Viehversicherung

Viehversicherung

Viehversicherung (Viehlebensversicherung), Versicherung des Schadens, der dem Eigentümer von Haustieren (meist nur Pferde, Esel, Maultiere, Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine) aus deren durch Verunglückung oder Tierkrankheiten herbeigeführtem Tod erwachsen kann. Die V. wurde von alters her in Deutschland wie in andern Ländern durch kleine Gegenseitigkeitsvereine von Viehbesitzern (zum Teil nur für bestimmte Gattungen von Vieh, z. B. die Kuhkassen, Kuhladen, Kuhgilden) betrieben, doch haben sich in neuester Zeit auch in Deutschland große Versicherungsgesellschaften auf Gegenseitigkeit für die V. gebildet. Von den großen Anstalten seien erwähnt: die Viehversicherungsbank für Deutschland, der Zentralviehversicherungsverein und die Veritas in Berlin, die Nationalviehversicherungsgesellschaft in Kassel, die Sächsische Viehversicherungsgesellschaft und die Vaterländische Viehversicherungsbank in Dresden, die Rheinische Viehversicherungsgesellschaft in Köln, die Badische in Karlsruhe, die Braunschweiger, die Hannoversche in Ülzen, die Stuttgarter, von denen die Berliner Viehversicherungsbank die älteste ist (gegründet 1861). Ende 1904 betrug die Versicherungssumme in der Viehlebensversicherung bei 25 Viehversicherungsgesellschaften ca. 206 Mill. Mk., wovon weitaus am meisten auf die Sächsische Viehversicherungsgesellschaft in Dresden entfallen. Versichert waren 224,935 Pferde (Maultiere, Esel), 131,325 Stück Rindvieh, 2036 Schafe und Ziegen, 161,679 Schweine; die Prämien betrugen 8,47, die Schadenzahlungen 5,69 Mill. Mk. An kleinern lokalen Vereinen bestehen in Preußen ca. 5000, bei denen 11/2 Mill. Tiere mit rund 200 Mill. Mk. versichert sind. In Bayern wurde, wie schon 1890 in Baden, 1896 eine staatliche Viehversicherungsanstalt auf Gegenseitigkeit errichtet, die sich mit der Versicherung gegen Verluste befaßt, die durch Umstehen oder Notschlachten von Rindvieh und Ziegen oder dadurch entstehen, daß das Fleisch eines geschlachteten Rindviehstückes wegen eines gesetzlichen Gewährfehlers für ungenießbar erklärt wird, also eine Verbindung der Viehlebens- mit der noch zu erwähnen den Schlachtviehversicherung. Die Anstalt wird durch die in einem Landesverband vereinigten freiwilligen Ortsviehversicherungsvereine gebildet. Die Zahl der letztern betrug 1904/05: 1553 mit 78,142 Mitgliedern und einem Versicherungskapital von 74,79 Mill. Mk. Daneben besteht in Bayern noch eine gesonderte staatliche Pferdeversicherungsanstalt (Gesetz vom 15. April 1900). Die verhältnismäßig geringe Ausbildung des Viehversicherungswesens (in Preußen sind z. B. nur 9–10 Proz. des Viehstandes versichert) beruht in der besondern Schwierigkeit desselben, namentlich der Notwendigkeit genauester Kontrolle gegen Betrugsversuche, ferner der Tatsache, daß der Tod der Haustiere leicht durch mangelhafte Pflege, Leichtfertigkeit, aber auch willkürlich und doch so, daß die Absicht schwer zu entdecken ist, bewirkt werden kann. Aus den Versicherungsbedingungen sei erwähnt, daß Gesundheitszustand und Wert der zur Versicherung beantragten Tiere durch den Tierarzt oder Sachverständige geprüft und bestätigt werden, der Antrag die genaue Bezeichnung des einzelnen Stückes enthalten, Wechsel und Vermehrung im Viehstand sofort angezeigt, beim Absterben eines versicherten Stückes ein tierärztlicher Krankheitsbericht eingesendet werden muß u. dgl. Der aus dem Verkauf der Überreste gefallener Tiere erzielte Erlös kommt dem Versicherer zugute. Aus geschlossen von der privaten V. ist in der Regel die Versicherung gegen diejenigen Schäden, die durch Krieg, Aufruhr, Erdbeben, sowie diejenigen, die durch polizeiliche Tötung seuchenverdächtiger Tiere entstehen. In letzter Beziehung ist durch Reichsgesetz vom 23. Juni 1883 den Einzelstaaten überlassen, Bestimmungen darüber zu treffen, von wem die Entschädigung zu gewähren und wie sie im einzelnen Fall auszumitteln und festzustellen ist. In Preußen wird die zu leistende Entschädigung durch jährliche Beiträge der Viehbesitzer aufgebracht, so daß also hier hinsichtlich der Seuchengefahr eine Zwangsversicherung auf Gegenseitigkeit als Staatsinstitut besteht. Bereits erkrankte oder mit die Nutzung beeinträchtigenden Gebrechen behaftete Tiere sind gleichfalls von der V. ausgeschlossen. Die meisten Viehversicherungsanstalten oder Vereine haften nur für bestimmte Maximalbeträge für jedes Stück jeder Viehgattung; die meisten übernehmen auch innerhalb dieser Grenze nur die Haftung für einen Teil (2/3-1/3) der Wertsumme. Teils als Nebengeschäft der V., teils als besonderer Geschäftszweig erscheint die Schlachtviehversicherung, d. h. die Versicherung, die Entschädigung für den Fall gewährt, daß Fleisch von Schlachttieren für ungenießbar oder minderwertig erklärt wird. Eine besondere Art ist die Finnen- und die Trichinenversicherung (s. d.). Bemerkenswert ist die im Königreich Sachsen durch Gesetz vom 2. Juni 1898 begründete staatliche Schlachtviehversicherungsanstalt. Jeder Viehbesitzer hat vor der Schlachtung einen Beitrag zu entrichten, wodurch er im Schadenfalle den Anspruch auf 80 Proz. Entschädigung des Verlustes erwirkt. Der Staat trägt die Kosten der Verwaltung und gewährt einen Zuschuß von 25 Proz. zu den von der Anstalt zu tragenden Entschädigungen. Bei der bayrischen Anstalt und den privaten Unternehmungen, welche die Schlachtviehversicherung nebenher betreiben, werden für diese Zusatzprämien erhoben. Vgl. Hülsemann, Die V. (Berl. 1899); Emminghaus im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften«, 2. Aufl., Bd. 7 (Jena 1901); Biermann, Die deutsche V. und ihre Reform (Berl. 1901); Ehrlich, Die V. im Deutschen Reiche und ihre geschichtliche Entwickelung (Leipz. 1901); Kopp, Die Schlachtviehversicherung (Metz 1902).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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