Teilnahme am Verbrechen

Teilnahme am Verbrechen

Teilnahme am Verbrechen (Mitschuld, Concursus ad delictum, Concursus plurium delinquentium), die Beteiligung mehrerer Personen an einer strafbaren Handlung, und zwar spricht man von einer notwendigen T., wenn zu dem Begriff eines Verbrechens, z. B. zu dem Verbrechen des Aufruhrs, das Vorhandensein mehrerer Täter (Mitschuldige, Komplizen) erforderlich ist, während eine freiwillige T. vorliegt, wenn ein Verbrechen, z. B. ein Diebstahl, von mehreren gemeinschaftlich begangen wird, das auch von einer einzelnen Person verübt werden kann. Komplott (s. d.) und Bande (s. d.) sind keine Arten der T., sondern stellen, soweit sie überhaupt strafbar sind, selbständige Delikte dar. Dasselbe gilt von der Begünstigung (s. d.), weil es sich dabei um einen nachträglichen Beistand handelt. Nur wenn die Begünstigung vor Begehung der Tat zugesagt war, soll sie als Beihilfe bestraft werden. Als Arten der T. werden in dem deutschen Strafgesetzbuch Mittäter, Anstifter und Gehilfen unterschieden. Mittäter sind diejenigen, die ein Verbrechen gemeinschaftlich ausführen. Wird dagegen die verbrecherische Tat von einer Person (dem physischen Urheber) ausgeführt, die hierzu von einer andern durch Geschenke oder Versprechen, durch Drohung, durch Mißbrauch des Ansehens oder der Gewalt, durch absichtliche Herbeiführung oder Beförderung eines Irrtums oder durch andre Mittel vorsätzlich bestimmt worden war, so erscheint die letztere als Anstifter. Hat dagegen der Teilnehmer dem Täter nur wissentlich durch Rat oder Tat Beihilfe geleistet, so wird er als Gehilfe bestraft, und zwar kennt das deutsche Strafgesetzbuch eine strafbare Beihilfe nur bei eigentlichen Verbrechen und Vergehen, nicht auch bei bloßen Übertretungen. Von den Mittätern wird jeder als Täter bestraft (§ 47); ebenso wird der Anstifter gleich dem Täter bestraft (§ 48). Die Strafe des Gehilfen dagegen ist geringer als diejenige des Täters; sie soll sich nach den Grundsätzen des Versuchs richten und diesen entsprechend ermäßigt werden (§ 49). Sehr bestritten ist die Abgrenzung der Beihilfe von der Mittäterschaft. Während die Wissenschaft überwiegend nur denjenigen als Täter bestrafen will, der an der eigentlichen Ausführungshandlung teilgenommen hat (also nicht z. B. den, der bei einem Einbruchsdiebstahl Wache stand), begnügt sich das Reichsgericht, um Täterschaft anzunehmen, auch mit einer ganz untergeordneten Tätigkeit, wenn nur der Schuldige »die Tat als die seinige gewollt«, den »Täterwillen« (animus auctoris) gehabt hat, im Gegensatz zum Hilfswillen (animus socii), der den Gehilfen charakterisiert. Nach der Auffassung des geltenden deutschen Rechts tritt die Teilnahme in ihren beiden Formen, der Anstiftung und der Beihilfe (anders verhält es sich mit der Mittäterschaft), in einen begrifflichen Gegensatz zur Täterschaft (s. d.). Am deutlichsten wird dies bei der Anstiftung (s. Anstifter). Der Anstifter ist nicht mittelbarer Täter, intellektueller Urheber, der selbst den Erfolg herbeiführt, sondern Teilnehmer an der von dem andern begangenen Tat. Diese bestimmt seine Strafbarkeit. Mißlungene Anstiftung ist mithin nicht als Versuch strafbar; Anstiftung zu strafloser Tat (z. B. zum Selbstmord) bleibt straflos; der Nichtsoldat, der einen Soldaten zu einem rein militärischen Verbrechen anstiftet, wird ganz ebenso bestraft wie der Soldat etc. (sogen. akzessorische Natur der T.). Nur nach einer allerdings sehr wichtigen Richtung hin hat das Gesetz (§ 50) die Folgerungen aus diesem Satze verleugnet: persönliche Eigenschaften oder Verhältnisse, welche die Strafbarkeit der Tat lediglich erhöhen oder vermindern, sind nur demjenigen Beteiligten zuzurechnen, bei dem sie vorliegen. Wenn also der uneheliche Vater die Mutter zur Tötung des Neugebornen anstiftet, so kommen nur der Mutter die mildern Strafdrohungen gegen Kindesmord zugute; der Vater haftet wegen Anstiftung zu gemeinem Mord. Analog verhält es sich mit der Beihilfe. – Nach dem österreichischen Strafgesetz sind Mitschuldige (Urheber und Gehilfen) und Teilnehmer zu unterscheiden. Teilnehmer werden aber nicht bloß jene Personen genannt, die sich nur vorläufig mit dem Täter über die nach vollbrachter Tat ihm zu leistende Hilfe und Beistand oder über einen Anteil an Gewinn und Vorteil einverstanden haben (ihre Tätigkeit ist »Teilnahme«), sondern bei den Delikten der Kreditpapier- und Münzverfälschung, des Diebstahls, der Veruntreuung und des Raubes auch solche, zwischen denen und dem Täter kein vorläufiges Einverständnis stattfand (ihre Tätigkeit ist »Teilnehmung«). Während man sich durch »Teilnahme« desselben Verbrechens schuldig macht wie der unmittelbare Täter, begeht man durch »Teilnehmung« ein besonderes Delikt. Außerdem kennt das österreichische Strafgesetz auch noch das Verbrechen der Vorschubleistung (§ 5, 6, 109, 112, 120, 185 und 196). Vgl. Birkmeyer, Die Lehre von der Teilnahme und die Rechtsprechung (Berl. 1890); Heimberger, Die T. in Gesetzgebung und Literatur von Schwarzenberg bis Feuerbach (Freiburg 1896); Freudenthal, Die notwendige T. (Bresl. 1901).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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