhein. Andalusien, Oberitalien, die große Mississippi-E., das brasilische Tiefland am Amazonenstrom, das Land am Indus und Ganges, das chinesische Tiefland, Mesopotamien etc. sind ebenfalls Tiefebenen, die sich um ein größeres Stromgebiet gruppieren. Andre dehnen sich an Küsten entlang (peripherische oder Küstenebenen, im Gegensatze zu den Binnenebenen), wie z. B. die patagonische, die provenzalische, ostschwedische E., der appalachische Küstensaum, der von Chile etc., und sind dann mehr oder weniger terrassiert. Von noch größerer Bedeutung sind aber die ausgedehnten Ebenen, die sich über große Teile ganzer Kontinente erstrecken, soz. B. die nordasiatische Tiefebene vom äußersten O. bis zum Ural, die nordamerikanische E. vom Hudsongebiet bis zum Eismeer und bis Alaska. Diese großen Flächen greifen nicht nur über viele Stromgebiete hinüber, sondern umschließen auch mannigfaltigere Niveaudifferenzen, die zwar der absoluten Höhendifferenz nach unbedeutende, aber oft weit sich erstreckende Höhenzüge (Landrücken) veranlassen. Den Untergrund der vollständigsten Ebenen, insbes. der Tiefebenen, bilden geschichtete Gesteine in horizontaler oder doch annähernd wagerechter Lagerung, gewöhnlich mit einem sanft welligen, losen Schwemmland bedeckt und aus diesem nur an den Rändern oder in einzelnen inselartigen Partien hervorragend oder unter dem Schwemmlande durch Flußläufe angeritzt. Die Beschaffenheit des Bodens, der das Schwemmland bildet, ist vor allem wichtig für die Kultur. Reiner Sand erschwert die Kultur, wie z. B. in der Mark, Niederlausitz; ähnlich wirkt Gerölle, Kies. Günstiger ist feinerer und unreiner Sand, sehr günstig Schlick, Mergel, Löß, auch der Lehm und, wenn er nicht zu fett ist, der Ton. dessen Nachteile durch künstliche Beihilfe, Drainierung, sehr vermindert werden können. Bei Dürre und beim Vorhandensein von Salz macht insbes. der Sand die Kultur unmöglich, wie in den großen Wüsten Afrikas, Asiens, Australiens. Ist der Boden minder ungünstig oder doch periodisch eine gewisse Wassermenge vorhanden, und erzeugt sich wenigstens vorübergehend eine nutzbare Vegetation, so bildet sich die Steppe und die auf ihr heimische Nomadenkultur.

Ausgedehnte Ebenen zeigen gleichmäßigere Witterungsverhältnisse als jede andre Festlandsform, da die Bestrahlung überall dieselbe ist und der nirgends gehinderte Wind lokale Unterschiede in der Erwärmung der Luftmassen sofort ausgleichen kann. Gerade in der E. können sich lang andauernde Wettertypen (Hitze- und Kälteperioden) besonders leicht ausbilden. Daher zeigt die E. im täglichen und jährlichen Verlauf starke Temperaturextreme, aber wegen der freien Luftbewegung gleichförmige Temperaturverteilung und Feuchtigkeitsverhältnisse (ausgedehnte Nebelschichten, gleichmäßige Wolkendecke); dieser Charakter tritt um so schroffer hervor, je mehr sich die E. der vegetationslosen, wasserarmen Wüste nähert. Die meisten Ebenen haben ihnen eigentümliche Stürme (Blizzard, Buran, Chamsin, Pampero etc.). – Änderungen des Klimas der E. werden verursacht durch die Lage zum Meer und zu Gebirgen. Ebenen östlich vom Meer erhalten meist viel, östlich von Gebirgen meist wenig Feuchtigkeit und Niederschläge. Herrschen Seewinde vor, so ist das Klima der E. maritim mit geringen Temperaturschwankungen, großer Bewölkung, vielen Niederschlägen. Gebirge veranlassen raschern Witterungswechsel, Berg- und Talwinde in ihrer Nähe reichlichen Regenfall. Gebirge im N. halten kalte, im S. warme Winde ab; Gebirge zwischen E. und Meer verhindern die feuchten Seewinde und bewirken in der E. weithin Trockenheit. Nach S. geöffnete Gebirgsebenen haben südlicheres Klima als nach N. geöffnete auf gleicher Breite.

Die Vegetation der E. wird durch Wärme und Feuchtigkeit bedingt. Überall, wo bei de Faktoren genügend vorhanden sind, gibt es auch Pflanzenwuchs, mitunter in üppiger Fülle, wo aber ein Faktor oder beide beschränkt sind, da ist es auch die Vegetation, wie in der Sahara und ihren Oasen. Auf ausgedehnten Ebenen fehlen Wälder wegen der Trockenheit der Luft, insbes. aber wegen der größern Windstärke. Nur dort, wo bereits Strauch- und Baumarten vorhanden sind, die dem Kampfe mit den heftig andrängenden trocknen Winden gewachsen sind, können sich unter ihrem Schutz auch andre Bäume ausbreiten. Ist aber der Wald einmal vorhanden, so schützt er sich selbst durch Abschwächung der Winde sowie durch Zurückhaltung der Bodenfeuchtigkeit. Im allgemeinen begünstigen Ebenen durch das Fehlen von Gegensätzen die Kulturentwickelung bei weitem nicht in dem Maße wie gegliederte Bodenformen. Die wichtigsten Kulturstätten finden sich nicht immer im Zentrum größerer Ebenen, sondern häufiger an der Küste oder am Gebirgsrande; daß aber auch jenes der Fall sein kann, beweisen manche unsrer Hauptstädte, wie Berlin, Paris, Moskau, Madrid, ferner die ältesten Städte Ostindiens u.a.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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