Italienische Sprache

Italienische Sprache

Italienische Sprache. Die i. S. gehört zu den romanischen Sprachen. Sie ist aus dem in Italien gesprochenen Latein, das die übrigen dort herrschenden Sprachen verdrängt hatte, hervorgegangen. Das Latein nahm natürlich in verschiedenen Gegenden je nach den vorgefundenen Sprachverhältnissen verschiedene Gestalt an, und so entstand eine Reihe lateinischer Dialekte, deren Entwickelung durch den Untergang des römischen Reiches, durch den Einbruch der Germanen und das Aufhören der lateinischen Schriftsprache sehr gefördert wurde. Aus diesen volkslateinischen Verschiedenheiten entwickelten sich die italienischen Dialekte, von denen der toskanische als Schriftsprache zur Herrschaft gelangt ist. Eine einheitliche italienische Schriftsprache beginnt sich erst am Anfang des 13. Jahrh. auf Sizilien zu entwickeln (lingua vulgaris! volgare! im Gegensatz zum Latein, der lingua grammatica), findet aber ihre Reinigung und Ausbildung erst in Mittelitalien, namentlich in Florenz. Dante unterscheidet in seinem Buche »De vulgari eloquentia« bereits 14 Mundarten. Die Nationalsprache jedoch, das vulgare illustre, aulicum, curiale, cardinale, ist den Gebildeten aller Landesteile gemeinsam, mit keinem Dialekt identisch, über alle erhaben. Dante schied also nicht zwischen Stil und Sprache und verkannte daher die enge Beziehung der Literatursprache zum Toskanischen und besonders Florentinischen. Die jetzigen Dialekte zerfallen in drei Gruppen. Süditalienisch, Mittelitalienisch und Norditalienisch. Zum Süditalienischen gehören 1) Sizilianisch mit a) Palermitanisch, b) Katanesisch, c) Enna und Mitte, d) den Mundarten von Bronte, e) Syrakusisch, f) Noto; 2) Neapolitanisch-Kalabrisch und zwar a) Kalabresisch, b) Neapolitanisch, c) Apulisch, d) Capitanata, e) Abruzzesisch. Zum Mittelitalienischen gehören 1) Römisch, 2) Umbrisch (Umbrien und Marken), 3) Toskanisch. Zum Norditalienischen gehören 1) die gallo-italischen Mundarten, nämlich a) Emilianisch (Romagna, Parma), b) Lombardisch, c) Piemontesisch, d) Ligurisch; 2) Venezianisch. Als besonderes Sprachsystem tritt zu diesen Mundarten das Sardische, welches zerfällt in a) Galluresisch (Norden) mit dem Korsischen, b) Logudoresisch (Mitte), c) Kampidanesisch (Süden). Ascoli faßt im »Archivio glottologico italiano« (Bd. 8, S. 103 ff.) auch die galloitalischen Mundarten als selbständige Sprachart auf. Das Florentinische wurde die Grundlage der Nationalsprache. Dies erklärt sich durch die Stellung von Florenz im 12. und 13. Jahrh. als Mittelpunkt der Kultur, durch seine geographische Lage und durch den Umstand, daß dieser Dialekt im Grunde dem Lateinischen am nächsten steht, besonders aber dadurch, daß Dante, Petrarca und Boccaccio und die übrigen Trecentisten sich seiner bedienten. Im 15. Jahrh. tritt die Vulgärsprache anfangs gegen das Latein zurück, doch schon von der Mitte des Jahrhunderts an schätzt man sie wieder. Besonders in Florenz erhält sie durch Poliziano und Lorenzo de' Medici neuen Glanz. Im 16. Jahrh. nimmt das Italienische wieder die Stellung als Nationalsprache ein, doch das Florentinische verliert die Oberherrschaft, weil die Toskana politisch mehr in den Hintergrund tritt. Die übrigen großen Zentren, Mailand, Venedig, Neapel te., bekommen Einfluß. Die Verteidiger des starren Trecentismus, namentlich die beiden Akademien der Umidi und der Crusca, behalten indessen praktisch Recht. Mit dem 17. Jahrh. macht sich französischer Einfluß geltend, gegen den sich einerseits Gozzi und Alfieri, anderseits die Puristen mit Cesari an der Spitze erheben. Erfolgreiche Gegner der Puristen waren die Romantiker mit Manzoni als Haupt, welche die lebendige Florentiner Sprache wieder als Quelle einer guten Literatursprache hinstellten. Hiergegen wenden sich mit guten Gründen andre, namentlich Ascoli im Proemio zum »Archivio glottologico italiano«, die den übrigen Dialekten Einwirkung gestatten wollen, wo der florentinische Dialekt versagt, etc. Die Sprachfrage ist noch immer nicht entschieden. Außerhalb Italiens spricht man Italienisch auf Korsika, im Kanton Tessin, in Südtirol, Görz, Istrien, an der Küste Dalmatiens und vielfach im Verkehr mit der Levante. Die wichtigsten Sprachinseln in Italien finden sich in Apulien, Kalabrien, Sizilien (Albanesisch, Griechisch), auf Sardinien (Katalanisch), im Udinesischen und der Molise (Slawisch) und im Veronesischen (Deutsch). Über den Ursprung der italienischen Sprache vgl. Morandi, Origine della lingua italiana (7. Aufl., Città di Castello 1894), und Gorra, Lingue neolatine (Mail. 1894). Zur Sprachfrage vgl. Luzzatto, Pro e contro Firenze (Verona-Padua 1894). Über die Sprachinseln siehe die Literatur bei Meyer-Lübke, Italienische Grammatik (Leipz. 1890; ital. Übersetzung, Turin 1901). Über die einzelnen Dialekte vgl. in Gröbers »Grundriß der romanischen Philologie«, Bd. 1, S. 848 ff. (Straßb. 1888). Die wichtigste Zeitschrift für Dialektforschung ist das »Archivio glottologico italiano«, begründet von G. I. Ascoli, jetzt herausgegeben von Salvioni (Mail. 1872 ff.).

[Grammatiken.] Die Italiener beginnen im 16. Jahrh. den grammatischen Bau ihrer Sprache zu betrachten. Beobachtungen über die i. S. sammelte als einer der ersten der Kardinal Bembo in seinem Werk »Prose« (1525), das sich ausschließlich an Petrarca und Boccaccio hält. Als grammatische Arbeiten, die auf die Entwickelung des Italienischen als Bücher- und Literatursprache von Einfluß gewesen, sind zu nennen: Varchis »Ercolano« (Flor. 1570 f.), dessen Zweck war, die Ansprüche der Florentiner Mundart auf Alleinherrschaft zur Geltung zu bringen: Salviatis »Avvertimenti della lingua sopra il Decamerone« (Vened. 1584–86, 2 Bde.); Buommatteis Schrift »Della lingua toscana« (Flor. 1643), die erste ziemlich vollständige, von der Accademia della Crusca adoptierte und mehrmals herausgegebene Grammatik; Cinonios »Osservazioni della lingua italiana« (1. Teil, Forli 1685; 2. Teil, Ferrara 1644; Mail. 1809, 4 Bde.); Bartolis »Il torto e'l diritto del non si può« (Rom 1655). Die erste eigentlich systematische, vollständige und mit gut gewählten Beispielen ausgestattete, aber dem beschränkten Florentinismus huldigende Grammatik bieten Corticellis »Regole ed osservazioni« (Bologna 1745 u. ö.). Schon mehr wissenschaftlich ist Mastrofinis »Teoria e prospetto de' verbi italiani« (Rom 1814, 2 Bde.). Nicht weniger verdienstlich sind die Arbeiten Gherardinis, Antolinis und Nannuccis. Die meisten der neuern, von Italienern bearbeiteten Grammatiken sind unbedeutend, und auch die von Deutschen herrührenden berücksichtigen größtenteils nur das gewöhnliche Bedürfnis. Die erste selbständige Arbeit ist Fernows »Italienische Sprachlehre« (Tübing. 1804, 2 Tle.; 3. Aufl., Stuttg. 1829); Blancs »Grammatik der ital. Sprache« (Halle 1844) ist wissenschaftlich gehalten und noch nicht zu entbehren. In Gröbers »Grundriß der romanischen Philologie« (Bd. 1, S. 489 ff., Straßb. 1888) findet sich eine vorzügliche knappe Darstellung der italienischen Laut- und Formenlehre von d'Ovidio und Meyer-Lübke. Letzterer verfaßte auch eine historische »Italienische Grammatik« (Leipz. 1890; ital. Übersetzung, Turin 1901), Lautlehre und Formenlehre umfassend. Diez und Meyer-Lübke gaben jeder in ihrer »Grammatik der romanischen Sprachen« auch eine Darstellung der Syntax. Vgl. auch Wiese, Altitalienisches Elementarbuch (Heidelb. 1904). Von neuen praktischen Grammatiken sind zu empfehlen die von Städler (4. Aufl., Berl. 1878), Fogolari (2. Aufl., Leipz. 1881), Buchholz (Hannov. 1881), Mussafia (27. Aufl., Wien 1904) und die ausführliche von Vockeradt (Berl. 1878), Weber (Leipz. o. J.). Gut sind ferner die Werke Fornaciaris (»Grammatica dell' uso italiano moderno«, Flor. 1886, und »Sintassi dell' uso italiano moderno«, das. 1887) und Morandis »Grammatica italiana« (1894).

[Wörterbücher.] Die Lexikographie beginnt, sehen wir von einigen italienisch-deutschen Glossaren des 15. Jahrh. ab (vgl. Mussafia, »Beitrag zur Kunde der norditalienischen Mundarten«, Wien 1873), gleichzeitig mit der Grammatik und in ebenso dürftigen Anfängen. Minerbi (1535) benutzt nur Boccaccio, Fabrizio de Luna (1536) Dante, Petrarca, Boccaccio, Ariost; Accarisios Wörterbuch (1543) und Francesco Alunnos Werke: »Le ricchezze della lingua volgare« (Vened. 1543) und »Della fabbrica del mondo« (das. 1546) gewähren etwas mehr. Das erste etwas vollständigere Lexikon ist Pergaminis »Memoriale della lingua« (Vened. 1568). Das »Vocabolario degli Accademici della Crusca« (zuerst Vened. 1612) hält sich pedantisch fast nur an die Schriftsteller des 14. Jahrh. und an den florentinischen Dialekt und gibt alle Verstümmelungen, alle schmutzigen Ausdrücke und Redensarten des Pöbels, läßt aber die gebildete Umgangssprache und die Ausdrucksweise der Wissenschaften und Künste ganz unbeachtet. Eine zweite, wenig veränderte Ausgabe erschien zu Venedig 1623, d. e dritte, bedeutend vermehrte in 3 Bänden 1691, die vierte in 6 Bänden zu Florenz 1729–38. Die seit 1845 von der Akademie bearbeitete, seit 1863 neubegonnene, an Wortformen und Beispielen reich vermehrte, sonst aber ganz im Geiste der frühern Ausgaben gehaltene fünfte Auflage (auf 12 Bände berechnet) reicht jetzt (1904) erst bis zum 9. Band. Das Werk ist unzähligemal nachgedruckt, exzerpiert und bearbeitet worden. Das erste allgemein italienische Lexikon ist Albertis »Dizionario enciclopedico« (Lucca 1797–1805, 6 Bde.), das aber auch die technologischen Ausdrücke beiseite läßt. Sehr brauchbar ist das »Dizionario della lingua italiana« (Bolog. 1819–26, 7 Bde.). Unter den zahlreichen neuern lexikographischen Werken sind die umfangreichsten das »Vocabolario universale della lingua italiana« (Neap. 1829–40, 7 Bde.; neugedruckt, Mail. 1878 ff.), das von Tommaseo und Bellini (Tur. 1865–79, 7 Bde.) und das vorzügliche von Petrocchi (Mail. 1887 bis 1891). Zu erwähnen ist weiter das »Vocabolario della lingua italiana« von Fanfani (3. Aufl., Flor. 1891), desselben »Vocabolario dell' uso toscano« (das. 1863) und Rigutini und Fanfanis vorzügliches »Vocabolario italiano della lingua parlata« (3. Aufl., das. 1893, von Rigutini allein). Ein »Supplemento ai vocabolari italiani« gab Gherardini (neue Ausg., Mail. 1878, 6 Bde.) heraus. Für Geschichte, Geographie und Wissenschaft ist Melzi, für die Marine Stratico, für Heerwesen Grassi, für die Verwaltung Rezasco zu benutzen; für die Aussprache und Betonung Petrocchis »Vocabolarietto di pronunzia e ortografia« (Mail. o. J.). Die Synonyme wurden behandelt von Mambelli, Grassi (Neap. 1821 u. ö.), Zecchini (Tur. 1863), am besten von Tommaseo (7. Aufl., Mail. 1887). Die Etymologie behandelt Diez, »Etymologisches Wörterbuch der romanischen Sprachen« (4. Ausg., Bonn 1878), Caix, »Studi di etimologia italiana e romanza« (Flor. 1878), und Zaccaria, »L'elemento germanico nella lingua italiana« (Bolog. 1901). Unbrauchbar ist Zambaldis »Vocabolario etimologico italiano« (Città di Castello 1889). Die ältern deutsch-italienischen Wörterbücher gehen im Gleise der Crusca. Das beste neue ist das von Rigutini-Bulle (Leipz. 1896–1900, 2 Bde.). Vorzüglich ist das kleine »Neue deutsch-italienische Wörterbuch aus der lebenden Sprache« von Hecker (Teil 1, Braunschw. 1900). Zu erwähnen sind außerdem noch die »Rimarj« oder Reimlexika, worunter das von Rosasco (»Rimario toscano«, Padua 1763; neu bearbeitet von Antolini, Mail. 1839) und das von Ruscelli ausgezeichnet werden. Vgl. die oben angeführten Werke von Gröber (S. 111) und Mazzoni (S. 110).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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