Massenernährung

Massenernährung

Massenernährung, die Verpflegung einer großen Anzahl von Individuen, die unter gleichartigen Verhältnissen leben, von einer Zentralstelle aus und nach einheitlichen Grundsätzen. Die M. hat durch vorteilhaften Einkauf und rationelle Zubereitung der Nahrungsmittel im großen möglichste Billigkeit der Nahrung anzustreben und unter strengster Beachtung der allgemeinen diätetischen Regeln durch sorgsame theoretische Erwägungen und praktische Beobachtungen die Kost den besondern Bedürfnissen der betreffenden Kostgänger anzupassen. In Waisenhäusern ist besonderes Gewicht auf die Güte der Nahrung zu legen, denn bei den in der Entwickelung begriffenen Kindern handelt es sich sehr häufig darum, eine ererbte oder durch Verwahrlosung erworbene Disposition zur Lungenschwindsucht und zur Konstitutionsschwäche zu bekämpfen und den Organismus durch zweckmäßige Kost erstarken zu lassen. In der Hauptsache ist für eine ausreichende Menge von Eiweißstoffen und Fett zu sorgen; von erstern sind mindestens 40 bis 50, von Fett 35–45 g für den Kopf und Tag zu verabreichen. In Besserungsanstalten und Gefängnissen für jugendliche Individuen, die der freien Bewegung in frischer Luft entzogen sind, muß das Maß der Nährstoffe das normale übertreffen; es sind 0,75 der für Erwachsene festgesetzten Mengen zu fordern, mithin für 12–18jährige männliche Gefangene 90 g Eiweiß, 42 g Fett, 375 g Kohlehydrate, für weibliche desselben Alters 82 g Eiweiß, 40 g Fett und 330 g Kohlehydrate. Arbeiten die Korrigenden auf dem Felde und in Gärten, dann kann die Menge von Eiweiß und Fett etwas herabgemindert werden. Stets aber sollte hier, wie namentlich auch in den Waisenhäusern, täglich ein erheblicher Teil des Eiweißbedarfs durch tierische Nahrungsmittel gedeckt werden (täglich mindestens 0,25–0,5 Lit. Milch, wöchentlich 3–4mal 125 g Fleisch). Über die Beköstigung Erwachsener in Gefängnissen s. Gefängnishygiene. In den Armenhäusern werden am besten die Siechen von den Arbeitsfähigen getrennt und besonders beköstigt. Die Verdauungsorgane der erstern vermögen in der Regel nur leichte Kost zu bewältigen, und ihre Diät muß sich nahezu der Krankendiät anschließen; weiches Fleisch, Milch, Milchsuppen, Kartoffeln, Reis, Weißbrot, Kaffee oder ein Getränk aus geröstetem Getreide, leichtes Bier eignen sich am besten zur Beköstigung. Die arbeitsfähigen Insassen der Armenhäuser wird man nach den Normen der Volksküchen beköstigen können. Beim Militär handelt es sich meist um Personen von 20–25 Jahren, die wegen des regen Stoffwechsels recht große Anforderungen an die Nahrungsmenge stellen, und daß diese Personen bei voller Spannkraft erhalten, ihre Körper für die Überwindung von Strapazen gestählt werden müssen. Mit Rücksicht auf die wechselnde Größe der letztern unterscheidet man in der deutschen Armee vier Normalportionen auf den Tag und Kopf:

Tabelle

Diese Portionen enthalten zu wenig Eiweiß, namentlich aber zu wenig Fett. Die Friedensportion sollte mindestens 60, die Kriegsportion mindestens 100 g Fett enthalten. Der Billigkeit halber besteht die Soldatenkost vorwiegend aus Vegetabilien. Diese sind aber voluminöser als die tierischen Nahrungsmittel, sie stellen höhere Anforderungen an den Verdauungsapparat, beschweren den Unterleib und setzen die Elastizität und Leistungsfähigkeit des Mannes herab. Die kleine deutsche Friedensportion enthält 150 g Fleisch, die große 250, die kleine Kriegsportion 375, die große 500 g Fleisch. Unter den Vegetabilien nimmt das Brot die erste Stelle ein. Das zulässige tägliche Maximalquantum beträgt 750 g (bei den Engländern 680, Franzosen 1000, Österreichern 875, Italienern 918, Russen 1228 g). Gewöhnlich essen die Soldaten das »Kommißbrot« im ersten Jahre gern, im zweiten verkaufen sie es, um sich feineres Roggen- und Weizenbrot zu verschaffen. Bei anstrengenden Märschen wird Kaffee verteilt, der nie verfehlt, eine belebende Wirkung hervorzubringen. Auch das Rauchen ist gestattet, und in Feindesland enthält die große Kriegsportion für den Mann und Tag 50 g Tabak. Dagegen ist bei den meisten Truppen das Mitnehmen von Spirituosen auf Märschen streng untersagt. Eine bedeutende Rolle spielen jetzt auch die Konserven, namentlich Büchsenfleisch, Rauchfleisch, Schinken, Speck, Salzfleisch, Wurst, Fleischmehl, Fleischextrakt, kondensierte Milch, kondensierte Leguminosensuppen, Suppentafeln, Erbswurst, Kaffeekonserven etc. Sie eignen sich zur Zusammensetzung des sogen. eisernen Bestandes, der für den Soldaten die Nahrung bildet, die er in bestimmten Fällen auf einige Tage mitzunehmen hat. Sehr schwierig ist die Ernährung der Schiffsmannschaft wegen der eigenartigen Verhältnisse, unter denen diese lebt. Vor allem ist so oft wie möglich frisches Fleisch und Gemüse zu reichen. Durch die Befolgung dieses Grundsatzes ist in neuerer Zeit der Skorbut auf den Schiffen erfolgreich bekämpft worden. Das Kostmaß muß demjenigen schwer arbeitender Männer entsprechen. Die hamburgische Verordnung fordert 140 g Eiweiß und 85 g Fett als Minimum, die deutsche Kriegsmarine schreibt 150 g Eiweiß und 80 g Fett vor. Die Zwischendeckspassagiere müssen als Minimalquantum diejenige Nahrungsmenge erhalten, die für den ruhenden Arbeiter zu fordern ist, die weiblichen Passagiere 0,8 dieser Portion. S. Ernährung und Kost. Vgl. Meinert, Armee- und Volksernährung (Berl. 1880) und Über M. (das. 1885).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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