Hodenkrankheiten

Hodenkrankheiten

Hodenkrankheiten werden, abgesehen von Entwickelungsfehlern und falscher Lage des Hodens (s. Kryptorchismus), in den folgenden hauptsächlichsten Formen beobachtet: 1) die Hodenentzündung (Orchitis) ist bald mit Nebenhodenentzündung (Epididymitis) verbunden, bald tritt sie für sich auf. Sie kann entstehen durch eine Quetschung oder anderweitige Verletzung der Hoden, durch Infektion auf dem Blutwege bei akuten Erkrankungen, ferner durch Fortleitung einer Entzündung benachbarter Organe. Die zweitgenannte Entstehungsweise führt zu Hodenentzündung, namentlich bei epidemischer Ohrspeicheldrüsenentzündung (Mumps), ferner bei Pyämie, Pocken, Rheumatismus, Scharlach, Typhus und Gicht. Fortleitung von Entzündung der Nachbarorgane ist vorhanden bei der sehr häufigen Nebenhoden- und Hodenentzündung, bei dem Tripper der Blase und der Harnröhre und bei andern (eiterigen, krupösen, tuberkulösen) Erkrankungen dieser Organe. Die Hodenentzündung äußert sich durch schnelle Anschwellung und meistens starke Schmerzhaftigkeit des befallenen Hodens und Nebenhodens, womit Fieber, ausstrahlende Schmerzen in der innern Schenkelfläche etc. verbunden sein können. Die Entzündung verläuft bald schnell und bildet sich entweder ohne weiteres zurück und geht in Heilung über, oder es kommt zur Eiterung oder Abszeßbildung im Hoden und Nebenhoden, nicht selten mit später folgenden Fistelbildungen; bald ist der Verlauf schleichend, es kommt zur Wucherung des Bindegewebes und zum teilweisen oder vollständigen Untergang des eigentlichen Drüsengewebes im Hoden. Damit ist narbige Schrumpfung der Hoden (Hodenatrophie) und, wenn die Krankheit beide Hoden betraf, Verlust des Zeugungsvermögens verbunden. Die Behandlung besteht in Bettruhe, Hochlagerung des Hodens, Applizierung von Eisbeuteln oder Eisumschlägen auf die Geschwulst. In manchen Fällen werden warme Umschläge besser vertragen. Eine zurückbleibende Verhärtung des Nebenhodens weicht meist der Anwendung der Quecksilber- oder Jodkaliumsalben. Resorptionsbefördernd wirkt auch dauernder mäßiger Druck durch ein geeignetes Suspensorium oder einen Heftpflasterverband. Eiterung erfordert operative Behandlung. Lange nach Überstehen der Entzündung muß man noch ein passendes Suspensorium tragen lassen. – 2) Die tuberkulöse Entzündung des Hodens und Nebenhodens betrifft bald nur einen, bald beide Hoden. Sie befällt vorzugsweise das mittlere Lebensalter und beginnt meist mit schmerzloser Schwellung und knotiger Verdickung; die Knoten brechen auf und entleeren käsigen, bazillenhaltigen Eiter. Sobald die Diagnose feststeht, schreitet man zur Kastration, besonders wenn es sich um rein örtliche Tuberkulose handelt, und solange die Inguinaldrüsen noch nicht geschwollen sind, was freilich sehr früh eintritt. Nur durch die Kastration kann man der Ausbreitung der Tuberkulose auf andre Organe zuvorkommen. – 3) Die syphilitische Orchitis besteht in harter, schmerzloser Anschwellung des ganzen Hodens, oder in knotiger (gummöser) teilweiser Anschwellung des Organs. Die Behandlung ist eine allgemeine antisyphilitische. – 4) Eine cystische Entartung befällt den Hoden ganz oder teilweise, indem sich mikroskopisch kleine bis gänseeigroße Cysten im Gewebe des Hodens entwickeln, die serösen oder breiigatheromatösen Inhalt haben. Neben der Cyste erhaltenes Parenchym ist normal. Von dem Wasserbruch unterscheidet sich die Cyste dadurch, daß sie nicht durchscheinend ist und man neben ihr nicht, wie beim Wasserbruch, den Hoden abtasten kann. – 5) Eine Neuralgie des Hodens, zuweilen beobachtet, tritt bald andauernd, bald intermittierend (anfallsweise) auf, häufig ohne daß eine Ursache erkennbar ist, in andern Fällen liegen ihr Narben, chronische Entzündungen der Geschlechtsorgange zugrunde. Wenn anderweitige Behandlung erfolglos bleibt, können die heftigen Schmerzen zur Kastration veranlassen. Sind die Hoden nur auf Druck abnorm schmerzhaft, so liegt eine Hyperästhesie der Hoden vor. – 6) Über die Scheidenhautwassersucht der Hoden oder den Wasserbruch s. d. – 7) Als Geschwülste der Hoden (Sarkocelen) beobachtet man die syphilitischen oder Gummigeschwülste, die Sarkome, Carcinome u. Chondrome. Die Gummiknoten sind Teilerscheinung einer allgemeinen Syphilis und als solche zu behandeln. Die bösartigen Neubildungen kommen manchmal schon bei Kindern vor, sie wachsen meist schnell, sind oft sehr schmerzhaft und erfordern insgesamt eine möglichst frühzeitige Entfernung durch Kastration. Eine krebsartige Erkrankung der Haut (Kaukroid) des Hodensackes hat man als Schornsteinfegerkrebs (s. d.) bezeichnet, da man dieselbe vorzugsweise bei Schornsteinfegern (begünstigt durch Verunreinigung und Reizung der Haut) beobachtet haben will. Auch bei diesem Übel ist die frühzeitige Ausrottung das einzige Erfolg versprechende Mittel.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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