Suezkanal

Suezkanal

Suezkanal, Seekanal zur Verbindung zwischen Mittelländischem und Rotem Meere mittels Durchschneidungen des 112 km breiten Isthmus von Suez (s. oben; vgl. das Textkärtchen des Nildeltas mit dem S. [Bd. 14, S. 700] und das Nebenkärtchen auf der Karte »Mittelmeerländer«). Ein solcher Kanal wurde bereits im 14. Jahrh. v. Chr. vom Nil durch den Timsahsee zum Roten Meer durch Sethos I. und Ramses II. für die Flotte ausgeführt, ging aber (altägypt. ta tenat, »der Durchstich«) wahrscheinlich durch Vernachlässigung zugrunde; erst Necho (619 bis 604 v. Chr.) begann einen neuen Kanal von Bubastis am Nil nach Patumos am Arabischen Meerbusen zu bauen, der aber durch Orakelspruch (weil er nur den »Barbaren«, d. h. den Phönikern, nützen würde) unvollendet blieb, nachdem sein Bau schon 120,000 Menschen das Leben gekostet hatte. Dareios Hystaspis (521–486) vollendete das Werk, das unter den Ptolemäern bedeutend verbessert wurde. Zu Kleopatras Zeit teilweise wieder versandet, scheint er unter Trajan wiederhergestellt zu sein, weil eine Wasserstraße zwischen Kairo und dem Meerbusen von Suez amnis Trajanus genannt wird. Da die Araber besonderes Interesse an der Verbindung des eroberten Ägypten mit dem Roten Meer hatten, stellte Amr, der Feldherr des Kalifen Omar, im 7. Jahrh. den Kanal von Kairo nach dem Roten Meer wieder her und benutzte ihn zu Getreidetransporten von Fostat nach Kolzum. Doch schon im 8. Jahrh. war er unbrauchbar. Später dachten die Venezianer mehrfach daran, den Isthmus zu durchstechen, um ihren durch den Seeweg um das Kap der Guten Hoffnung geschädigten Handel wieder zu beleben; 1671 schrieb Leibniz an Ludwig XIV. in diesem Sinne, auch Sultan Mustafa III. und der Mamelukenführer Ali Bei dachten an das Projekt. Bonaparte ließ bei seiner Expedition nach Ägypten 1798 durch den Ingenieur Lepère Vorarbeiten machen, die jedoch nur dazu dienten, die Ausführbarkeit lange in Frage zu stellen, da Lepère zu dem falschen Ergebnis gelangt war, daß der Spiegel des Roten Meeres 9,908 m höher liege als der des Mittelmeeres. Als 1841 durch englische Offiziere der Irrtum nachgewiesen war, unternahm der Österreicher Negrelli 1847 und 1855–56 eingehende Geländeuntersuchungen. Auf Grund derselben legte er 1856 in Paris einer Kommission seinen sorgfältig ausgearbeiteten Plan vor. Dieser wurde angenommen und Negrelli 1858 vom Vizekönig Said zum Generalinspektor der Suezarbeiten ernannt. Nach seinem Tode (1. Okt. 1858) brachte F. v. Lesseps (s. d.) 1859 durch Kauf sämtliche Pläne an sich und bildete eine Aktiengesellschaft (Compagnie universelle du canal maritime de Suez), die ein Privilegium auf 99 Jahre erhielt, nach welcher Zeit der Kanal an Ägypten fällt. Am 25. April 1859 erfolgte in Port Saïd, am Nordende, der erste Spatenstich. 1862 waren von den 1800 Lastkamelen der Kompanie allein 1600 zum täglichen Transport des Trinkwassers für 25,000 Arbeiter in Anspruch genommen, so daß die tägliche Ausgabe für Trinkwasser 8000 Fr. betrug. Als 29. Dez. 1863 der Süßwasserkanal vollendet war, der bei Zagasig vom Nil ostwärts nach Ismaïlia und dann südlich bis Suez geht (am Spiegel 17, am Grund 8 m breit, durchschnittlich 21/4 m tief), wurde eine Jahresausgabe von 3 Mill. Fr. erspart. Infolge zu großer Sterblichkeit unter den Fellahs zahlte der Chedive 1,5 Mill. Pfd. Sterl. Entschädigung, worauf seit 1864 vielfach statt einheimischer Arbeiter Europäer eintraten. Maschinen von 22,000 Pferdekräften förderten das Werk. Am 18. März 1869 traten die Wasser des Mittelmeeres in die Bitterseen und 19. Nov. 1869 erfolgte die Eröffnung des Kanals im Beisein vieler Fürstlichkeiten und geladener Europäer (die Festlichkeiten kosteten dem Chedive 20 Mill. Fr.).

Die Länge des Kanals beträgt 160 km, die Breite zuerst am Wasserspiegel 60–110 m, an der Sohle 22 m, die Tiefe 8 m. Die Erweiterungsbauten (seit 1899 mit über 200 Mill. Fr. Kosten) sollen die Breite an der Sohle auf 75–90 m, die Tiefe auf 9,5–10 m bringen. Er beginnt am Mittelmeer bei Port Saïd mit zwei ins Meer hinausgebauten Molen (2250 und 1600 m lang), die den von W. herbeigeführten Nilschlamm abhalten. Der Kanal tritt dann, an beiden Seiten von Dämmen eingerahmt, in den Mensalehsee, verläßt ihn bei Kilometer 45, durchschneidet die El Kantara genannte Bodenerhebung, durchzieht den Balahsee und Timsahsee (an letzterm liegt Ismaïlia), durchbricht die 16 km lange Felsenschwelle des Serapeums und tritt bei Kilometer 95 in die Bitterseen (220 qkm), an deren Südseite Ebbe und Flut des bei Kilometer 156 erreichten Roten Meeres sich bereits bemerkbar machen. Südöstlich von Suez ist die Kanalrinne noch 4 km ins Meer geführt, wo die Reede von Suez erreicht wird. Die Baukosten beliefen sich auf etwa 19 Mill. Pfd. Sterl., von denen 12,800,000 durch Aktienzeichnungen aufgebracht wurden, während den Rest der Chedive deckte. Letzterm kaufte England 1875 die übernommenen Aktien (177,602 Stück im Werte von 4 Mill. Pfd. Sterl.) ab. Die Einnahmen der Gesellschaft ergaben 1872 zum erstenmal einen Überschuß von 1,6 Mill. Mk.; 1904 beliefen sich die Einnahmen auf 4,632,739,1905 auf 4,554,672 Pfd. Sterl. Es benutzten den Kanal 1905: 4115 Schiffe von 18,308,498 Bruttotonnen, darunter 2484 englische, 601 deutsche, 274 französische, 219 holländische, 139 österreichische, 91 italienische, 89 türkische, 68 russische, 66 norwegische etc. Die Zahl der Reisenden betrug 1905: 252,694. Die Abkürzung der Entfernungen zwischen Europa und den östlichen Ländern beträgt für die Dampferfahrt nach Bombay von Brindisi und Triest 37, von Genua 32, von Marseille 31, von Bordeaux, Liverpool, London, Amsterdam oder Hamburg 24 Tage. Der Kanalzoll, anfänglich 10, seit 1895 pro Tonne Nettogewicht bei beladenen Schiffen 9;5, bei Schiffen in Ballast 7 Fr., beträgt jetzt 9, bez. 6,5 Fr. (für Personen 10 Fr.); es können Güter jeder Art den Kanal passieren. Die Benutzung des Kanals, zu der alle Nationen berechtigt sind, ist seit Einführung des elektrischen Lichtes Tag und Nacht ohne Unterbrechung gestattet. Dadurch ist die früher auf 481/2 Stunden berechnete Durchfahrtszeit auf 15–20 Stunden gesunken. Die Gesellschaft unterhält auf ihrer Hauptstation Ismaïlia eine Lotsenstation mit kleinen Dampfbooten, Schleppdampfern und Dampfbaggern mit Dampfbaggerschiffen; außerdem steht ein Zisternenschiff für Wasserversorgung zur Verfügung. Vgl. Lesseps, Percement de l'isthme de S. (Par. 1855 bis 1861, 5 Bde.) und Lettres, journal et documents à l'histoire du canal de Suez (das. 1875–81, 5 Bde.); Charles-Roux, l'Isthme et le canal de Suez (das. 1901, 2 Bde.); M. Voß, Der S. und seine Stellung im Weltverkehr (hrsg. von K. Hassert, Wien 1904); Ungard v. Öthalom, Der S. (das. 1904); Voisin-Bey, Le Canal de S. (Par. 1902–06, 7 Bde.); Lesage, L'invasion anglaise en Égypte: l'achat des actions de S. (das. 1906).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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