Dithmarschen

Dithmarschen

Dithmarschen (Ditmarsen, »deutsche Marschen«), eine der vier Landschaften des ehemaligen Herzogtums Holstein, zwischen Elbe, Nordsee, Eider und Gieselau, hat ein Areal von 1354 qkm (24,6 QM.) mit (1900) 86,041 Einw. Sie besteht etwa zur Hälfte aus fruchtbarem Marschland, das sich mehr zur Viehzucht als zum Ackerbau eignet, muß aber durch Deiche vor Überschwemmungen geschützt werden. Die ehemalige Teilung in das königliche Süder- und das herzogliche Norderdithmarschen hat sich in den gleichnamigen Kreisen der Provinz Schleswig-Holstein mit den Hauptorten Meldorf und Heide erhalten.

Die Bewohner von D. sind sächsischen Stammes und haben von der Geest aus in uralter Zeit nach und nach auch die Marsch besiedelt; vereinzelt haben sich in der Marsch auch Friesen neben den Sachsen niedergelassen. Nach der Einführung des Christentums zur Zeit Karls d. Gr. bildete das Land eine fränkische Grafschaft, die seit etwa 1060 vom Erzbistum Bremen abhängig wurde; um 1150 riß sie Heinrich der Löwe an sich, und nach dessen Sturz kam sie wieder an Bremen. Aber 1202 wurden die Dänen Herren Dithmarschens wie ganz Nordalbingiens. Den kirchlichen Mittelpunkt bildete Meldorf. Das Volk ward von Vögten regiert, die der Bischof aus den angesehensten Geschlechtern wählte; es war in eng verbundene, zu gegenseitigem Schutz verpflichtete Familien geteilt und bewahrte die allen Sitten und Freiheiten. Unter dänischer Herrschaft erhielt das Land eigne Grafen, gegen die sich die Dithmarschen auflehnten. In der Schlacht von Bornhövede sollen sie zu den Deutschen übergegangen sein und dadurch die Niederlage der Dänen entschieden haben (1227). Von jetzt ab bildeten sie wieder eine Art Republik mit altertümlichen Gebräuchen und Rechten unter dem Schutz des Stiftes Bremen, lagen aber von Zeit zu Zeit mit den Herzögen von Holstein in Fehde.

Seit der Umgestaltung der Verfassung 1447 bildete D. vier Gaue, Döfften genannt; die fünfte Döffte, den Süderstrand umfassend, nahm eine abgesonderte Stellung ein. Die Einteilung in Süder- und Norderdithmarschen entstand erst 1581. Jede Döffte bestand aus Kirchspielen mit Schlütern und Schwaren, d.h. Schließern und Geschwornen, die das Kirchenvermögen zu verwahren und für das Beste des Kirchspiels zu sorgen hatten. Von ihrem Kirchspielsgericht konnte an das ganze Kirchspiel, dann an die Achtundvierziger appelliert werden. Die Kirchspiele bestanden wieder aus mehreren Dörfern oder Bauerschaften, die ihre Angelegenheiten unter Ältesten in Versammlungen besorgten, zu denen jeder Mündige Zutritt hatte. Die oberste Landesbehörde und das höchste Gericht bildete das im Flecken Heide tagende Kollegium der Achtundvierziger, zu dem jede Döffte 12 Mitglieder auf Lebenszeit erwählte. Die Landesversammlung bestand aus den Achtundvierzigern, 4 Vögten, 60 Schließern, 300–400 Geschwornen aller Kirchspiele und des Magistrats der Flecken Meldorf, Lunden oder Heide. Die Versammlung wurde auf freiem Feld oder auf den Marktplätzen der Städte abgehalten. Das Landesrecht war 1447 von den Achtundvierzigern im »Landbuch« niedergelegt worden, wurde zuerst zwischen 1483 und 1489 mit einigen Zusätzen gedruckt und 1538 sowie 1563 verbessert. Als 1474 Kaiser Friedrich III. die Lande Holstein, Stormarn und D. zu einem Herzogtum erhob und den König Christian I. von Dänemark damit belehnte, protestierten die Dithmarschen beim Papst dagegen und erklärten, dem Erzbistum Bremen untertan zu sein. Nach Christians I. Tode (1481) erneuerte sein Sohn Johann 1488 seine Ansprüche und zog 1500 mit 20,000 Mann, darunter der aus deutschen Söldnern bestehenden sogen. großen Garde unter dem Junker Slenz (etwa 6000 Mann), gegen sie zu Felde. Die Dithmarschen zogen sich zurück, warfen bei Hemmingstedt eine Schanze auf, wählten einen ihrer Landesältesten, Wolf Isebrand, zum Führer, lockten das feindliche Heer in die Moräste und vernichteten es durch Öffnung der Schleusen. König Johann selbst rettete sich nur durch schnelle Flucht, die Danebrogsfahne ging ihm verloren, und im Frieden verzichtete er auf seine Eroberungspläne. 1524 versuchte Heinrich von Zütphen aus Bremen in D. Luthers Lehre zu verbre iten, wurde aber auf Betrieb der Mönche zu Heide verbrannt. Dennoch machte die Reformation Fortschritte, und schon 1532 wurde überall die Messe aufgehoben. 1548 ward Herzog Adolf von Holstein von Karl V. wie sein Vorfahr Christian I. belehnt und erklärte nach dem Regierungsantritt Friedrichs II. von Dänemark mit demselben gemeinschaftlich 18. Mai 1559 den Dithmarschen den Krieg, in dem die einzelnen Haufen der unter sich entzweiten Dithmarschen bald unterlagen. Die Besiegten behielten Freiheit der Person und des Eigentums, freie Gemeindeverfassung und ihr Landrecht sowie Wahl ihrer Beamten, und diese Selbstverwaltung blieb bis 1867 bestehen. Ihr Land wurde in drei Teite geteilt: den Süderteil nahm der König, den Vorderteil der Herzog Adolf und den Mittelteil Herzog Johann von Holstein in Besitz. Nach Johanns Tode 1581 bildete D. nur noch zwei Teile: Norder- u. Süderdithmarschen; 1773 fiel auch ersteres an den König von Dänemark. Von da an teilte das Land der Dithmarschen das Schicksal Holsteins. Vgl. Michelsen, Urkundenbuch zur Geschichte des Landes D. (Altona 1834); Derselbe, Sammlung altdithmarscher Rechtsquellen (das. 1342); Nitzsch, Das alte D. (Kiel 1862); Kolster, Geschichte Dithmarschens (nach Dahlmanns Vorlesungen, Leipz. 1873; bis 1559 reichend); Chalybäus, Geschichte Dithmarschens bis zur Eroberung des Landes 1559 (Kiel 1888); Nehlsen, Dithmarscher Geschichte (Hamb. 1895); Geerz, Historische Karte von D. etc. (Kiel 1886) sowie zahlreiche Aufsätze in der »Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte«.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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