- Kasan [1]
Kasan (tatar., »Kessel«), russ. Gouvernement, das nördlich an das Gouv. Wjatka, östlich an Ufa. südlich an Simbirsk und Samara, westlich an Nishnij Nowgorod grenzt, mit einem Flächenraum von 63,716 qkm (1157 QM.). Das Land, dem mittlern Wolgagebiet angehörig, wird von der Wolga und deren Zuflüssen Swijaga, Kama, Kasanka, Wjatka (auf der Ostgrenze) etc. bewässert und ist von welliger Beschaffenheit. Rechts von der Wolga erhebt sich das Land zu 90–150 m, links ist es von unabsehbaren Wiesen und Morästen erfüllt; in der Nähe der Stadt K. steigt es zu einem wirklichen Hügelland an, dessen Höhen fast 200 m erreichen. Von Mineralien finden sich etwas Lehm, Sandstein, Gips, Kupfer, doch werden die Fundstätten nicht ausgebeutet; ferner einige Mineralquellen. In landwirtschaftlicher Hinsicht gehört K. teilweise zum Schwarzerdegebiet. Das Areal besteht aus 49 Proz. Ackerland, 9,05 Proz. Wiesen, 35 Proz. Wald und 5,05 Proz. Unland. Das Klima ist kontinental; die mittlere Jahrestemperatur beträgt+3,2°, die Niederschlagsmenge 411,8 mm. Die Bevölkerung, (1897) 2,191,058 Seelen (34 auf 1 qkm), besteht aus Großrussen und Tataren. Der Religion nach gab es 1897: 69,4 Proz. Griechisch-Orthodoxe, 28,8 Proz. Mohammedaner, etwa 1 Proz. Sektierer. Der Acker- und Gartenbau ist die Hauptbeschäftigung der Bevölkerung. Die Ernte ergab 1902: 30,200 Ton. Weizen, 597,000 T. Roggen, 346,300 T. Hafer, 35,900 T. Gerste und 129,200 T. Kartoffeln. Daneben werden in größerer Menge Flachs und Hanf angebaut. Der Viehstand beläuft sich auf etwa 506,000 Pferde, 443,500 Stück Hornvieh, 1,056,500 gewöhnliche, 4000 feinwollige Schafe. Der Fischfang ist ergiebig. Von Wichtigkeit ist die Forstwirtschaft, die viel schönes Schiffbauholz liefert, und die Verwertung der Forstprodukte. An Fabriken und industriellen Anstalten bestehen 159 mit 8787 Arbeitern und ca. 16 Mill. Rubel Produktionswert. Es wird insbes. Getreidemüllerei, Branntweinbrennerei, Destillation, Talg-, Stearin-, Seife- und Lederfabrikation getrieben; auch gibt es mechanische Werkstätten, Gießereien, Seilereien, Wachs- und Mattenfabriken u. a. Eingeteilt ist das Gouvernement in zwölf Kreise: Jadrin, K., Kosmodemjansk, Laischew, Mamadysch, Spask, Swijashsk, Tetjuschi, Tscheboksary, Tschistopol, Zarewokokschaisk und Ziwilsk.
Das Reich K. wurde bis zum 13. Jahrh. von den Bulgaren bewohnt, die als Grenznachbarn mit den Russen in viele Streitigkeiten gerieten, wovon die Kriegszüge Wladimirs des Heiligen (988) gegen die Bulgaren, des Georgi Wladimirowitsch (1123) und spätere (1166, 1171 und 1183) zeugen. Von den mehr als 30 Städten aus jener Zeit ist jetzt nichts mehr vorhanden außer einigen Ruinen der Stadt Bolgar (s. Bolgary) u. a. Dafür sind in neuester Zeit viele alte Münzen gefunden worden, namentlich aus den Jahren 789–913 und aus dem 12.–14. Jahrh. Um 1438 gründete Ulu Machmet auf den Trümmern des alten Bulgarien das Zarenreich K., das jedoch bald (1467) in Kriege mit Rußland geriet und 1552 von Iwan Wasiljewitsch erobert wurde. S. die Geschichtskarten zum Artikel »Russisches Reich«.
Die Kasanschen Tataren haben sich im Laufe der Jahrhunderte zu einer ganz besondern Rasse ausgebildet und durch Mischung sowie Zusammenleben mit finnischen Stämmen und Russen viel von ihrem eigentlichen mongolischen Typus verloren. Sie sind aufgeweckt, nüchtern, arbeitsam, gastfrei, dabei aber ehrgeizig und die Reichen sehr stolz. Fast jeder kann lesen und schreiben; allgemein unter ihnen ist die Kenntnis orientalischer Sprachen verbreitet, namentlich des Arabischen. Ihre Lieblingsbeschäftigung ist der Handel, der sie nicht allein durch das ganze russische Reich, sondern auch durch Chiwa, Bochara und Persien führt, um ihre Waren im Kleinhandel unterzubringen. Religion ist der Islam; in Vielweiberei leben aber nur die Reichen.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.