- Konkurrenz der Verbrechen
Konkurrenz der Verbrechen (Concursus delictorum, reale K.) ist dann vorhanden, wenn mehrere Verbrechen von einer und derselben Person durch verschiedene selbständige Handlungen begangen wurden, mögen diese Verbrechen unter sich gleichartig sein (mehrere Diebstähle) oder nicht (Diebstahl und Mord). Wie der Täter in diesem Falle zu behandeln sei, darüber gehen die Ansichten in Wissenschaft wie Gesetzgebung weit auseinander. Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch hat die Frage in folgender Weise gelöst (§ 74 ff.); 1) Sind durch verschiedene strafbare Handlungen an und für sich mehrere Freiheitsstrafen, und zwar zeitige Freiheitsstrafen, verwirkt, so ist auf eine Gesamtstrafe zu erkennen, die in Erhöhung der verwirkten schwersten Strafe besteht (Schärfungsprinzip). Treffen ungleichartige Strafen, also z. B. Zuchthausstrafe und Gefängnis, zusammen, so tritt jene Erhöhung bei der ihrer Art nach schwersten Strafe ein. Die Gesamtstrafe soll jedoch den Betrag der verwirkten Einzelstrafen nicht erreichen und 15jähriges Zuchthaus, 10jähriges Gefängnis oder 15jährige Festungshaft nicht übersteigen. Man pflegt in der Praxis in solchen Fällen die schwerste Strafe, die verwirkt ist, als sogen. Einsatzstrafe zugrunde zu legen, wirft dann die weitern an und für sich verwirkten Freiheitsstrafen aus, reduziert dieselben in angemessener Weise und erhält durch Zusammenrechnung die zu erkennende Gesamtstrafe. 2) Beim Zusammentreffen der Festungshaft mit Gefängnis ist auf jede dieser Strafarten, ebenso wenn Hast mit andern Freiheitsstrafen zusammentrifft, auf erstere abgesondert zu erkennen. 3) Sind mehrere Haftstrafen verwirkt, oder sind mehrere Geldstrafen ausgesprochen, so werden dieselben einfach zusammengerechnet (Kumulationsprinzip); doch soll der Gesamtbetrag der Hast alsdann drei Monate nicht übersteigen. 4) Beim Zusammentreffen andrer Strafen mit der Todesstrafe oder mit lebenslänglichem Zuchthaus werden in der deutschen Praxis die erstern neben letztern verhängt. In derselben Weise ist nach § 79 des deutschen Strafgesetzbuches auch zu verfahren, wenn die Verurteilung wegen einer strafbaren Handlung erfolgt, nachdem bereits wegen eines anderweiten Verbrechens auf eine andre Strafe zuvor erkannt und diese noch nicht verbüßt, verjährt oder erlassen worden ist. Es kommt dann zu einer sogen. Zusatzstrafe, die nach ebendenselben Grundsätzen wie die Gesamtstrafe zu bemessen ist. Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden, und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe außer Betracht geblieben, so sind durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung die erkannten Strafen auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen (deutsche Strafprozeßordnung, § 492). In Österreich kommt bei realer K. die auf das schwerste Delikt gesetzte Strafe mit entsprechender Erhöhung zur Anwendung, doch werden Geldstrafen, so auch Verluste von Gerätschaften etc. kumulativ verhängt. Die K. ist zu unterscheiden: 1) vom Rückfall (s. d.), der eine wenigstens teilweise Verbüßung der wegen des frühern Delikts erkannten Strafe vor Verübung des neuen voraussetzt; 2) von der sogen. idealen, ideellen oder scheinbaren K., die dann vorliegt, wenn durch eine und dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze verletzt werden (z. B. Beischlaf mit der verheirateten Schwester: Blutschande und Ehebruch); hier kommt nach § 73 des Strafgesetzbuches nur dasjenige Gesetz, das die schwerste Strafe, bez. Strafart androht, zur Anwendung; 3) von dem fortgesetzten Verbrechen (s. d.), das als Ein Verbrechen mit einer Strafe belegt wird; 4) von dem concursus ad delictum oder der Teilnahme (s. d.) mehrerer Personen an demselben Verbrechen. Vgl. Heinemann, Die Lehre von der Idealkonkurrenz (Berl. 1893); Wachenfeld, Theorie der Verbrechenskonkurrenz (das. 1893); Schreuer, Die Behandlung der Verbrechenskonkurrenz in den Volksrechten (Bresl. 1896). Die französische und belgische Strafrechtswissenschaft kennt noch eine Komplexität und eine Konnexität von strafbaren Handlungen (délit complexe und connexe) in je mehrfacher Bedeutung; unter die erstere rechnet sie besonders die Fälle stückweiser oder fortgesetzter Verübung, unter die letztere den Fall eines innern Zusammenhanges zwischen realkonkurrierenden Verbrechen.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.