Heyne

Heyne

Heyne, 1) Christian Gottlob, Philolog und Archäolog, geb. 25. Sept. 1729 in Chemnitz, gest. 14. Juli 1812 in Göttingen, besuchte das Lyzeum seiner Vaterstadt, widmete sich sodann seit 1748 in Leipzig bei Christ. Ernesti und Bach philologischen und juristischen Studien und ward 1753 Kopist an der Bibliothek des damaligen Ministers Grafen von Brühl in Dresden. Die Not trieb ihn zu schriftstellerischer Tätigkeit, deren Früchte zunächst, außer einigen Übersetzungen, seine Bearbeitungen des Tibull (Leipz. 1755) und des Epiktet (Dresd. 1756) waren. In Wittenberg, wohin er 1759 als Erzieher einen jungen Edelmann begleitete, setzte er seine Studien fort und kehrte 1760 nach Dresden zurück, von wo er 1763 als Professor der Beredsamkeit nach Göttingen berufen wurde. Im folgenden Jahre ward er erster Universitätsbibliothekar, später Hofrat und Sekretär der Akademie der Wissenschaften und Geheimer Justizrat. Durch seine Vorlesungen über das klassische Altertum und durch seine Leitung des philologischen Seminars trug er viel zur Blüte der Universität und zur Belebung der Altertumsstudien bei. Das Studium der Sprache und Grammatik galt ihm nur als Vorbedingung, in den Geist des Altertums einzudringen, nicht als Hauptzweck der Philologie. Er ward darum, besonders von J. H. Voß, vielfach getadelt; auch Fr. Aug. Wolf, erst sein dankbarer Zuhörer, trat nachher in ein polemisches Verhältnis zu ihm. Seine Tätigkeit als Schriftsteller umfaßte das Altertum in seiner Gesamtheit und war ebensowohl auf Mythologie, Archäologie und Geschichte wie auf Erläuterung der alten Klassiker, namentlich der Dichter, gerichtet. Von seinen Schriften sind außer den »Opuscula academica«, eine Sammlung seiner Abhandlungen und Programme (Götting. 1785–1812, 6 Bde.), besonders zu erwähnen die schon genannte Ausgabe des Tibull (4. Aufl. von Wunderlich, Leipz. 1817, 2 Bde.), des Vergil (das. 1767–75, 4 Bde.; neue Aufl. von Wagner, das. 1830–41, 5 Bde.), des Pindar (Götting. 1773, 2 Bde.; 3. Ausg., Leipz. 1817, 3 Bde.), die von Homers »Ilias« (das. 1802, 8 Bde.) und von Apollodors »Bibliotheca graeca« (Götting. 1782, 4 Bde.; 2. Aufl. 1803, 2 Bde.); ferner seine »Einleitung in das Studium der Antike« (das. 1772); seine »Erläuterungen« zu Tischbeins »Homer nach Antiken« (das. 1801–05) und die »Lobschrift auf Winckelmann« (Kassel 1778). Die »Göttinger gelehrten Anzeigen«, die seit 1770 unter seiner Leitung erschienen, enthalten zahlreiche Beiträge von ihm. Seine »Akademischen Vorlesungen über die Archäologie und Kunst des Altertums etc.« erschienen Braunschweig 1821. Vgl. Heeren, Chr. G. H., biographisch dargestellt (Götting. 1813); »Göttinger Professoren«, S. 78 ff. (das. 1872); Herbst, Joh. Heinr. Voß, Bd. 1 (Leipz. 1872).

2) Moritz, Germanist, geb. 8. Juni 1837 in Weißenfels, studierte in Halle, habilitierte sich daselbst 1864 als Dozent für altdeutsche Literatur, erhielt 1869 eine außerordentliche Professur und ward zu Ostern 1870 als Professor nach Basel, sodann 1883 nach Göttingen berufen. Er schrieb: »Laut- und Flexionslehre der altgermanischen Dialekte« (Paderborn 1862, 3. Aufl. 1874), »Über die Lage und Konstruktion der Halle Heorot im angelsächsischen Beowulflied« (das. 1864), »Altniederdeutsche Eigennamen aus dem 9.–11. Jahrhundert« (Halle 1868), »Fünf Bücher deutscher Hausaltertümer« (Leipz. 1899–1903, Bd. 1–3) u. a., übertrug den »Ruodlieb« (das. 1897) sowie »Altdeutsch-lateinische Spielmannsgedichte des 10. Jahrhunderts« (Götting. 1900) und besorgte Ausgaben des »Beowulf« (Paderb. 1863; 7. Aufl. von Socin, 1903), von dem er schon vorher eine metrische Übersetzung (das. 1863, 2. Aufl. 1899) veröffentlicht hatte, des »Heliand« (das. 1865, 3. Aufl. 1883), der »Kleinern altniederdeutschen Denkmäler« (das. 1867, 2. Aufl. 1877), des Ulfilas (10. Aufl. von Wrede, das. 1903). Seit 1867 einer der Fortsetzer von Grimms »Deutschem Wörterbuch«, hat H. bis jetzt die Buchstaben H, J, L, M, R und einen Teil von S bearbeitet. Außerdem gab er selbständig ein kleineres »Deutsches Wörterbuch« heraus (Leipz. 1890–95, 3 Bde.).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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  • Heyne — Heyne, Christian Gottlob, Philolog, geb. 25. Sept. 1729 zu Chemnitz, 1763 Prof. der Beredsamkeit und seit 1764 zugleich Oberbibliothekar zu Göttingen, gest. das. 14. Juli 1812; Ausgaben von Tibull (4. Aufl. 1817), Pindar (3. Aufl. 1817), der… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Heyne [2] — Heyne, Mor., Germanist, geb. 8. Juni 1837 zu Weißenfels a.S., 1870 Prof. zu Basel, seit 1883 in Göttingen; Herausgeber des Beowulf, Heliand, Ulfilas, seit 1867 Mitarbeiter am Grimmschen »Wörterbuch«; »Deutsches Wörterbuch« (1890 95; 2. Aufl. 1905 …   Kleines Konversations-Lexikon

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