Skorbūt

Skorbūt

Skorbūt (Scharbock), Ernährungsstörung des Organismus, die von krankhafter Blutmischung abhängt und sich in Blutungen verschiedener Gewebe, namentlich des Zahnfleisches, äußert. S. entwickelt sich am häufigsten auf langen Seereisen (Seeskorbut), auf denen die Schiffsmannschaft oft fast ausschließlich von Schiffszwieback und gepökeltem Fleisch lebt und frische pflanzliche Nahrung gänzlich entbehrt; ähnlich entsteht er häufig in belagerten Festungen und in Gefängnissen. Übermäßige Strapazen und mutlose Stimmung der Mannschaft begünstigen den Ausbruch des Skorbuts, ebenso der Aufenthalt in kalten, feuchten Wohnungen. Dieser Landskorbut kommt in nordischen Gegenden sehr viel vor, z. B. in Rußland, wo er unter der ärmern Bevölkerung zur Fastenzeit außerordentlich häufig sein soll, so daß man geradezu von einem Fastenskorbut spricht. S. tritt epidemisch und endemisch auf. Man muß annehmen, daß es sich um eine Infektionskrankheit handelt, deren noch unbekannte Erreger nur in einem sehr geschwächten Organismus wirksam werden können. Möglicherweise leistet besonders eine Verarmung des Körpers an pflanzensaurem Kali der Erkrankung an S. Vorschub. Der S. beginnt fast immer mit großer Schwäche und Müdigkeit. Die Stimmung ist gedrückt, die Gesichtsfarbe fahl, die Augen sind zurückgesunken und von dunkeln Ringen umgeben. Dazu gesellen sich Schmerzen in den Gliedern und Gelenken, ähnlich wie bei Rheumatismus. Nach Tagen oder Wochen zeigt sich ein roter Saum des Zahnfleisches an den Stellen, wo dieses die Zähne umgibt. Bald beginnt das Zahnfleisch zu schwellen, wird dunkelbläulich, hebt sich von den Zähnen ab und schwillt oft zu schwammigen, dicken Wülsten an. Um die Zähne herum und auf der Höhe der Wülste zerfällt die Oberfläche zu einer weichen, mißfarbigen Masse, nach deren Abstoßung die skorbutischen Geschwüre zurückbleiben. Die Zähne sind dabei gelockert. Tritt Besserung ein, so schwillt das Zahnfleisch ab, nimmt wieder seine normale Farbe an und legt sich fest um die Zähne herum, die damit auch wieder fest werden. Durch die Zahnfleischanschwellung wird das Kauen äußerst schmerzhaft und oft unmöglich, schon bei leichtem Druck blutet das Zahnfleisch. Die Schleim- und Speichelabsonderung im Mund ist beträchtlich vermehrt. Aus dem Munde kommt ein höchst penetranter, stinkender Geruch. Auch auf der äußern Haut stellen sich zahlreiche Blutaustritte in Form von bläulichen Flecken und Striemen ein, in deren Bereich die Haut oft bretthart wird und flache oder tiefgreifende Geschwüre entstehen, oft erfolgen Blutungen aus der Nase, aus der Luftröhre, dem Darm etc. Dabei entwickeln sich die höchsten Grade von Blutarmut; in schweren Fällen besteht sehr häufig Fieber. Der Verlauf des Skorbuts ist ein langsamer, in langwierigen Fällen werden die Kranken äußerst hinfällig. Leicht tritt auch Hautwassersucht infolge der Blutarmut hinzu, und oft genug endet der S. mit dem Tode. Die Behandlung des Skorbuts besteht vor allem in zweckmäßiger Ernährung mit hinreichender, abwechselungsreicher gemischter Kost, bei der neben frischem Fleisch und Milch besonders frisches Gemüse und Salat zu bevorzugen ist. Bei sehr heruntergekommenen Kranken und bei schwerer Zahnfleischerkrankung muß flüssige Kost gereicht werden unter Zusatz von Apfelsinen- und Zitronensaft. Auch der Genuß von frisch ausgepreßten Pflanzensäften, namentlich von Brunnenkresse, Senf, Rettich, Meerrettich, Löffelkraut u. a. ist von guter Wirkung, ebenso Darreichung von Phosphor-, Salz- und Schwefelsäure. Die Zahnfleischaffektion weicht bei dem Gebrauch adstringierender Mundwässer; Hautgeschwüre müssen durch Bäder behandelt werden. Am besten und sichersten wirkt beim Landskorbut Wechsel des Aufenthalts, und zwar auch bei Gefangenen. Durch Abkürzung der Seereisen vermittelst der Dampfschiffe und durch bessere Verproviantierung der Schiffe ist der Seeskorbut viel seltener geworden. Besonders versorgen sich die Schiffe mit großen Quantitäten Sauerkraut, Zitronensaft und konservierten Gemüsen. Auch der Landskorbut ist seltener, seitdem selbst ärmere Leute sich bessere Kost und Wohnung verschaffen können. In Deutschland kommen in Kasernen nur noch ganz vereinzelte, leichteste Fälle von S. vor, und nicht anders ist es in Arbeitshäusern oder Gefängnissen Deutschlands. Hat man eine epidemische Ausbreitung des Skorbuts zu fürchten, so muß die größte Sorge getragen werden für Reinlichkeit, warme Bekleidung, Lüftung der Zimmer, für Bewegung in freier Luft, für ausreichend große Kostportionen, für passende Auswahl und Abwechselung der Speisen. Vgl. Immermann in Ziemssens »Handbuch der speziellen Pathologie und Therapie« (Leipz. 1879); Hirsch, Infektionskrankheiten, Bd. 2 (2. Aufl., Stuttg. 1883); Litten, Die Krankheiten der Milz und die hämorrhagischen Diathesen (in Nothnagels »Spezieller Pathologie und Therapie«, Wien 1891). – Auch bei Hunden kommt S. aus ähnlichen Ursachen wie beim Menschen vor. Das Zahnfleisch wird violett mißfarben, leicht blutend, übelriechend, die Zähne lockern sich und fallen aus. Daneben besteht Mattigkeit und Appetitstörung. Die Behandlung besteht neben Änderung der Ernährung in Verabreichung bitterer und zusammenziehender Mittel (Chinin, Eichenrindenabkochung, Enzianwurzel, Eisenpräparate, Rotwein und Fleischextrakt). Auch beim Schwein ist S. sicher beobachtet und identisch mit der sogen. Borstenfäule (s. d.).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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