Technische Hochschulen

Technische Hochschulen

Technische Hochschulen, Lehranstalten zur höchstentechnischen Ausbildung namentlich der auf diesem Gebiet leitenden Staatsbeamten. Während der ersten zwei Drittel des 19. Jahrh. waren diese Fachschulen in Deutschland noch sehr verschieden organisiert und schwankten zwischen den beiden Typen der höhern Gewerbeschule und des akademischen Polytechnikums. Über den geschichtlichen Hergang s. Polytechnikum. Einen bedeutsamen Wendepunkt bildet die 1879 erfolgte Vereinigung der Bauakademie und der Gewerbeakademie in Berlin zu einer Technischen Hochschule (Charlottenburg), der das provisorische Verfassungsstatut vom 17. März 1879 im wesentlichen den Zuschnitt der Technischen Hochschulen in Zürich (1855) und in München (1868) gab. Von 1877–1880 jährlich, zuletzt im März 1880 in Berlin, unter Beteiligung staatlicher Kommissare abgehaltene Konferenzen von Abgeordneten sämtlicher deutscher Anstalten (auch von Zürich, Wien, Brünn, Graz) trugen viel dazu bei, die Organisation der Technischen Hochschulen einheitlich zu gestalten. Die drei preußischen Hochschulen erhielten neue Verfassungsstatute, und zwar Hannover und Aachen gleichzeitig 7. Sept. 1880, Berlin 22. Aug. 1882. Damals bezog die Berliner Anstalt ihr neues Gebäude in Charlottenburg. Jene Statuten stimmen in den Hauptpunkten wörtlich überein; doch ist auf die größere Ausdehnung und eigentümliche Stellung der hauptstädtischen Anstalt sachgemäß Rücksicht genommen. Die wichtigsten Vorschriften des Berliner Statuts sind folgende: § 1. Die Technische Hochschule hat den Zweck, für den technischen Beruf im Staats- und Gemeindedienst wie im industriellen Leben die höhere Ausbildung zu gewähren sowie die Wissenschaften und Künste zu pflegen, die zum technischen Unterrichtsgebiet gehören. Die Technische Hochschule ist dem Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten unmittelbar unterstellt. § 2. An der Technischen Hochschule bestehen fünf Abteilungen: 1) für Architektur, 2) für Bauingenieurwesen, 3) für Maschineningenieurwesen (einschließlich Schiffbau), 4) für Chemie und Hüttenkunde, 5) für allgemeine Wissenschaften, namentlich Mathematik und Naturwissenschaften. § 3. Mit den Vorträgen in den einzelnen Disziplinen sind je nach Bedürfnis praktische Übungen, Besuch der Sammlungen, Ausflüge etc. verbunden. § 4. Der Unterricht ist nach Jahreskursen geordnet; Ferien vom 1. Aug. bis 1. Okt., ferner zu Weihnachten und zu Ostern je 14 Tage. § 5. Die Wahl der Vorträge und Übungen ist bis auf gewisse naturgemäße Beschränkungen frei. Doch werden Studienpläne aufgestellt und empfohlen. § 6. Lehrer sind die Professoren (vom König ernannt), Dozenten, Assistenten und Privatdozenten. Die Habilitation dieser (§ 7) vollzieht sich bei den einzelnen Abteilungen ähnlich wie bei den Fakultäten einer Universität. Überhaupt verhalten sich Hochschule und Abteilungen wie Universität und Fakultäten; jene wird von Rektor und Senat, diese vom Abteilungskollegium und seinem Vorsteher verwaltet. Der Rektor wird alljährlich von den vereinigten Abteilungskollegien gewählt und bedarf der Bestätigung des Königs; die Vorsteher werden auf ein Jahr gewählt und vom Minister bestätigt. Für Kassen- und Verwaltungssachen steht dem Rektor ein Syndikus zur Seite (§ 8 bis 28). Deutsche werden als eigentliche Studierende nur mit dem Reifezeugnis eines deutschen Gymnasiums, Realgymnasiums oder einer Oberrealschule aufgenommen. Über das regelrechte Studium in einer der vier ersten Abteilungen werden auf Grund vorgängiger Prüfungen Diplome ausgestellt (§ 29–33). Doch können auch Hospitanten vom Rektor zugelassen werden (§ 34–36). Dieselben Grundzüge kehren in den Verfassungen sämtlicher deutscher Technischen Hochschulen wieder; doch ist die Zahl der Abteilungen an mehreren dieser Anstalten größer, indem z. B. Braunschweig noch eine pharmazeutische Abteilung hat, München, Zürich u. a. eine landwirtschaftliche. In Deutschland gab es fortan neun T. H.: Berlin, Hannover, Aachen, München, Dresden, Stuttgart, Karlsruhe, Darmstadt und Braunschweig (Carolinum, jetzt Carolo-Wilhelminum). Diese neun Anstalten zählten 1878 zusammen: 535 Dozenten und 6433 Studierende. 1883 war die Zahl der Studierenden um 40 Proz. oder auf 3900 zurückgegangen. Seitdem fand eine langsame Steigerung der Besuchsziffer statt, so in den preußischen Anstalten von 1386 (1883) auf 1727 (1888), nämlich Berlin 1098 (gegen 897), Hannover 418 (gegen 318), Aachen 211 (gegen 171). Im Sommer 1896 betrug die Zahl der Studierenden und Hörer (sowie Lehrer) an den Technischen Hochschulen Deutschlands: Aachen 332 (61), Berlin 2513 (265), Braunschweig 382 (54), Darmstadt 954 (61), Dresden 762 (69), Hannover 852 (75), Karlsruhe 806 (77), München 1519 (85), Stuttgart 562 (80); zusammen 8682 (887). Von den Studierenden und Hörern waren etwa 7400 deutsche Reichsangehörige, 1200 Ausländer. Von ihnen gehörten zu den einzelnen Abteilungen: Hochbau 1347, Bauingenieure 1528, Maschinenbau 3359, Chemotechnik 1044, Verschiedene 493, allgemeine Abteilung 1443. Im Sommer 1900 stieg die Zahl der Studierenden (und Hörer) an den deutschen Technischen Hochschulen auf 10,896 (2536), also auf 13,432 Besucher. Die drei preußischen Anstalten stellten dazu 4216 Studenten und 1424 Hörer, zusammen 5640, deren Mehrzahl (2730 Studenten, 1074 Hörer) auf Charlottenburg entfiel. Die Gesamtzahl hatte demnach in einem Jahrfünft um 30 Proz., die Zahl der Ausländer um mehr als 60 Proz. zugenommen. Inzwischen waren in Preußen die Technischen Hochschulen unter lebhafter persönlicher Beteiligung Kaiser Wilhelms II. durch Verleihung des akademischen Promotionsrechtes (s. Doktor-Ingenieur, Bd. 5, S. 86) und Berufung ihrer Vertreter in das Herrenhaus aus Anlaß der 100jährigen Jubelfeier der Charlottenburger Hochschule (1899) den Universitäten gleichgestellt, ein Vorgehen, dem 1900 und 1901 alle beteiligten deutschen Staaten folgten. Seit 1904 ist in Danzig die zehnte deutsche und vierte preußische Technische Hochschule ins Leben getreten, und eine elfte (fünfte preußische) Anstalt in Breslau ist in Vorbereitung begriffen. Der gesamte Besuch der zehn deutschen Hochschulen war 1906 (Winter):

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Von der Gesamtzahl der Studenten studierten Architektur: 2482, Bauingenieurwesen: 2961, Maschinenbauwesen und Elektrotechnik: 5161, Chemie (Elektrochemie): 1431, andre technische Fächer und allgemeine Wissenschaften: 1577. Besonders lebhaft ist an den Technischen Hochschulen der Austausch der verschiedenen deutschen Staaten und Stämme. In Preußen standen 1906 den 3902 Landeskindern 801, in den übrigen Staaten den 3626 Landeskindern 2683 andre Reichsdeutsche gegenüber; im ganzen studierten also 7528 innerhalb, 3484 außerhalb ihrer Landesgrenzen. Die hohe Frequenz der deutschen Technischen Hochschulen zeigt deutlich den gewaltigen Aufschwung der deutschen Industrie und zugleich die lebhafte Anerkennung der wissenschaftlichen Technik Deutschlands im In- und Auslande. – Österreich zählt gegenwärtig sieben T. H.; sie hatten im Winter 1906:

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In der Schweiz besuchten gleichzeitig das Eidgenössische Polytechnikum in Zürich 2204 Hörer, darunter 1325 reguläre Studierende und 522 Ausländer. Vgl. Lexis, Das Unterrichtswesen im Deutschen Reich, 4. Bd., 1. Teil: Die Technischen Hochschulen im Deutschen Reich (Berl. 1904, mit Literaturangaben für jede einzelne Hochschule); Zöller, Die Universitäten und Technischen Hochschulen (das. 1891); Schön, Die Technischen Hochschulen und deren Organisation in Österreich (Leipz. 1882); Riedler, Zur Frage der Ingenieurerziehung (Berl. 1895) und Unsre Hochschulen und die Anforderungen des 20. Jahrhunderts (das. 1898); Damm, Die Technischen Hochschulen in Preußen (Geschichte und Organisation, das. 1899) und Die technischen Hochschulen mit deutscher Unterrichtssprache von Deutschland, Österreich und der Schweiz (Münch. 1906); »Chronik der königlich Technischen Hochschule zu Berlin 1799–1899« (das. 1899); »Bestimmungen für die technischen Hochschulen in Deutschland« (Halle 1904); »Hochschulkalender für die Technischen Hochschulen« (Berl. 1906 ff.); »Hochschulnachrichten« (hrsg. von P. v. Salvisberg, Münch., seit 1890). – Das studentische Verbindungswesen an den deutschen Technischen Hochschulen schließt sich ganz dem Vorbilde der Universitäten an. Die Korps haben sich zum Weinheimer Seniorenkonvent (W. S. C.), die Burschenschaften zum Rüdesheimer Verband zusammengetan.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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