- Brüste
Brüste (Mammae), die beim Menschen, Affen, Fledermäusen an der weiblichen Brust liegenden Organe zur Absonderung der Milch, bestehen aus der Milchdrüse (s.d.) und der sie umgebenden Fettmasse. Die Vertiefung zwischen den Brüsten heißt Busen (sinus). In der Mitte jeder Brust befindet sich die Brustwarze (mammilla, papilla) mit dem flachern Warzenhof (areola mammae) u. der eigentlichen Brustwarze. In dem mehr oder weniger dunkel gefärbten Warzenhof münden Talgdrüsen in Gestalt kleiner Hervorragungen. Auf der Vorderfläche der eigentlichen Warze münden 12–20 Gänge der Drüse (Milchgänge, ductus lactiferi), von denen jeder zu einem Drüsenlappen gehört. Die an Blutgefäßen reiche Warze ist fähig, unter Zunahme ihres Umfanges straffer zu werden. Bei den Jungfrauen sind die B. halbkugelig, fest, elastisch, werden aber infolge reichlicher Milchabsonderung später schlaff und hängen alsdann herab, verlängern sich auch bei einzelnen Völkerschaften so sehr, daß sie über die Achsel hinübergeschlagen werden können. Uberzähliche B. sind bei Männern ebenso häufig wie bei Weibern und stehen fast immer unterhalb der beiden normalen, jedoch auch in der Achselhöhle, am Rücken oder Oberschenkel, sind auch mitunter erblich. In der Brust des Mannes sind die Drüsenlappen und Gänge rudimentär, Warze und Warzenhof dagegen deutlich ausgebildet. Übrigens stehen die B. zu den Fortpflanzungsorganen in naher Beziehung. Dies zeigt sich durch ihre Massenzunahme während der Schwangerschaft und die gegen Ende derselben eintretende sekretorische Tätigkeit. Ferner stellt sich während der Menstruation oft ein vermehrter Blutandrang nach den Brüsten ein; stärkere Reizung der Brustwarze kann eine wehenartige Tätigkeit der Gebärmutter hervorrufen, und nach der Geburt erregt das Saugen des Kindes energische Kontraktionen der entleerten Gebärmutter, so daß die Nachwehen dadurch lebhafter werden und die physiologische Rückbildung des Uterus begünstigt wird.
Die B. fordern sorgfältige Pflege und sind namentlich vor Erkältung durch Entblößung zu schützen. Zu geringe Bewegung des Körpers, besonders der Oberarme, macht sie schlaff und hängend. Eng anliegende Korsetts und Mieder behindern durch ihren Druck Brustdrüsen und Warzen im Wachstum, wodurch später dem Kinde das Saugen oft erschwert oder unmöglich gemacht wird. Die Pflege der Brustwarzen ist daher besonders in den letzten Monaten der Schwangerschaft angezeigt. Durch häufige Seifenwaschungen kann man das Auftreten von Borken verhüten, sind sie schon vorhanden, so werden sie mit Olivenöl aufgeweicht und können dann leicht entfernt werden. Zum Abhärten sehr empfindlicher und leicht verletzlicher Brustwarzen dienen Waschungen mit verdünntem Rum, Kölnischem Wasser. Zu kleine Warzen sollen täglich vorsichtig mit den Fingern etwas hervorgezogen werden.
Das Wundwerden der Brustwarzen im Wochenbett ist auf Verletzungen beim Saugen zurückzuführen. Wunde Warzen verursachen beim Anlegen des Kindes heftige Schmerzen und können dadurch das Allgemeinbefinden der Wöchnerin, auch das Stillgeschäft erheblich beeinträchtigen. Es ist daher wichtig, daß solche Schrunden möglichst bald abheilen; doch ist dies nicht immer leicht zu erreichen, da das Kind beim Trinken immer wieder an den wunden Stellen zerrt und sie von neuem aufreißt. Man kann versuchen, durch Umschläge mit 3proz. Borsäurelösung oder durch Pinselungen mit Glyzerin den Heilungsprozeß zu befördern. Tritt nicht bald Besserung ein, so läßt man zum Stillen Warzenhütchen aussetzen. Unter ihrem Schutze heilen die Schrunden meist schnell. Zuweilen kommt es aber zur Entzündung der B. (Mastitis), indem Entzündungserreger (Bakterien) durch eine wunde Stelle an der Warze in die Brustdrüse gelangen. Gewöhnlich in der zweiten bis dritten Woche des Wochenbettes treten unter lebhafter Fiebererscheinung Schwellung, Rötung und Druckempfindlichkeit an einem Abschnitte der Brust auf, der sich härter als seine Umgebung anfühlt. Jede Bewegung des Arms, besonders aber das Stillen an der kranken Brust verursacht heftige Schmerzen. Durch rechtzeitiges Ruhigstellen der Brust und Eisüberschläge gelingt es zuweilen, die Entzündung zum Schwinden zu bringen. In andern Fällen lassen die örtlichen Erscheinungen und das Fieber nicht nach, die Entzündung geht in Eiterung über, und es kommt zur Bildung von einem oder mehreren Abszessen. Wird der Eiterherd nicht bald eröffnet, so greift er immer weiter um sich und kann den größten Teil der Brustdrüse zerstören, ehe er nach außen durchbricht. Zuweilen ergießt sich der Eiter in einen Milchgang, und es bildet sich eine Fistel (Brustdrüsenfistel, Milchfistel), aus der sich Milch mit Eiter gemischt entleert. Es ist daher vor allem nötig, sobald es zur Abszeßbildung gekommen ist, dem Eiter möglichst bald durch einen Einschnitt genügenden Abfluß zu verschaffen und weiterhin für gute Drainage zu sorgen. Unter dieser Behandlung heilt die Abszeßhöhle allmählich aus. Da bei jeder Entzündung der Brustdrüse der Krankheitsverlauf durch sachverständige Hilfe wesentlich beeinflußt und abgekürzt werden kann, sollte man niemals versäumen, bei dieser Erkrankung rechtzeitig ärztlichen Rat in Anspruch zu nehmen.
Häufig sind die B. der Sitz von Geschwülsten. Von gutartigen entsteht das Adenom durch Vermehrung der Drüsensubstanz, das Fibrom durch Bindegewebswucherung. Sie kommen schon bei jugendlichen Individuen vor, bilden meist harte, höckerige, verschiebbare, nicht mit der Haut verwachsene Knoten, führen niemals zur Infektion der Lymphdrüsen in der Achselhöhle und sind dem Körper nicht gefährlich. Sie können auf operativem Wege leicht entfernt werden. Die häufigste von allen Brustdrüsengeschwülsten ist der Brustkrebs. Er kommt besonders bei Frauen jenseit des 40. Lebensjahres vor, sehr selten bei Männern, und entsteht als ein harter, schwer verschiebbarer, mehr oder weniger schmerzhafter Knoten in der Brust, der allmählich größer wird, mit der äußern Haut verwächst und sich schließlich durch Gewebszerfall in ein immer weiter greifendes, stark jauchendes Geschwür verwandelt. Dazu gesellen sich stets Schwellungen der Lymphdrüsen in der Achselhöhle, die auf eine Verbreitung des Krebses hinweisen. Sich selbst überlassen, führt der Brustkrebs durch Entkräftung, eintretende Blutungen, Rippenfellentzündung, Übergreifen auf andre Organe etc. in 2–3 Jahren stets zum Tode. Die einzig rationelle Behandlung besteht in der operativen Entfernung der Geschwulst. Je früher und je gründlicher operiert wird, um so größer ist die Aussicht auf dauernde Heilung. Leider begeben sich die Frauen meist zu spät in ärztliche Behandlung, so daß es nicht mehr gelingt, bei der Operation alles Krankhafte zu entfernen. Dann treten nach einiger Zeit in der Narbe neue Krebsknoten auf, an denen die Kranken schließlich zu Grunde gehen. Vgl. Billroth, Die Krankheiten der Brustdrüsen (Stuttg. 1880).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.