- Rostock
Rostock, größte und wichtigste Stadt des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, liegt am linken Ufer der Warnow, die sich hier sehr erweitert, 13 km nördlich bei Warnemünde in die Ostsee mündet und aufwärts von der Stadt auf 26 km Länge schiffbar ist, 15 m ü. M., hat an Stelle der alten Festungswerke schöne Promenaden und besteht aus der Att-, Mittel- und Neustadt und mehreren Vorstädten.
Die Stadt, namentlich die Mittel- und Neustadt, ist regelmäßig und schön gebaut, hat 4 Tore (darunter das interessante Kröpeliner Tor, aus dem Anfang des 14. Jahrh., mit 4 Giebeln und viereckigem Turm) und mehrere stattliche Plätze, darunter den Neuen Markt mit Springbrunnen und den Blücherplatz mit einer Statue des hier gebornen Feldmarschalls Blücher (seit 1819, von Schadow). Unter den zu gottesdienstlichen Zwecken bestimmten Gebäuden (4 evang. Kirchen, eine kath. Kapelle, eine Kapelle der Irvingianer und eine Synagoge) sind hervorzuheben: die Jakobikirche (14. Jahrh.), die Marienkirche (1398–1472), mit einem prächtigen Bronzetaufbecken von 1290 und dem Grabstein des Hugo Grotius (dessen Leiche später nach Delft in Holland geschafft wurde), die Petrikirche mit dem höchsten Turme Mecklenburgs (132 m), die Kirche zum heiligen Kreuz und die Nikolaikirche, letztere beiden mit prachtvoll geschnitzten Altären. Ferner sind bemerkenswert: das großherzogliche Palais (1702 erbaut), das gotische Rathaus (14. Jahrh.), mit zierlichem Giebel, auf dem sieben Türmchen das Wahrzeichen der Stadt bilden, das Gebäude des Oberlandesgerichts, das 1867 neuerbaute Universitätsgebäude, das 1889–93 im gotischen Stil ausgeführte Ständehaus mit Standbildern der Herzoge Johann Albrecht und Christian Ludwig sowie der Großherzoge Friedrich Franz II. und Georg, das Kunst- und Altertumsmuseum u.a. Viele Privathäuser tragen mit ihren hohen Treppengiebeln den Charakter der baltischen Handelshäuser. Außer dem Blücherdenkmal (s. oben) hat R. ein schönes Kriegerdenkmal und Denkmäler des Großherzogs Friedrich Franz III. und des Afrikareisenden Pogge. Die Zahl der Einwohner belief sich 1905 mit der Garnison (2 Bataillone Füsiliere Nr. 90) auf 60,790 Seelen, darunter (1900) 429 Katholiken und 152 Juden. R. hat große Schiffswerften, Eisengießerei, Maschinenbau, Fabrikation von Wagen, Chemikalien, Lichten, Sei je, Wagenfett, Zichorie, Zucker, Malz, Schokolade, Baumwollwaren, Strohhüten, Spielkarten, Watte, Farben, Dachpappe, Papier, Tapeten, musikalischen Instrumenten etc., ein Elektrizitätswerk, Dampfmolkerei, Ölmühlen, Färberei, Bierbrauerei, Branntweinbrennerei, Gerberei, Steinschleiferei, Dampfmahl- und -Sägemühlen, Fischerei etc. Der Handel wird unterstützt durch eine Handelskammer, die Korporation der Kaufmannschaft, den Mecklenburgischen Handelsverein, durch neun Konsulate fremder Länder, eine Börse, eine Reichsbanknebenstelle, die Rostocker Bank, den Ritterschaftlichen Kreditverein und andre Geldinstitute sowie durch die lebhafte Schiffahrt. Die dortige Reederei zählte 1. Jan. 1905: 30 Seeschiffe zu 21,200 Reg.-Ton., darunter 22 Dampfer. R. besitzt eine eigne Flagge: weiß, das obere innere Viertel gelb mit einem stehenden schwarzen Greis. Gegenstände der Ausfuhr sind: Getreide und andre Landesprodukte, als Wolle, Flachs, Fleisch etc., während vornehmlich Kolonial- und Eisenwaren, Wein, Steinkohlen, Petroleum, Holz und Heringe eingeführt werden. Auch hat R. jährlich eine Messe und besuchte Woll-, Pferde- und Viehmärkte. 1904 liefen ein: 2120 beladene Seeschiffe zu 808,319 Reg.-Ton., aus: 2224 Seeschiffe zu 754,289 Reg.-Ton. Für den Eisenbahnverkehr ist die Stadt mit drei Bahnhöfen Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Güstrow-R., Wismar-R., Neustrelitz-R. u.a. Dem Verkehr in der Stadt dient eine elektrische Straßenbahn. Unter den Bildungsanstalten steht obenan die 1418 von den Herzogen Johann III. und Albrecht V. von Mecklenburg in Gemeinschaft mit der Stadt gestiftete Universität, die 1437–43 wegen des vom Baseler Konzil über R. verhängten Interdikts in Greifswald ihren Sitz hatte, aber 1760 nach Bützow verlegt ward. Da indessen die vom Rat angestellten Professoren in R. ihre Vorlesungen fortsetzten, so bestanden damals zwei mecklenburgische Universitäten, bis 1789 ihre Wiedervereinigung in R. erfolgte; doch gab die Stadt ihr Mitbesitzrecht erst 1827 auf. Die Universität hat eine Bibliothek (212,000 Bände), zahlreiche Hilfsanstalten, darunter eine Frauenklinik mit Hebammenschule, eine Sternwarte, eine landwirtschaftliche Versuchsstation etc. und zählte im Sommersemester 1906: 700 Studierende. Außerdem befinden sich in R. ein Gymnasium, ein Realgymnasium, eine Realschule, eine Maschinisten- und Navigationsschule, ein Handelsinstitut, eine Gewerbeschule, ein Theater (s. Tafel »Theaterbau I«, Fig. 3 u. 4), eine Kunstsammlung etc.; ferner: eine Irrenanstalt, ein Jungfrauenkloster, ein Landeskrüppelheim, ein Armen- und Arbeitshaus, eine Kaltwasserheilanstalt etc. Der Rat besteht aus 14, die repräsentierende Bürgerschaft aus 60 Mitgliedern. Auf dem Landtag bildet R. einen Stand für sich, und einer seiner Bürgermeister ist Mitglied des Direktoriums auf den Landtagen und Landeskonventen sowie des engern Ausschusses der Stände, der in R. seinen Sitz hat. Sonst ist die Stadt Sitz des permanenten Landeskonsistoriums, eines geistlichen Ministeriums (für die Stadt), eines Oberlandes- und eines Landgerichts, einer Landessteuerdirektion, eines Hauptsteuer- und Hauptzollamtes, einer Medizinalkommission etc. In der Nähe von R. liegen die Barnstorfer Anlagen, ein großer Park und besuchter Vergnügungsort, nördlich der Hafen von R., Warnemünde (s. d.). – Zum Oberlandesgerichtsbezirk R. gehören die bechen Mecklenburg mit den vier Landgerichten zu Güstrow, Neustrelitz, R. und Schwerin; zum Landgerichtsbezirk R. die neun Amtsgerichte in Doberan, Gnolen, Kröpelin, Neubukow, Ribnitz, R., Schwaan, Sülze und Tessin. – R. (Roztoc), im 10. Jahrh. Besitz des Obotritenfürsten Gottschalk, ward 1161 vom Dänenkönig Waldemar I. erobert und eingeäschert, um 1170 durch Pribislaw II. wieder aufgebaut und erhielt bald starke deutsche Bevölkerung sowie 1218 vom Herzog Borwin I. Stadtgerechtigkeit. R. war 1229–13!4 der Sitz einer eignen Fürstenlinie, kam dann an die Hauptlinie Mecklenburg, die 1323 für R. die dänische Lehnshoheit anerkannte. Als Mitglied der Hansa, außerdem seit 1418 als Universitätsstadt erhob sich R. zu großem Wohlstand, litt jedoch durch die häufigen Seekriege. Bei der Teilung Mecklenburgs 1621 blieb die Stadt beiden Linien gemeinsam und fiel erst 1695 an Mecklenburg-Schwerin. Von ihren zahlreichen Privilegien behielt sie seit 1788 nur das Recht der eignen Besteuerung. 1712 von den Schweden erobert. ward R. 1715 von den Dänen und 1716 von den Russen besetzt, 1719 aber durch eine kaiserliche Kommission in seine alten Rechte wieder eingesetzt. Im Mai 1848 und im April 1849 wurde es von den Dänen in Blokkadezustand erklärt. Vgl. Eschenbach, Annalen der Akademie zu R. (Rost. 1790–96, 6 Bde.); Krabbe, Die Universität R. im 15. und 16. Jahrhundert (das. 1854, 2 Bde.); Koppmann, Geschichte der Stadt R. (das. 1887, Bd. 1, bis 1532), Geschichtsquellen der Stadt R. (das. 1885 ff.) und Beiträge zur Geschichte der Stadt R. (das. 1890–1905, Bd. 1–4).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.