Chamberlain [2]

Chamberlain [2]

Chamberlain (spr. tschēmbērlēn), 1) Sir Neville Bowles, brit. General, geb. 10. Jan. 1820 in Rio de Janeiro, gest. 18. Febr. 1902 in London, trat 1837 in die indische Armee, machte den ersten Krieg gegen Afghanistan, 1849 den Feldzug im Pandschab mit. Während des indischen Aufstandes fungierte C., zum Obersten befördert, als Generaladjutant der bengalischen Armee u. wurde beim Ausfall aus Dehli 18. Juli 1855 verwundet. Er zeichnete sich dann in den Kämpfen gegen die Bergstämme aus, ward 1872 Generalleutnant, 1875 Mitglied des Regierungsrats und Befehlshaber der Armee von Madras (bis 1881). 1878 wurde er zum General, 1900 zum Feldmarschall ernannt.

2) Joseph, engl. Staatsmann, geb. 8. Juli 1836 in Camberwell (Südlondon), war in seines Vaters Fabriken zu London u. Birmingham tätig, betrat aber 1874 nach dem Tode des Vaters die politische Laufbahn. In Birmingham gelangte er schon früh wegen seiner radikalen Gesinnungen und seiner Beredsamkeit zu Bedeutung; seit 1869 war er Mitglied des Stadtrats und 1874–46 Bürgermeister der Stadt. Er wirkte für Entstaatlichung der Kirche und gesetzliche Einführung des Schulzwanges und des Laienunterrichts sowohl schriftstellerisch in der »Fortnightly Review« als in der Schulbehörde seiner Vaterstadt als Präsident der Nationalen Erziehungsliga. Im Juni 1876 ward er ins Unterhaus gewählt und wurde hier bald einer der Führer der radikalen Partei. Im April 1880 wurde er als Präsident des Handelsamts in Gladstones Ministerium berufen. Hier vertrat er die am meisten nach links gehenden Anschauungen und verlangte insbes. die Aufhebung der Zwangsmaßregeln gegen Irland. Im Juni 1885 trat er mit Gladstone von seinem Amt zurück, übernahm zwar im Januar 1886 im neuen Ministerium Gladstone das Lokalverwaltungsamt, legte es aber schon im März nieder. Infolge der Homerulepläne Gladstones trennte er sich von diesem und wurde neben Lord Hartington (Herog von Devonshire) Führer der Partei der liberalen Unionisten, die das Ministerium Gladstone stürzten und die konservative Regierung Lord Salisburys unterstützten. Im Juni 1895 setzte er nach dem Sturz des Ministeriums Rosebery durch, daß die Führer der liberalen Unionisten sich entschlossen, was sie früher wiederholt abgelehnt hatten, mit den Konservativen zusammen eine neue Regierung zu bilden, und trat selbst als Kolonialminister in das dritte Kabinett Salisbury ein, in dem er den größten Einfluß gewann. Von Jamesons Einfall in das Gebiet der südafrikanischen Republik erklärte er, keine Kenntnis gehabt zu haben, suchte aber nachher die gefangenen Aufständischen möglichst zu schützen und leitete 1897 die Verhandlungen des zur Aufklärung über die Vorgeschichte des Einfalls niedergesetzten parlamentarischen Untersuchungsausschusses in auffälliger Weise. Seine Politik ging auf einen möglichst engen Zusammenschluß aller britischen Kolonien hinaus; diesem Zwecke dienten auch im Sommer 1897 und im Sommer 1902 die von ihm geleiteten Konferenzen der Premierminister der größern Kolonien, die sich zum 60jährigen Regierungsjubiläum der Königin Viktoria und zur Krönung des Königs Eduard in London eingefunden hatten. Wesentlich seine Politik war es auch, die im Herbst 1899 den Ausbruch des Burenkrieges hervorrief, in dessen Verlauf er die völlige Unterwerfung der bei den Burenrepubliken als das unabänderliche Programm der englischen Regierung aufstellte und seine Annahme durch das Ministerium erzwang. Die Art der von ihn geleiteten Kriegführung zog ihm den Haß von beinahe ganz Europa zu. Nach Beendigung des Krieges bereiste er im Anfang des Jahres 1903 die eroberten Burenländer. Chamberlains »Speeches« gab 1895 Lucy heraus; seine »Foreign and colonial speeches« erschienen in einer autorisierten Ausgabe 1897. Vgl. Filon, Jos. C. et le socialisme d'EtatRevue des Deux Mondes«, 1889), und die Biographien von Jeyes (Lond. 1896), Viallate (Par. 1899), Marris (Lond. 1900) und Ped der (das. 1902). – Sein Sohn John Austen C., geb. 1863, studierte in Cambridge, Paris u. Berlin, wurde 1892 Mitglied des Unterhauses, im Juni 1895 zum Lord der Admiralität und im November 1900 zum Finanzsekretär des Schatzamts ernannt.

3) Houston Stewart, Schriftsteller, geb. 9. Sept. 1855 in Portsmouth als Sohn des Admirals William Charles C., studierte, vorgebildet auf dem kaiserlichen Lyzeum zu Versailles, seit 1879 in Genf Naturwissenschaften, widmete sich daneben hier, und seit 1885 in Dresden lebend, kunsthistorischen, musikalischen und philosophischen Studien und siedelte 1899 nach Wien über. Er machte sich als begeisterter Anhänger Richard Wagners bekannt durch die gehaltvollen Bücher: »Das Drama Richard Wagners« (Leipz. 1892), die reichillustrierte Biographie »Richard Wagner« (Münch. 1896; franz. Übersetzung, das. 1900), »Die ersten 20 Jahre der Bayreuther Bühnenfestspiele« (Bayr. 1896). Ihnen folgte das geschichtsphilosophische Werk »Das neunzehnte Jahrhundert«, von dem bisher der 1. Band: »Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts« (Münch. 1899; 4. Aufl. 1903, 2 Bde.), erschienen ist, und »Parsifal-Märchen« (drei Dichtungen, das. 1900).


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