Rhythmus

Rhythmus

Rhythmus (griech.), eigentlich »Fluß«, sodann gleichmäßig geordnete Bewegung (besonders soweit sie durch das Gehör aufzufassen ist), tritt am bedeutsamsten hervor in den zeitlich verlaufenden Künsten des Tanzes, der Musik und der Poesie. Der R. ist seinem Wesen nach hier immer derselbe, doch erfährt er eigenartige Gestaltung durch das jeweilige Rhythmizomenon, d. h. das Material, in das der R. hineingelegt wird: körperliche Bewegungen, musikalische Klänge, Sprachlaute. Ursprünglich waren diese drei rhythmischen Künste vereinigt. Die Grundlage des R. ist der regelmäßige Wechsel stark und schwach betonter Elemente, die als Hebung und Senkung (Arsis und Thesis) bezeichnet werden; durch die Verbindung dieser Elemente entsteht das einfachste rhythmische Gebilde, der Takt. Der Takt ist aber durchaus nicht immer nur aus einer einfachen Hebung und Senkung zusammengesetzt: es gibt vielmehr Takte, die zwei bis drei verschieden starke Hebungen aufweisen; in den Senkungen wird die Intensität der Elemente nicht geschieden, wohl aber ist die Anzahl der die Senkung füllenden Elemente abweichend (Null, 1, 2 oder 3). Durch die Zusammenfügung mehrerer, mindestens zweier Takte entsteht die rhythmische Reihe oder das Kolon (in der Poesie der Vers), durch die Zusammenfügung mehrerer Kola die rhythmische Periode. Die Kola und Perioden werden gegliedert und als einheitliche Gebilde abgesondert durch den regelmäßigen oder innerhalb gewisser Grenzen variabeln Eintritt von Pausen (in der Poesie Zäsuren und Diäresen). Die rhythmischen Takte sind von gleicher Zeitdauer. doch scheint in der Poesie die Taktgleichheit infolge des eigenartigen Rhythmizomenons der Sprache nicht unbedingt zu gelten. Über die besondere Gestaltung des poetischen R. handelt die Metrik (s. d.): es ist zweckmäßig, die Ausdrücke Metrik und Rhythmik nur in dieser Art zu scheiden, und nicht etwa bei »rhythmisch« an die Wirkung beim Hören und bei »metrisch« an die Andeutung der rhythmischen Absichten durch Noten und andre Symbole zu denken. Die psychologischen Grundlagen des rhythmischen Wohlgefallens sind noch nicht vollständig ermittelt; die Hauptsache wird darin liegen, daß der geregelte Tonfall von Hebung und Senkung unser Bewußtsein einen weitern derartigen Ablauf der Vorstellungen erwarten läßt, und daß die Erfüllung dieser Erwartung ein angenehmes Gefühl erweckt; außerdem bilden bestimmte Rhythmen ein unmittelbares Analogon zu gewissen Formen unsrer Affekte. Durch alle dies erklärt sich die Neigung des Menschen, alle seine Bewegungen und Hantierungen periodisch zu gestalten. Vgl. Wundt, Grundzüge der physiologischen Psychologie, Bd. 2 (5. Aufl., Leipz. 1902); Meumann, Untersuchungen zur Psychologie und Ästhetik des R. (das. 1894); Bücher, Arbeit und R. (3. Aufl., das. 1903); Th. Lipps, Ästhetik, Bd. 1 (Hamb. 1903). – In der Musik bezeichnet R. im engern Sinne die Art der Bewegung der unterschiedlichen Notengruppen innerhalb einer feststehenden Taktart, im weitern Sinne die Fortbewegung ganzer Takt- und Satzgruppen im großen Tonganzen selbst. Der Gang und Charakter der rhythmischen Bewegung ist es vornehmlich, der dem Musikstück sein bestimmtes physiognomisches Gepräge gibt. Vgl. Westphal, Allgemeine Theorie der musikalischen Rhythmik seit J. S. Bach (Leipz. 1880); M. Lussy, Le rhythme musical (Par. 1883); Carpe, Der R. (Leipz. 1900); Riemann, System der musikalischen Rhythmik und Metrik (das. 1903).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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  • Rhythmus — (von altgriech.: ῥυθμός rhythmós, mit latinisierender Endung us, indogerman.: Etymologie unklar) steht für: Rhythmus (Musik), die durch die Folge unterschiedlicher Notenwerte entstehenden Akzentmuster über dem Grundpuls in der Poesie zur… …   Deutsch Wikipedia

  • RHYTHMUS — Badae videtur metris esse consimilis, qui est verborum modulata compositio non metricâ ratione, sed numero syllabarum ad iudicium aurium examinata, ut sunt Carmina vulgarium Poetarum. Nempe omnis structura et copulatio vocum aut rhythmus est, aut …   Hofmann J. Lexicon universale

  • Rhythmus — Sm std. (11. Jh.) Entlehnung. Seit dem Althochdeutschen in verschiedenen Stufen entlehnt aus l. rhythmus, dieses aus gr. rythmós, eigentlich das Fließen , zu gr. reĩn fließen, strömen . Wohl so bezeichnet nach der Bewegung von Meereswellen.… …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

  • Rhythmus — »Gleichmaß, gleichmäßig gegliederte Bewegung; periodischer Wechsel (natürlicher Vorgänge); regelmäßiger formbildender Wechsel von betontem und unbetontem Takt in der Musik«: Das Fremdwort wurde im 18. Jh. aus gleichbed. lat. rhythmus entlehnt,… …   Das Herkunftswörterbuch

  • Rhythmus — [Aufbauwortschatz (Rating 1500 3200)] Bsp.: • Rock n Roll hat einen starken Rhythmus …   Deutsch Wörterbuch

  • Rhythmus — Rhyth mus, n. [L.] Rhythm. [1913 Webster] …   The Collaborative International Dictionary of English

  • Rhythmus — (v. gr.), 1) jede Bewegung, welche nach einem bestimmten Maß stattfindet; bes. 2) die abgemessene Bewegung beim Tanz, in der Musik etc.; 3) in dem Gesange die Verbindung mehrer nach einander gesungener Töne mit abwechselnder stärkerer u.… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Rhythmus — (grch.), taktmäßig abgemessene Bewegung, vom Tanz und vielleicht von der Arbeit auf die Musik und Poesie, auch auf die ungebundene Rede übertragen; besteht bei der Musik in dem Wechsel von Zeitteilen vielfältiger Länge und Kürze innerhalb des… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Rhythmus — Rhythmus, ursprünglich Tact, Zeitmaß überhaupt, dann jenes schöne Verhältniß, die innere Harmonie der einzelnen Theile in ihrer Ruhe wie in ihrer Bewegung gedacht, die Seele und eigentliche Grundlage in dem verschiedenartigen Tonfalle der Sprache …   Damen Conversations Lexikon

  • Rhythmus — Rhythmus, griech., die abgemessene Bewegung des Tanzes, der Musik und der poetischen Darstellung, der Takt u. das Metrum (s. d., ebenso: Prosodie, Vers, Anapäst, Hexameter, Jamb, Choriamb etc.). Rhythmik, die Lehre von den Rhythmen in der Musik u …   Herders Conversations-Lexikon

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