Vischer [2]

Vischer [2]

Vischer, 1) Friedrich Theodor (von), Ästhetiker und Dichter, geb. 30. Juni 1807 in Ludwigsburg, gest. 14. Sept. 1887 in Gmunden am Traunsee, ward, im Stift zu Tübingen zum Theologen gebildet, 1830 Pfarrvikar in Horrheim bei Vaihingen, 1833 Repetent in Tübingen, habilitierte sich 1836 daselbst und wurde 1837 zum außerordentlichen, 1844 zum ordentlichen Professor für Ästhetik und deutsche Literaturgeschichte ernannt, aber infolge seiner freimütigen Antrittsvorlesung (Tübing. 1844) sofort auf zwei Jahre suspendiert. 1848 in das Frankfurter Parlament gewählt, hielt er sich daselbst zur Linken, ging mit dem Reste desselben auch nach Stuttgart und folgte 1855 einem Ruf an das Polytechnikum in Zürich, gegen Ende 1866 einem gleichen an das Polytechnikum in Stuttgart, wo er bis 1877 wirkte. V. gehört (neben seinen Freunden und Geistesverwandten Strauß, Schwegler, Zeller u. a.) zu den durch Geist und Gelehrsamkeit hervorragendsten Vertretern der Hegelschen Schule, in deren Sinn er seine Fachwissenschaft, die Ästhetik, als Gehalts-, im Gegensatz zu der innerhalb der Herbartschen Schule durchgeführten Formästhetik bearbeitete. Außer dem Hauptwerk: »Ästhetik, oder Wissenschaft des Schönen« (Stuttg. 1847–58, 3 Bde.; der musikalische Teil bearbeitet von K. Köstlin), erschienen von ihm: »Über das Erhabene und Komische« (das. 1837); »Kritische Gänge« (Tübing. 1841, 2 Bde.; neue Folge, Stuttg. 1860–75, 6 Hefte), eine Sammlung kleinerer, meist kritischer Abhandlungen (das 5. und 6. Heft enthält die Selbstkritik seiner »Ästhetik«); »Goethes Faust. Neue Beiträge zur Kritik des Gedichts« (das. 1875); der geistvolle, aber formlose Bekenntnisroman »Auch Einer; eine Reisebekanntschaft« (das. 1878, 39. Aufl. 1908); »Mode und Zynismus« (das. 1878, 3. Aufl. 1888); »Altes und Neues« (das. 1881–82,3 Hefte; Heft 3 enthält Vischers Autobiographie; neue Folge 1889); »Lyrische Gänge« (das. 1882, 3. Aufl. 1900) und »Allotria« (das. 1892). Unter dem Pseudonym Deutobold Symbolizetti Allegoriowitsch Mystifizinsky schrieb er: »Faust. Der Tragödie dritter Teil« (Stuttg. 1862, 6. Aufl. 1907), eine Satire auf den zweiten Teil des Goetheschen »Faust«; unter dem Namen Philipp Ulrich Schartenmeyer das barock-humoristische Heldengedicht »Der deutsche Krieg 1870–71« (6. Aufl., Münch. 1904), und anonym die beißenden »Epigramme aus Baden-Baden« (Stuttg. 1867). Aus seinem Nachlaß erschienen, von seinem Sohn Robert (s. Vischer 3) herausgegeben: »Vorträge«, erste Reihe: »Das Schöne und die Kunst« (3. Aufl., Stuttg. 1907), zweite Reihe: »Shakespeare-Vorträge« (das. 1898–1905, 6 Bde.; Bd. 1 und 2 in 2. Aufl. 1905 und 1907), sowie »Briefe aus Italien« (Münch. 1907). Vgl. Keindl, Fr. Th. V., Erinnerungsblätter (Prag 1888, 3. Aufl. 1907); v. Günth ert, Fr. Th. V., ein Charakterbild (Stuttg. 1888); Ilse Frapan, Vischer-Erinnerungen (das. 1889); den biographischen Aufsatz von W. Lang im 6. Heft des Sammelwerks »Von und aus Schwaben« (das. 1890); Th. Ziegler, Fr. Th. V., Vortrag (das. 1893); Oswald, Fr. Th. V. als Dichter (Hamb. 1896).

2) Wilhelm, schweizer. Historiker, geb. 4. Aug. 1833 in Basel, gest. 30. März 1886, Sohn des gleichnamigen Baseler Philologen (1808–74), wurde 1856 Dozent der Geschichte in Basel, 1862 in Göttingen, 1866 Oberbibliothekar und außerordentlicher, 1874 ordentlicher Professor der Geschichte in Basel. Seit 1874 Mitglied des Großen Rates und Kirchenrats, beteiligte er sich als Präsident des Eidgenössischen Vereins lebhaft an der Politik seines engern und weitern Vaterlandes in konservativem Sinn. Seine bedeutendsten Schriften sind: »Geschichte des Schwäbischen Städtebundes der Jahre 1376–1389« (»Forschungen zur deutschen Geschichte«, Bd. 2 u. 3, Götting. 1862); »Die Sage von der Befreiung der Waldstätte nach ihrer allmählichen Ausbildung untersucht« (Leipz. 1867); »Basler Chroniken« (Bd. 1–3, das. 1872–87; fortgesetzt von Bernoulli); »Erasmiana« (das. 1876).

3) Robert, Kunsthistoriker, Sohn von V. 1), geb. 22. Febr. 1847 in Tübingen, studierte in Zürich, Tübingen, Heidelberg, Bonn und München, war 1874 bis 1878 Skriptor der Bibliothek der Wiener Kunstakademie, habilitierte sich 1879 in München, wurde 1882 außerordentlicher Professor der neuen Kunstgeschichte an der Universität in Breslau, 1885 Ordinarius an der Technischen Hochschule zu Aachen und 1893 an die Universität Göttingen berufen. Er schrieb: »Über das optische Formgefühl« (Stuttg. 1873); »Luca Signorelli und die italienische Renaissance« (Leipz. 1879); »Studien zur Kunstgeschichte« (Stuttg. 1886); »Peter Paul Rubens, ein Büchlein für unzünftige Kunstfreunde« (Berl. 1904).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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