Privatbeamtenversicherung

Privatbeamtenversicherung

Privatbeamtenversicherung, die Versicherung der in privaten Diensten stehenden Beamten (Kaufleute, Redakteure, Apotheker, Fabrikbeamte etc.) gegen die wirtschaftlichen Nachteile von Alter und Invalidität, bez. gegen die im Falle ihres Todes ihren Hinterbliebenen drohenden Gefahren. Die P. soll in erster Linie Pensions- und Hinterbliebenenversicherung sein. Während das Bedürfnis nach einer solchen Versicherung sich schon seit längerer Zeit im Kreise der Beteiligten, namentlich in Deutschland und Österreich, lebhaft geltend gemacht und bei der großen und stets wachsenden Zahl der Privatbeamten (in Deutschland ca. 1 Mill.) zu einer starken Bewegung geführt hat, ist bisher ein geeigneter Weg zu dessen Befriedigung nicht gefunden worden. Der staatlichen Invalidenversicherung unterliegen im Deutschen Reich Privatbeamte nur, wenn sie kein größeres Einkommen als 2000 Mk. haben; höher Besoldete können sich zwar freiwillig versichern, aber was die staatliche Versicherung gewährt, entspricht nicht den Anforderungen des Privatbeamtenstandes, und unter allen Umständen wird der Mangel der Witwen- und Waisenversorgung schwer empfunden. So sind die Privatbeamten bisher größtenteils auf die private Versicherung und Versorgungskassen angewiesen, die aber ihren Wünschen nicht genügen. Zweifellos hat das Beispiel der staatlichen Arbeiterversicherung bei den Privatbeamten das Verlangen nach einer öffentlichrechtlichen Zwangsversicherung entstehen lassen. Über deren Einrichtung gehen aber die Meinungen auseinander. Die einen wollen eine staatliche Zwangsversicherung mit Staatszuschuß, die andern wollen eine solche Anstalt ohne Staatszuschuß, jedoch mit Zwangsleistungen der Angestellten und der Arbeitgeber, wieder andre treten für eine allgemeine Volksversicherung, deren Kosten durch eine allgemeine Steuer aufgebracht werden sollen, ein, während eine letzte Gruppe einen zweckentsprechenden Ausbau der staatlichen Invalidenversicherung für ausreichend hält. Alle diese Vorschläge stoßen aber auf so große Schwierigkeiten, daß deren Ausführung in nächster Zeit nicht zu erwarten steht. Etwas weiter ist die Frage in Österreich gediehen, wo die Regierung sich für die Zwangsversicherung entschieden und mehrere Gesetzentwürfe dem Abgeordnetenhaus vorgelegt hat. Nach dem dermalen letzten sollen versicherungspflichtig sein alle in privaten Diensten Angestellten mit Beamtencharakter vom vollendeten 18. Lebensjahr an, die bei ein und demselben Dienstgeber mindestens 600 Kronen jährlich beziehen. Doch kann die Versicherungspflicht auch bei privaten Instituten, die den gesetzlichen Anforderungen genügen, erfüllt werden. Es soll eine Invaliden-, eine Alters- und eine Witwenrente sowie ein Kindererziehungsbeitrag gewährt werden. Die Beiträge sind verschieden nach sechs Gehaltsklassen; die Invalidenrente wechselt nach Gehaltsklasse und Dauer der Zugehörigkeit zur Versicherung, die Altersrente, gleichfalls verschieden nach Gehaltsklassen, kann nach Ablauf von 480 Beitragsmonaten bezogen werden. Die Witwenrente soll die Hälfte der Invalidenrente des Ehegatten zur Zeit seines Ablebens, bez. der bis zu diesem Zeitpunkt erworbenen Anwartschaft auf eine solche betragen. Die Prämien sind vom Dienstgeber und Versicherten gemeinsam (2/3:1/3) zu tragen; bei mehr als 7200 Kronen Einkommen fallen sie ganz dem Versicherten zur Last. Die für die Privatbeamten sehr wichtige Versicherung gegen Stellenlosigkeit wird zwar viel erörtert, ist aber erst sehr vereinzelt ernsthaft in Angriff genommen worden (vgl. Arbeitslosenversicherung).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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