Phrygĭen

Phrygĭen

Phrygĭen, im Altertum Landschaft Kleinasiens, umfaßte ursprünglich das ganze Innere der Westhälfte der Halbinsel, vom mittlern Halys (Kyzyl Irmak) im O. bis zum Quellgebiete des Hermos (Groß-P.) sowie die später zu Mysien gerechnete Südküste der Propontis bis zum Hellespont (Klein-P. oder P. am Hellespont, s. Karte »Alt-Griechenland«) und wurde später, nachdem der Nordosten 278 v. Chr. von den Galatern erobert worden und im SO. viel Land um Ikonion an Lykaonien verloren gegangen war, von Bithynien, Mysien, Lydien, Karien, Pisidien, Lykaonien und Galatien begrenzt. P. ist vorwiegend Hochebene mit teilweise tief eingeschnittenen, engen Flußtälern und vereinzelten, meist nicht hohen Gebirgen (darunter der Dindymos, jetzt Murad Dagh); Hauptflüsse sind: Hermos und Mäander im W., der Thymbres (Pursak) im NO; im S. mehrere große Salzseen. Als die bedeutendsten Städte sind anzuführen im Gebiete des Mäander: Kelänä, Residenz der einheimischen Könige, dabei Apameia Kibotos, Kolossä, Laodikeia und Hierapolis; im N: Doryläon, Kotyäon, und im O. das schlachtenberühmte Ipsos. P. war reich an allerlei Produkten der Natur und des Ackerbaues. Den Goldreichtum bezeugt die dort einheimische Midassage; Marmor wurde besonders bei Synnada gebrochen, und vor allem berühmt waren die Schafe und ihre Wolle. Das Volk der Phryger ist in seine Sitze wahrscheinlich von O. her durch Armenien und Kappadokien eingewandert (Ramsay u.a. lassen sie nach Herodot und Strabon von Europa her einwandern). Schon Herodot hebt ihre Verwandtschaft mit den Armeniern hervor, und daß beide Völker verwandt und arischen Stammes sind, haben die neuern Forschungen bewiesen. Einzelne Teile der Phryger (hier Bryger genannt) drangen in vorhistorischer Zeit bis in die Balkanhalbinsel vor. Aber ihre weite Verbreitung erfuhr von vielen Seiten Einschränkung: Lydier und Karier vergrößerten ihr Gebiet auf Kosten der Phryger, während im NW. Thraker über den Hellespont in ursprünglich phrygisches Gebiet eindrangen. Ihr nationaler Staat wurde um 675 durch die Kimmerier gestürzt. Mitte des 6. Jahrh. unterwarf der Lydier Krösos das Land bis an den Halys, verlor es aber 546 mit seinem ganzen Reich an die Perser. Dann wurde es von Alexander d. Gr. erobert, war nach dessen Tod im wechselnden Besitz seiner Feldherren, ward 189 der pergamenischen Dynastie und 103 v. Chr. den Römern untertan. Die Phryger erscheinen als ein sehr friedliebendes, gegen fremde Eindrücke fast widerstandsloses Volk. Ein wunderlicher, mystisch-phantastischer Grundzug geht durch ihr Wesen und unterscheidet sie unverkennbar von den Hellenen. Der Ackerbau erscheint als ihre Hauptbeschäftigung; auch der Handel muß frühzeitig bei ihnen geblüht haben. Die Blütezeit ihrer Kunst fällt in das 9. und 8. Jahrh. Sticken und Teppichweben, Acker-, Wein- und Bergbau und deren Geräte, besonders der Wagen, galten für phrygische Erfindungen. Das schlagendste Zeugnis von ihrer Kultur aber gaben ihre wohlgebauten Städte, deren schon Homer erwähnt. Vitruvs Angabe, daß die Phryger die Felshügel aushöhlten und die Räume zu Wohnungen erweiterten, erhielt durch die Entdeckungen neuerer Reisenden (Hamilton, Texier, H. Barth etc.) Bestätigung. Was ihre Religion anlangt, so war deren Einwirkung auf die hellenische bedeutend. Manche dunkle griechische Mythen sind offenbar phrygischen Ursprungs. Als eigentliche Landesgottheiten sind der Men oder Manes, Kybele (s. d.) und, ihr zur Seite stehend, Attis (s. d.) anzusehen, denen ein orgiastischer Kultus mit wildem Lärm gewidmet war. Vgl. Ramsay, The cities and bishoprics of Phrygia I. (Lond. 1895–97); Reber, Die phrygischen Felsendenkmäler (München 1897).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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