- Boston [2]
Boston (spr. bost'n), 1) Stadt (municipal borough) in der engl. Grafschaft Holland (Lincolnshire), 8 km oberhalb der Mündung des Witham in das Wash, mit vielen Kirchen, darunter die von St. Botolph mit 86 m hohem Turm, ein gotischer Prachtbau aus dem 14. Jahrh., und (1901) 15,667 Einw. Die Industrie liefert landwirtschaftliche Geräte, Segeltuch, Tauwerk, Gußwaren etc. Schiffe von 400 Ton. gelangen mit der Flut bis zur Stadt; seit der Anlage eines neuen Docks und der Vertiefung des Fahrwassers haben sich Handel und Schiffahrt gehoben. Wichtig ist die Fischerei. B. ist Sitz eines deutschen Konsularagenten. Schon die Römer hatten hier ein Castrum, und im Mittelalter war B. ein besuchter Handelsplatz, in dem die Hansa einen Kaufhof besaß.
2) Hauptstadt des nordamerikan. Staats Massachusetts und der Grafschaft Suffolk, 42°21' nördl. Br. und 71°4' westl. L., eine der ältesten Städte der Union und die vierte (nach New York, Chicago und Philadelphia) in Bezug auf Reichtum und Handel, liegt an der Mündung des Charles River in die Massachusettsbai des Atlantischen Ozeans. Das eigentliche B. nimmt eine 5 km lange und 1,6 km breite Halbinsel ein, die ursprünglich nur durch eine schmale Landenge (Boston Neck), durch Auffüllung jetzt aber in breiterer Verbindung mit dem Festlande steht (s. Plan).
Im SW. liegt die Vorstadt Highland (früher Roxbury), im S. Dorchester und Südboston, jenseit der Südbai, über die zwei Brücken führen, Charlestown im N. des Charles River, mit B. durch 456 und 396 m lange Brücken, außer mehreren Eisenbahnbrücken, verbunden, und Ostboston auf Noddles Island. Auch Cambridge (s.d. 2), Somerville und Chelsea (s.d. 2) hängen mit B. zusammen und dürften bald in ihm aufgehen. Ein großer Teil des Baugrundes, allein im ältern B. 1200 Hektar, ist durch Anschüttungen im Hafen und an den Flußufern gewonnen worden. Auf der Halbinsel erheben sich drei Hügel (daher der alte Name Tremont), von denen Beacon Hill 45 m hoch ist. Im S. liegen die malerischen Dorchester Heights (40 m) und in Highland Parker Hill (70 m). In Altboston sind die Straßen eng und krumm, in den neuern Stadtteilen breit und gerade. Hauptstraßen sind Washington- und Tremont-Street, Commonwealth-, Columbus- und Shawmutt-Avenue, der natürliche Zentralpunkt Haymarket Square. Im eigentlichen Herzen der Stadt liegen der reizende Park »Common« und die öffentlichen Gärten, zusammen 28 Hektar, mit einem Kriegerdenkmal und einer Statue Washingtons. Mit Wasser wird die Stadt aus dem 30 km entfernten Cochituatesee versehen. Die bei Brokline liegenden Reservoirs fassen 4200 Mill. Lit. Der 190 qkm große, selten durch Eis gesperrte Hafen gehört zu den besten Amerikas, Schiffe jeglicher Größe können bis zu den mit stattlichen Speichern besetzten Kais gelangen. Gegen 50 Inseln in ihm gewähren einen malerischen Anblick, engen aber das Fahrwasser sehr ein. Auf Castle Island liegt Fort Independence, auf Governors Island (Geburtsort Benjamin Franklins) Fort Winthrop, auf George Island Fort Warren. Unter den 200 Kirchen der Stadt ist die protestantisch-bischöfliche Christuskirche (1722 erbaut) die älteste, die neue katholische Kathedrale, mit 97,5 m hohem Turm, die schönste. Unter den öffentlichen, meist aus Granit aufgeführten Gebäuden ragen hervor: das Staatshaus (State House), 1798 vollendet, mit vergoldeter Kuppel, unter der Washingtons Bildsäule steht; die City Hall, mit einer Statue Franklins davor; Postamt, Zollamt, Gerichtshof, Grafschaftsgefängnis, Börse, die Gebäude der Freimaurer und der Oddfellows, die große Markthalle, Massachusetts- und Stadthospital, Kunst- und Naturgeschichtsmuseum. Historisch merkwürdig sind die 1742 erbaute Faneuil Hall, die »Wiege der Freiheit«, in deren Saal der Gedanke an die völlige Loßreißung der Vereinigten Staaten von England sich zuerst Bahn brach, und das alte Staatshaus. In Charlestown befinden sich ein Seearsenal mit 112 m langem Trockendock und der bedeutendsten Seilerei in Amerika sowie ein 72 m hoher Obelisk zur Erinnerung an die Schlacht von Bunker Hill, mit Rundsicht über den Hafen.
Die Bevölkerung betrug 1790: 18,038, 1850: 136,881, 1890: 448,477 und 1900: 560,892 (darunter 197,129 im Auslande Geborne). Die Einwanderung zur See betrug 1900: 17,777 Personen (6690 aus Irland, 3754 aus England und Schottland, 5061 aus Schweden und Norwegen, 73 aus Deutschland). Die Industrie hat ihre Tätigkeit innerhalb der letzten 20 Jahre nahezu verdoppelt. Es bestanden 1900: 7247 gewerbliche Anstalten mit 72,142 Arbeitern, die Waren im Wert von 206,081,767 Doll. herstellten, darunter 889 Herrenkleiderwerkstätten mit 5997 Arbeitern (Produktionswert 14,884,507 Doll.), 197 Gießereien und Maschinenfabriken mit 4680 Arbeitern (9,371,928 Doll.), 418 Druckereien mit 5551 Arbeitern (19,081,495 Doll.), 50 Möbelfabriken mit 1032 Arbeitern (2,849,734 Doll.), 3 große Zuckerraffinerien mit 483 Arbeitern (15,746,547 Doll.), ferner Fabriken für Teigwaren, Gummiwaren, Pianofortes, Leder, Brauereien, Großschlächterei und Fleischverpackung, Teppichfabriken. Wichtig ist auch die Fischerei (Makrelen, Stockfisch und Hering). Die Einfuhr (Wolle und Wollenwaren, Flachs und Flachswaren, Zucker, Eisen- und Stahlwaren, Chemikalien, Häute und Felle, Leder) betrug 1901: 61,452,370 Doll., die Ausfuhr (Fleisch und Provisionen, Vieh, Brotstoffe, Baumwollenwaren, Leder und Lederwaren) 143,708,232 Doll. Der Hochseeschiffsverkehr bezifferte sich 1900 auf 3285 Fahrzeuge mit 4,242,441 Ton. Regelmäßige Dampferlinien verbinden B. mit Liverpool, Antwerpen, New York und andern Häfen Amerikas, 15 Eisenbahnlinien mit allen Teilen der Union. Konsulate gibt es 18, darunter ein deutsches und ein österreichisch-ungarisches Berufskonsulat. An Wohltätigkeitsanstalten bestehen neben drei größern Krankenhäusern eine Blindenschule (Perkin's Institution), eine Taubstummenanstalt, eine Anstalt für Blödsinnige, ein Irrenhaus und eine Besserungsanstalt für jugendliche Verbrecher, letztere beide auf Deer Island. Das städtische Schulwesen ist vorzüglich; 1900 wurden die öffentlichen Schulen (mit 1500 Lehrern) von 72,104 Kindern (wovon etwa 1,5 Proz. farbige) besucht. Die nahe Harvard University in Cambridge (s.d. 2) ist die bedeutendste Bildungsstätte der Union. In B. selbst besteht die methodistische Boston-Universität (1869 von J. Rice mit 2 Mill. Doll. gegründet) für Rechtspflege, Theologie und Musik, eine medizinische Schule für Frauen (New England Medical College), das seit 1863 von Jesuiten geleitete Boston College und das 1861 gegründete Polytechnikum (Institute of Technology). Das Lowell Institut zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse (besonders durch Vorträge) wurde 1836 von J. Lowell gestiftet. Unter den Bibliotheken ist die Stadtbibliothek (Public Library, s. Tafel »Bibliothekgebäude I«, Fig. 1) mit 700,000 Bänden die zweitgrößte der Union. Wichtige Vereine sind die 1780 gegründete Akademie der Künste und Wissenschaften (mit Kunstschule), das Athenäum (mit großer Bibliothek), der Naturgeschichtliche Verein (mit Museum und Bibliothek), der Verein für die Geschichte Neuenglands, der Kunstverein und die Gartenbaugesellschaft (mit großer Ausstellungshalle). Außer zehn großen Theatern besitzt die Stadt eine Musikhalle mit gewaltiger Orgel. Die Finanzlage von B. ist sehr günstig, das steuerpflichtige Eigentum betrug 1900: 1,152,309,299, die Stadtschuld 46,371,537 Doll., die Verwaltung der Stadt leiten ein jährlich gewählter Mayor, 12 Aldermen und 64 Stadtverordnete.
B. wurde 1630, als sich John Winthrop mit seinen Genossen hier niederließ, gegründet und zuerst nach drei kleinen Erhebungen Tremont oder Trimountain benannt, erhielt aber später zu Ehren eines aus B. in England eingewanderten Geistlichen seine jetzige Bezeichnung. Hier kam die amerikanische Revolution zum Ausbruch. Schon 5. März 1770 stießen Bürger und Soldaten zusammen (Boston Massacre), dann ereignete sich 1773 der bekannte »Bostoner Teesturm« (tea-riot). Am 17. Juni 1775 ward die Schlacht von Bunker Hill geschlagen, zu deren Gedächtnis man in der Vorstadt Charlestown ein Monument, gleichsam als Wahrzeichen von B., errichtete. Endlich im März 1776 wurden die britischen Truppen durch die auf den Höhen von Dorchester aufgestellten Batterien gezwungen, B. zu verlassen, und die Amerikaner besetzten die Stadt. Am 2. Juni 1813 war hier vor dem Hafen ein Seegefecht, worin die Briten eine Unionsfregatte eroberten. Auch in der Antisklavereibewegung standen Bostoner Bürger immer voran. 1869 wurde in B. (15.–19. Juni) das »Friedensjubiläum« gefeiert, und Ende 1882 fand dort eine größere internationale Industrieausstellung statt. Vgl. Shurtleff, Description of B. (2. Aufl., Boston 1875); Winsor, Memorial history of B. (das. 1880 bis 1882, 4 Bde.); Lodge, B. (in der »Historic towns series«, das. 1891).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.