- Thomas von Aquīno
Thomas von Aquīno (T. Aquinas), berühmter Scholastiker, Schüler Alberts d. Gr. (s. Albert 1, S. 266), geb. 1225 auf dem Schloß Roccasecca im Neapolitanischen aus einem alten Adelsgeschlecht, gest. 6. März 1274 im Kloster Fossanuova bei Terracina, ward im Kloster Monte Cassino erzogen und trat gegen den Willen seiner Eltern 1243 zu Neapel in den Dominikanerorden ein, studierte in Köln und Paris und trat hier 1248 als Lehrer der scholastischen Philosophie mit solchem Beifall auf, daß er den Beinamen eines Doctor universalis und angelicus erhielt. Papst Urban IV. berief ihn 1261 nach Italien zurück, worauf T. in Bologna, Pisa und Rom lehrte. Seit 1272 zog er sich in dasselbe Kloster zu Neapel zurück, in das er zuerst eingetreten war. Er starb auf der Reise zum Konzil von Lyon. T. ward 15. Juli 1323 kanonisiert und galt für den größten Kenner der Aristotelischen Philosophie. Als ein Hauptverfechter des gemäßigten Realismus übte er einen großen Einfluß in den scholastischen Streitigkeiten seiner Zeit aus. Seine in vielen Einzelausgaben gedruckten Hauptwerke sind: der Kommentar über des Petrus Lombardus vier Bücher Sentenzen; ferner »Summa theologiae« (hrsg. von Nicolai u. a., 13. Aufl., Regensb. 1884, 8 Bde.; deutsch von Schneider, das. 1886–92, 12 Bde.), der erste vollständige Versuch eines theologischen Systems; »Summa fidei catholicae contra gentiles«; »Quaestiones disputatae et quodlibetales« und »Opuscula theologica«. Er begründete besonders die Lehren von der Gnade und von den Sakramenten, auch den Lehren vom Schatz der Kirche an überflüssigen Werken, vom Ablaß und von der Infallibilität des Papstes trat er bei. Seine Schriften (Gesamtausgabe, Parma 1852–72, 25 Bde., und auf Veranlassung des Papstes Leo XIII., Rom 1882 ff.; Auswahl, Turin 1886, 3 Bde.) genossen lange in der katholischen Kirche eine Art von kanonischem Ansehen, und namentlich war er stets die Hauptautorität der Dominikaner. Doch trat schon um 1300 der Franziskaner Duns Scotus gegen ihn auf und gründete die philosophisch-theologische Schule der Skotisten, mit der die Thomisten auf den Universitäten in Fehde lebten. Letztere verteidigten namentlich im Anschluß an T. die strenge Lehre Augustins von der Gnade und bestritten die unbefleckte Empfängnis der Jungfrau Maria. In beiderlei Beziehung ist die spätere Kirche von der Lehrautorität des heil. T. abgewichen. Schon 1567 erhielt er von der Kirche, wie andre vor ihm, den Ehrentitel Doctor ecclesiae. Neuerdings gilt er in der katholischen Kirche wieder, namentlich infolge der päpstlichen Enzyklika vom 4. Aug. 1879, als die Norm für das philosophische Denken, so daß seine Lehre nach allen Seiten hin mit großem Fleiße von einer stattlichen Anzahl katholischer Gelehrten erläutert und ausgebildet wird und eine Menge von Monographien und Abhandlungen über T. und Teile seiner Lehre erschienen ist. Durch T. lebt so Aristoteles, nur in etwas veränderter Gestalt, wieder auf. Vgl. Werner. Der heil. T. (Regensb. 1858–59, 3 Bde.); Jourdain, La philosophie de saint Thomas d'Aquin (Par. 1858, 2 Bde.); Baumann, Die Staatslehre des heil. T. (Leipz. 1873); Schneider, Das Wissen Gottes nach der Lehre des heil. T. (Regensb. 1884–1886, 4 Bde.); Knauer, Grundlinien zur aristotelisch-thomistischen Psychologie (Wien 1885); Eucken, Die Philosophie des T. und die Kultur der Neuzeit (Halle 1886) und T. und Kant, ein Kampf zweier Welten (Berl. 1900); Frohschammer, Die Philosophie des T. (Leipz. 1889); ferner Thömes, Divi Thomae Aquinatis opera et praecepta (Berl. 1875, Bd. 1); Lipperheide, T. und die platonische Ideenlehre (Münch. 1890); Antoniades, Die Staatslehre des T. (Leipz. 1890); Guttmann, Das Verhältnis des T. zum Judentum und zur jüdischen Literatur (Götting. 1891); Schütz, Thomas Lexikon (2. Aufl., Paderb. 1895); Weber, Der Gottesbeweis aus der Bewegung bei T. auf seinen Wortlaut untersucht (Freiburg 1902); Baron, Die Bedeutung der Phantasmen für die Entstehung der Begriffe bei T. (Münster 1902).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.