- Quedlinburg [2]
Quedlinburg, Kreisstadt im preuß. Regbez. Magdeburg, an der Bode, Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Wegeleben-Thale und Q.-Frose, 121 m ü. M., ist zum Teil von betürmten Mauern umgeben und besteht aus der Alt- und der Neustadt mit 4 Vorstädten.
Auf einem Felsen in der Vorstadt Westendorf erhebt sich das Schloß, einst Sitz gefürsteter Äbtissinnen, die schöne, restaurierte romanische Schloßkirche (1129 geweiht) mit den Grabmälern des deutschen Königs Heinrich I. und seiner Gemahlin Mathilde sowie dem Sarge der Gräfin Aurora von Königsmark in einem Grabgewölbe und interessanten Merkwürdigkeiten in der Sakristei (»Zitter«) enthaltend. Außer der Schloßkirche hat Q. noch 6 evang. Kirchen (darunter die Marktkirche mit schönem Schnitzwerk), eine kath. Kirche und eine Synagoge. Bemerkenswert ist auch das alte Rathaus mit vielen Altertümern, interessanten Gemälden und einer Rolandsstatue. In der Nähe des Bahnhofs erhebt sich das schöne Kriegerdenkmal »Reiter von Marsla-Tour«, auf dem Mummentalplatze das des Turnvaters und Pädagogen Guts Muths, beide modelliert von Anders. Die Zahl der Einwohner beläuft sich (1905) mit der Garnison (eine Eskadron Kürassiere Nr. 7) auf 24,798 Seelen, davon 1313 Katholiken und 112 Juden, die Draht-, Blechwaren-, Armaturen-, Anilinfarben-, Nudel- und Mehlwaren- und Maschinenfabrikation, Tuch- und Wollzeugweberei, Glasmalerei, Kunstglaserei etc. betreiben. Außerdem besitzt die Stadt ein Elektrizitätswerk. Von besonderer Bedeutung sind Gartenbau, Blumenzucht und Samenhandel. Die weltberühmte Gärtnerei der Gebrüder Dippe bebaut allein in Q. und Umgegend über 12,000 Morgen Land und beschäftigt gegen 2000 Personen. Q. hat ein Gymnasium (mit der ehemaligen Stiftsbibliothek), eine Oberreal-, eine landwirtschaftliche Winter- und eine Präparandenschule, ein Waisenhaus, entstädtisches Museum mit Rüstungen, Waffen, Münzen, Urkunden u. dgl., mehrere Hospitäler etc. und ist Sitz eines Amtsgerichts und einer Reichsbanknebenstelle. Die städtischen Behörden zählen 12 Magistratsmitglieder und 30 Stadtverordnete. Im SW. der Stadt das Brühlwäldchen mit einer Büste Klopstocks und dem Denkmal des Geographen Karl Ritter, die beide in Q. geboren wurden, sowie ein Denkmal des frühern Oberbürgermeisters Brecht, darüber die Altenburg mit Anlagen und einem Aussichtsturm; im W. der Münzenberg, wo das ehemalige Marienkloster stand, im SO. nahe dem Bahnhofe der Bismarckturm, weiter die Seewecker Berge mit einer Gipsmühle und der Gersdorfer Burg. Zwischen Q. und dem westlich davon liegenden Dorfe Westerhausen findet alljährlich im Sommer ein großes Pferderennen statt. – Die Stadt Q. ist aus der uralten Siedelung Quitlingen entstanden, die Kaiser Heinrich I. gegen die Magyaren befestigte. Die Burg wird seit 922 genannt. Bis ins 13. Jahrh. haben die deutschen Könige häufig hier geweilt. In den Kämpfen zwischen den Grafen von Regenstein (s. d.) und den Bischöfen von Halberstadt, die sich in der ersten Hälfte des 14. Jahrh. um die Vorherrschaft im Harzgau stritten, stellte sich Q. auf die Seite der letztern. Im Anfang des 15. Jahrh. stand die Stadt dem Stifte gegenüber fast selbständig da, mußte aber 1477 die Oberhoheit Kursachsens anerkennen. Auf der Synode zu Q. 1085 ward der Bann gegen Heinrich IV. erneuert, 1207 kamen hier die Gegenkönige Philipp und Otto IV. zusammen, beim Religionsgespräch 1583 stritten sich die pfälzisch-sächsisch-brandenburgischen mit den braunschweigischen Theologen über die Abendmahlslehre. Bemerkenswerte Kunstdenkmäler sind die Wipertikrypta, die ehemalige kleine Hofkirche in der Pfalz der sächsischen Ludolfinger, ein Bau aus Heinrichs I. Zeiten, und die romanische Servatiikirche (Schloßkirche), auf hohem Sandsteinfelsen gelegen, mit kostbaren Kunstschätzen des Mittelalters. Vgl. »Urkundenbuch der Stadt Q.«, herausgegeben von Janicke (Halle 1873–82, 2 Tle.); Ranke und Kugler, Beschreibung und Geschichte der Schloßkirche zu Q. (Berl. 1838); Hase und v. Quast, Die Gräber in der Schloßkirche zu Q. (Quedlinb. 1877); Lorenz, Alt-Quedlinburg 1485–1698 (Halle 1900); Huchs »Führer durch Q.« (Quedlinb.).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.