Bergbahnen

Bergbahnen

Bergbahnen (Steilbahnen, hierzu Tafel »Bergbahnen I-IV« mit Text), Eisenbahnen mit außergewöhnlich steilen Neigungen zur Ersteigung großer Höhen auf kürzestem Wege, deshalb mit besondern Betriebssystemen, namentlich Zahnrad- oder Seilbetrieb zu folgenden Zwecken: a) vorwiegend Personenverkehr zu Aussichts- oder Aufenthaltspunkten; meist nur während des Sommers im Betrieb; b) vorwiegend Güterverkehr für Grubenwerke, Steinbruchanlagen etc.; meist mit regelmäßigem Betrieb; mitunter mit gemischtem Betrieb, d. h. teils Reibungsteils Zahnstrecken, beide von derselben Lokomotive befahren (Örtelsche Schieferbrüche bei Lehesten in Thüringen), während sonst der gemischte Betrieb mehr für längere, zu den Gebirgsbahnen (s. d.) zu rechnenden Strecken in Betracht kommt.

Eine Bergbahn ohne besonderes Betriebssystem, wie sie nach Ausbildung der Zahnradbahnen (s. unten) kaum noch gebaut werden dürfte, ist die Bahn zum Ütliberg bei Zürich (1875 eröffnet) mit 399 m Hebung und 70 auf Tausend größter Neigung, während Bahnen mit 50 auf Tausend in der Schweiz auch für regelmäßigen Betrieb nicht selten sind. Bei steilern Neigungen ist die einfache Reibung (Adhäsion) zwischen Treibrad und Schiene nicht mehr hinreichend leistungsfähig für die Berg- und sicher für die Talfahrt. Alsdann werden besondere Hilfsmittel angewendet, nämlich: a) vermehrte Reibung durch Zuhilfenahme von wagerechten Klemmrädern an einer Mittelschiene (System Fell), nur in vereinzelten Fällen ausgeführt (provisorische Mont Cenisbahn, einige Bahnen in Neuseeland und Brasilien), jetzt aber kaum noch von Belang. b) Zahnrad und Zahnstange, zuerst 1867 zum Mount Washington bei Philadelphia (1590 m, mit Steigungen von 333 auf Tausend) und durch Riggenbach 1870 bei den Rigibahnen angewendet, verbessert später durch Roman Abts mehrteilige Zahnstange und durch die von ihm zuerst bei Blankenburg-Tanne im Harz 1884 eingeführte Verbindung eines unabhängigen Zahntriebwerkes mit dem gewöhnlichen Reibungstriebwerk in Gestalt einer Vierzylinder-Lokomotive auch für größern Lastverkehr zu hoher Bedeutung gebracht (gemischter Betrieb; s. Gebirgsbahnen), indem damit die völlige Ausnutzung der Reibungs- (Adhäsions-) Zugkraft neben derjenigen der Zahntriebräder ermöglicht ist. Näheres s. Text zu den Tafeln. c) Seilbetrieb, hat in neuerer Zeit besondere Bedeutung gewonnen, seitdem nach dem Vorgang der Gießbachbahn (Tafel II, Fig. 3) 1879 durch Hinzufügung einer Zahnstange mit entsprechenden Zahnrädern an den Fahrzeugen eine verhältnismäßig sichere Bremsung ermöglicht ist und somit die Anwendung von Steigungen bis 600 auf Tausend zulässig erscheint.

Fig. 1. Mittelstation am Monte San Salvatore.
Fig. 1. Mittelstation am Monte San Salvatore.

Solche Seilbahnen mit Zahnradbremse sind seit Ende der 1870er Jahre in großer Zahl erbaut, sowohl zur Ersteigung größerer Berghöhen als zur Verbindung verschieden hoch gelegener Stadtteile. Dabei ist seit dem Bau der Bahn zum Stanserhorn (Schweiz, 1893) an Stelle der Zahnradbremse auch eine Zangenbremse mit Erfolg angewendet, die den nach unten schlank verjüngten Kopf der Fahrschienen umfaßt und durch Anpressen eine kräftige Bremswirkung erzeugt, aber auch das ganze Fahrzeug fest auf die Schienen niederzieht und zugleich die besondere Bremszahnstange erspart.

1) Direkter Seilbetrieb. Die Schwerkraft des bergab gehenden Wagens und Seilendes wird in der Regel zum Ausziehen des steigenden mit verwendet, indem das gemeinsame, an beiden Enden belastete Seil oben über eine Seilscheibe geleitet ist, die zwei Wagen sich also stets in der Mitte der Strecke begegnen. Zu diesem Zweck muß, wenn die Bahn nicht, wie unter anderm bei Luzern-Gütsch und Territet-Glion (Tafel II u. III, Fig. 2 u. 4), durchweg zweigleisig sein soll, in der Mitte der Länge eine Ausweichung vorhanden sein, auf der die Wagen selbsttätig einander ausbiegen; oder es gehen beide Wagen nur bis zur Mitte der Strecke auf etwas gegeneinander versetzten, daselbst endigenden Gleisen, u. an dieser Mittelstation wechseln alle Reisende den Wagen (Textfig. l). Bei der erstbezeichneten ältern Anordnung sind häufig drei Schienen angeordnet, wovon die mittlere beiden Gleisen gemeinsam ist und sich nur an der Ausweichstelle gabelt (Textfig. 2). Später hat man die durchlaufende Mittelschiene erspart (Textfig. 3, Ausweichung nach R. Abt). Als Triebkraft dient entweder die Schwerkraft allein, wenn die Nutzlast, wie z. B. oft bei Steinbrüchen, nur bergab geht, oder wenn reichlicher Ballast (Wasser) zur Verfügung steht, um die Nutzlast bergan zu ziehen; oder es wird, meist unter Mitbenutzung der Schwerkraft, eine feste Triebmaschine an irgend einer Stelle so angebracht, daß das Treibseil von da aus in beiden Richtungen bewegt wird, indem es eine oder mehrere große Treib scheiben des Motors umschlingt und dann an beiden Enden mit Seilscheiben versehen ist. Jedenfalls muß mit der obern Seilscheibe eine Bremsvorrichtung verbunden sein. Die Zahnradbremsen der Wagen sollen bei Vorhandensein eines festen Motors nur im Notfall benutzt werden, treten aber bei etwaigem Reißen des Seiles sofort selbsttätig in Wirksamkeit.

Fig. 2. Ausweichung bei gemeinsamer Mittelschiene.
Fig. 2. Ausweichung bei gemeinsamer Mittelschiene.
Fig. 3. Ausweichung bei eingleisiger Bahn.
Fig. 3. Ausweichung bei eingleisiger Bahn.

Als Kraftquelle für die Triebmaschine kommen Wasserkraft, Dampf, auch Gaskraft in Frage; zur Übertragung der Kraft von ihrer Quelle bis zur Triebmaschine wird bei größerer Entfernung namentlich Elektrizität verwendet.

Die in Nordamerika für Straßenverkehr ausgebildeten Kabelbahnen besitzen ein stetig umlaufendes Seil ohne Ende, das in einem Hohlraum unter dem Pflaster liegt und von dem Wagen aus jederzeit mittels Greiser erfaßt oder losgelassen werden kann, so daß jeder Wagen unabhängig von der entfernten Triebmaschine ist. Dieses System hat bei B. bisher kaum Anwendung gefunden, da es auf die regelmäßige Mitwirkung der Schwerkraft verzichtet, auch bei steiler Neigung kaum die nötige Sicherheit bieten würde.

2) Indirekter Seilbetrieb, bei dem das Treibseil nicht unmittelbar den Wagen fortzieht, sondern im obern Wagen des Zuges eine sekundäre Maschine in Bewegung setzt, deren Arbeit sodann je nach Bedarf zu dessen Vor- und Rückwärtsbewegung verwertet werden kann. Dieser Motorwogen, dessen Seilscheiben von dem stetig und rasch umlaufenden Treibfeil (ohne Ende) in Drehbewegung versetzt werden, ist zugleich mit Bremsvorrichtungen versehen und enthält eine Übersetzung der Bewegung ins Langsame, so daß das Treibfeil eine geringere Kraft zu leisten braucht, als. die unmittelbare Fortbewegung des Zuges verlangen würde, mithin die tote Last des Seiles erheblich ermäßigt werden kann. Dieses System wurde von Agudio 1863 für die Steilrampen größerer Gebirgsbahnen aufgestellt. Dabei sollte die Fortbewegung des Motorwagens auf großer Steigung mit Hilfe eines ruhenden Schleppseiles derart geschehen, daß die verfügbare und verlangsamte Drehbewegung auf zwei von dem Schleppseil umschlungene Rollen übertragbar gemacht wurde, während auf weniger steilen Strecken auch die einfache Adhäsion genügen könnte, wobei immerhin an Lokomotivgewicht erheblich gespart würde. Das System hat sich bereits in den 1870er Jahren auf einer Versuchsstrecke von 2,3 km Länge am Mont Cenis bei Lang-le-Bourg als leistungsfähig erwiesen, namentlich nachdem das rasch abgenutzte Schleppseil durch eine beiderseits verzahnte Mittelschiene ersetzt war, in die zwei wagerecht liegende Zahnräder eingriffen. Die Bahn zeigte Steigungen von 385 auf Tausend (1: 2,6) und Krümmungen von 150 m Halbmesser. Wohl die einzige bleibende derartige Ausführung, jedoch mit einseitiger Verzahnung der Mittelschiene, zeigt die 1884 eröffnete Bergbahn zur Superga bei Turin von 3,13 km Länge mit Steigungen bis zu 200 auf Tausend (l:5) und Krümmungen von 300 m Halbmesser. Vgl. Eisenbahnsystem.

Eine Übersicht über die bemerkenswertesten B. gibt die untenstehende Tabelle. Den höchsten Punkt in Europa erreicht zur Zeit die elektrisch betriebene Zahnradbahn von Zermatt zum Gornergrat. Noch höher hinauf führt der Entwurf der ebenso betriebenen Jungfraubahn. Sie beginnt bei der Station Scheideck der bestehenden Wengernalper Zahnradbahn, erreicht die Station Eiger-Rothstock mit 2323 m Meereshöhe in offener Linie, tritt dann in das Innere des Gebirges ein und bleibt im Tunnel bis nahe unter dem Gipfel der Jungfrau, der schließlich durch einen 73 m hohen senkrechten Auszug erreicht werden soll (4166 m). An mehreren Stellen sollen Stationen mit Felsengalerien zum Ausblick in die Gebirgswelt angelegt werden. Von dem auf etwa 10 km Länge geplanten Tunnel ist bis 1902 nur ein kleiner Teil fertiggestellt. Bis Station Eiger-Rothstock ist die Bahn seit 1900 während der Sommermonate im Betrieb. Die Höhentafel (Tafel I) gibt eine anschauliche Vergleichung der erstiegenen Meereshöhen für verschiedene B. und Gebirgsbahnen (s. d.). Vgl. Strub, B. der Schweiz (Wiesbad. 1900–1901, 2 Tle.); »Die industrielle und kommerzielle Schweiz beim Eintritt ins 20. Jahrhundert«, Heft 3 u. 4: »Schweizerische B.« (Zür. 1901).

Tabelle


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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