- Baltimore [1]
Baltimore (spr. baoltĭmōr), 1) größte Stadt des nordamerikan. Staates Maryland und sechstgrößte der Union, liegt unter 39°17´ nördl. Br. und 76°37´ westl. L. am Patapscoflusse (s. Plan), der sich hier zu einem breiten, tiefen und vielfach verzweigten Mündungstrichter ausweitet. 272 km vom Atlantischen Ozean und 22 km von der Chesapeakebai, nimmt es hier ein hügeliges Gelände von 82 qkm Fläche an zwei künstlich (auf 8 m) vertieften nördlichen Seitenbuchten des Stromes ein, von dem in die nordöstliche Bucht (den North West Harbor) mündenden Flüßchen Jones' Falls in die beiden Hauptstadtteile Ost- und Westbaltimore geteilt, während die Vorstadt Südbaltimore südlich von dem Hauptarm des Patapsco an der Curtisbai liegt. Die zwischen dem North West Harbor und dem Hauptarme gelegene Halbinsel wird in der Hauptsache von Schienensträngen, Landungs- und Verladevorrichtungen, Lagerhäusern und Arbeiterwohnungen sowie in ihrer äußersten Spitze von dem Fort Mac Henry eingenommen. Diese Halbinsel erreicht im Federal Hill nur 27 m ü. M., gegen N. und NW. steigt der Baugrund aber bis 130 m auf, und die Wasserfront der Stadt am North West Harbor hat eine Länge von über 14 km. Als sogen. »Basin« (»Becken«) greift diese letztgenannte Bucht bis in das Herz der Stadt hinein, und dadurch, daß dieser Innenhafen durch große Dockanlagen an den beiden Seiten der Jones' Fallsmündung noch künstlich erweitert worden ist, ist derselbe der eigentliche Schwerpunkt ihres gesamten Handels und Wandels. Die Straßen der Stadt sind 20–40 m breit und verlaufen teils von W. nach O., so besonders die Hauptgeschäftsstraße Baltimore Street, teils von N. nach S., wie Charles Street und Broadway, teils aber auch fächerförmig in der Richtung auf die großen Parke und Wohnorte, wie Fremont und Bellair Avenue. Die wichtigsten öffentlichen Plätze sind: Monument Square mit dem »Battle Monument« zur Erinnerung an die englische Belagerung von 1814, Washington u. Mount Vernon Place, mit einer 65 m hohen marmornen Washingtonsäule, Franklin und Union Square (im W.), Lafayette und Harlem Square (im NW.), Madison Square (im NO.), Jackson Square (im O.), Battery Square (im S.). Unter den zahlreichen Kirchen zeichnen sich die katholische Kathedrale durch ihre Größe, die »erste presbyterianische Kirche« durch ihren 82 m hohen gotischen Turm aus. Von Profanbauten sind zu nennen: das Stadthaus (City Hall), ein großartiger weißer Marmorbau mit 68 m hoher Kuppel, die Börse, mit ionischem Portikus von weißen Marmorsäulen, das Postamt, das Athenäum, das Peabody-Institut (aus Marmor), der Bundesgerichtshof (Granit), der städtische Gerichtshof (Marmor und Backsteine), die nebeneinander stehenden Staats- und Stadtgefängnisse und die Getreidebörse. Die Bevölkerung bezifferte sich 1752 nur auf 200 Seelen, 1809 auf 26,114, 1830 aber auf 80,625, 1870 auf 267,354, 1890 auf 434,439 und 1900 auf 508,957 (243,280 männliche, 265,677 weibliche, 429,218 Weiße, 79,739 Farbige). Die Einwanderung ist stark. Obschon die verschiedenen protestantischen Sekten die Mehrzahl bilden, so sind doch die Katholiken so zahlreich, daß man von B. als von einer katholischen Stadt redet. Es ist Sitz eines katholischen Erzbischofs (Primas der Vereinigten Staaten) und eines anglikanischen Bischofs.
Als Fabrikstadt hat B. hohe Bedeutung; 1900 wurden in 6361 Betrieben durch 79,084 Arbeiter Waren im Wert von 161,945,811 Doll. erzeugt. Es gab 38 Konserveanstalten für Austern, Früchte etc. (1900: 11,042,146 Doll.), 137 Kleiderfabriken (17,290,825 Doll.), 74 Gießereien u. Maschinenfabriken (6,119,973 Doll.). Eingeführte und einheimische Erze werden in den riesigen Pennsylvania-Stahlwerken nahe der Stadt in 8 Hochöfen, einer Stahlschienenfabrik, einer Nägelfabrik etc. verarbeitet. Ferner 17 Fabriken für Dungmittel (3,752,329 Doll.), 321 Tabakfabriken (9,576,455 Doll.), 40 Großschlächtereien (5,308,334 Doll.), 12 Brauereien (2,934,028 Doll.), 7 Brennereien (918,530 Doll.), 6 Messinggießereien (203,333 Doll.) u. a. Die Austernfischerei beschäftigt mehrere tausend Fahrzeuge.
Der Handel ist fortwährend im Steigen; 1900 betrug die Einfuhr 19,045,279, die Ausfuhr 115,530,378 Doll. Hauptposten der Einfuhr waren Kaffee (4 Mill.), Weißblech (3 Mill.), Chemikalien und Drogen, Eisenerz, Roheisen, Früchte, künstlicher Dünger, Reis etc., der Ausfuhr: Getreide (17,2 Mill. hl), Mehl (4,8 Mill. hl), Baumwolle (5,6 Mill. Doll.), Vieh (5,7 Mill.), Fleisch, Speck und Schmalz (12,6 Mill.), Tabak (5,3 Mill.), Holz (2,2 Mill.), Petroleum (3,3 Mill.), Kupfer (6,3 Mill.), Ölkuchen (1,2 Mill. Doll.) etc. Der überseeische Schiffsverkehr belief sich 1900 auf 3,3 Mill., der Küstenverkehr auf 4,7 Mill. Ton. Regelmäßige Dampferverbindung besteht mit Bremen (wöchentlich) und Hamburg (alle 14 Tage). Die Handelsflotte der Stadt beläuft sich auf 990 Segelschiffe von 55,425 T. und 163 Dampfer mit 57,220 T. Die Getreideelevatoren boten 1900 Raum für 5,3 Mill. Bushels. Durch 2 Tunnel unterhalb der Stadt (2112 und 1033 m lang) führen nach allen Richtungen des Landes 10 Eisenbahnen, und zahlreiche elektrische Bahnen vermitteln den Verkehr in der Stadt und mit den Vorstädten. Dem Geldverkehr dienen 17 National-, 7 Staats- und 13 Sparbanken. Unter den zahlreichen Konsulaten ist auch ein deutsches. An Wohltätigkeitsanstalten besitzt B. 4 Irrenanstalten, zahlreiche Krankenhäuser, darunter das von I. Hopkins mit 3,5 Mill. Doll. gestiftete, das städtische Armenhaus (Bay View Asylum) für 1200 Arme, Versorgungshäuser für Männer und Frauen, Waisenhäuser der verschiedenen Gemeinden (einschließlich der deutschen), eine Blindenanstalt für Weiße und Farbige, eine Taubstummenanstalt, Zufluchtshäuser (refuges) für Knaben und Mädchen u. dgl. Das steuerpflichtige Eigentum betrug 1900: 402,514,000, die städtische Schuld 20,625,587 Doll. An Bildungsanstalten besitzt die Stadt eine von I. Hopkins gegründete Universität mit (1900) 131 Lehrern und 645 Studierenden, die Pratt Free Library (200,000 Bände), medizinische und Rechtsschulen, ein Lehrerseminar, zwei katholische Colleges (Loyola und St. Mary's), ein methodistisches Frauencollege. Das Athenäum enthält 2 Bibliotheken (75,000 Bände), ein historisches Museum und Kunstausstellungsräume, Sammlungen. Das namentlich der Entwickelung der Kunstgewerbe gewidmete Maryland Institute besitzt eine Bibliothek, Zeichenschule und Laboratorien; das Peabody Institute eine Bibliothek von 131,000 Bänden, eine Musikakademie u. a.; die Akademie der Wissenschaften, ein naturhistorisches Museum. Für Unterhaltung sorgen 2 große und 5 kleine Theater, mehrere Konzerthallen und Klubs. Den zahlreichen Deutschen dienen der Germania-Klub, das Concordia-Theater und die Turnhalle. Im N. liegt der 275 Hektar große Druid Hill Park mit schönem Wasserbecken, im NO. der noch umfangreichere Cliftonpark, während der kleinere Patersonpark (80 Hektar) mit schöner Aussicht über Stadt und Hafen bereits von Häusermassen umklammert wird. – An der Stelle des heutigen B. wurde 1682 das erste Haus errichtet. 1726 standen nur einige Blockhäuser. 1729 beschloß die Legislatur der Provinz Maryland die Anlage der nach Lord Baltimore (s. d.) benannten Stadt, und 1775 zählte dieselbe 564 Häuser. Im Dezember 1776 versammelte sich der Kongreß der »vereinigten Kolonien« in B.; 1780 wurde es Zollstätte, 1797 wählte man die erste Stadtbehörde. 1793 erhielt B. einen starken Zuwachs durch 3000 aus Haïti geflüchtete Franzosen. 1831 ward das erste katholische Konzil in der Neuen Welt hier gehalten. Sehr viel trug zur raschen Entwickelung der Stadt die starke deutsche Einwanderung bei. Vgl. Hollander, The financial history of B. (Baltimore 1899).
2) Irisches Fischerdorf, s. Clear.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.