Karadžić

Karadžić

Karadžić (spr. karádschitch), Vuk Stefanović, der Begründer der neuserbischen Schriftsprache und Literatur, geb. 7. Nov. 1787 in Trschitsch an der Drina im damals noch türkischen Serbien aus einer herzegowinischen Familie, gest. 7. Febr. 1864 in Wien. Obschon es in seinem Geburtsort an allen Bildungsmitteln fehlte, überwand doch der starke Wissensdrang des Knaben alle Hindernisse: aus einer altslawischen Bibel lernte er beim Hüten der Herde lesen, aus Schilf schnitzte er sich Federn, und aus Schießpulver bereitete er sich Tinte. Dabei sammelte er fleißig die Lieder, Sprichwörter und Erzählungen, die im Munde des Volkes lebten. Nachdem sich K. an dem serbischen Aufstand gegen die Türken 1804 beteiligt, begab er sich nach dessen Unterdrückung nach Karlowitz in Österreich und besuchte die dortige Schule, wo er Lateinisch und Deutsch lernte. Hierauf nahm er an einem neuen Aufstand gegen die Türken als Sekretär des serbischen Führers Nenadović teil, wurde Geheimsekretär des Senats in Belgrad und mit wichtigen politischen Missionen betraut. Als aber 1813 die Türken wieder das Übergewicht erlangten und der Held Karadjordje nach Österreich fliehen mußte, begab sich K. gegen Ende 1813 nach Wien. Hier wurde er von dem Slawisten Kopitar, der seine ausgezeichnete Begabung für Auffassung von Volksart und Volkssprache erkannte, bewogen, sich ausschließlich literarischen Arbeiten zu widmen. Die damalige serbische Schriftsprache war Kirchenslawisch (s. d.), vermischt mit serbischen Bestandteilen; K.' Bestreben war daher, die reine Volkssprache der Serben mit einfacher, verständlicher Orthographie an die Stelle jener zu setzen und zur Schriftsprache zu erheben. Zu diesem Zweck unermüdlich tätig, veröffentlichte er zunächst eine kleine Sammlung von Liedern in der serbischen Volkssprache (»Mala prostonarodna slaveno-srbska pesmarica«, Wien 1814), der er den ersten Versuch einer serbischen GrammatikPismenica srbskogajezika«, das. 1814) und sein serbisches WörterbuchSrbski rječnik«, mit lateinischer und deutscher Übersetzung der Wörter und vielen ethnologisch-historischen Erklärungen, das. 1818; 2. vermehrte Aufl. 1852; 3. Aufl., Belgrad 1898) folgen ließ. Als Einleitung war dem letztern Werk eine neue Bearbeitung seiner Grammatik beigegeben, die Jakob Grimm 1824 ins Deutsche übersetzte. Am meisten erregte er die allgemeine Aufmerksamkeit, auch des Auslandes, durch seine musterhafte Sammlung serbischer Volkslieder: »Srpske narodne pjesme« (Leipz. u. Wien 1823–33, 4 Bde.; 2. erweiterte Ausg., Wien 1841–65; dazu noch »Srpske pjesme iz Herzegovine«, das. 1866), die in viele fremde Sprachen übersetzt wurde (deutsch von Gerhard, Leipz. 1828, 2 Bde.; 2. Aufl. 1877; von Kapper, das. 1852, 2 Bde.; von Talvj, 2. Aufl., das. 1853, 2 Bde.). Eine neue Ausgabe der Volkslieder erschien in Belgrad 1891–1902 in 9 Bänden. Außerdem gab er für serbische Geschichte und Philologie den Almanach »Danica« (»Morgenstern«, Wien 1826–34, 5 Bde.) sowie »Serbische Volkssprüche« (»Srpske narodne poslovice«, 2. Aufl., das. 1849) und eine Sammlung serbischer Volksmärchen (»Srpske narodne pripovijetke«, das. 1853; 2. Aufl., das. 1870; neue Ausg., Belgrad 1897; deutsch von K.' Tochter Wilhelmine, Berl. 1854), heraus. Im Anschluß hieran (als Bd. 2) erschien 1900 in Belgrad (aus seinem handschriftlichen Nachlaß) »Serbische Sprichwörter« (»Srpske narodne poslovice«) 1828 wurde K. vom Fürsten Milosch von Serbien zur Ausarbeitung eines Gesetzbuches beauftragt, infolgedessen er nach Belgrad übersiedelte; doch konnte er das despotische Wesen des Fürsten auf die Dauer nicht ertragen und kehrte nach zwei Jahren nach Wien zurück. 1834–35 bereiste er Dalmatien und Montenegro (worüber er in dem Werk »Montenegro und die Montenegriner«, 1837, berichtete), 1837–38 Ungarn und Kroatien, später wiederholt Serbien. Von den Akademien der Wissenschaften in Wien, Berlin, Petersburg, Moskau etc. wurde er zum Ehrenmitglied ernannt. Von seinen Schriften ist noch seine mustergültige serbische Übersetzung des Neuen Testaments (Wien 1847) zu erwähnen. Anfangs vielfach angefochten, ist K. mit seinen Reformen jetzt allgemein durchgedrungen. Eine Sammlung seiner grammatischen und polemischen Schriften erscheint in Belgrad seit 1894 (bis jetzt 3 Bde. in 5 Teilen), seiner historischen und ethnographischen Schriften daselbst seit 1898 (bis jetzt 1 Band).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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