Forsthoheit

Forsthoheit

Forsthoheit, der Inbegriff der Hoheitsrechte des Staates, also der gesetzgebenden, richterlichen und vollziehenden Gewalt in bezug auf das gesamte im Staatsgebiet belegene Waldeigentum. Einen wesentlichen Teil der F. bildet das Recht des Staates, die Erhaltung und zweckentsprechende Bewirtschaftung derjenigen Waldungen ohne Unterschied des Besitzers zu gebieten und nötigenfalls zu erzwingen, die für die Landeskultur und das Gemeinwohl von besonderer Bedeutung sind, der sogen. Schutzwaldungen (s.d.). In bezug auf die Waldungen der Gemeinden und Stiftungen (Kirchen, Schulen, Hospitäler etc.) stehen dem Staat nach neuerer Auffassung besondere Rechte der Oberaufsicht und Wirtschaftsleitung zu, die sich auf die rechtliche Natur des Gemeinde- und Stiftungseigentums gründen. Nicht die heutige Generation von Nutznießern (zum Fruchtgenuß Berechtigten) ist Eigentümerin, sondern eine ewige (juristische) Person, die Gemeinde, die Stiftung. Der Staat hat das Recht und die Pflicht, darüber zu wachen, daß nicht der Eigentümer durch den Nutznießer geschädigt werde. Die F. hat ihre schärfste Ausprägung im Polizeistaat des 18. Jahrh. gefunden. Der Forst- und Wildbann war ursprünglich ein Ausfluß der Grundherrlichkeit. Zwar führte schon zur Zeit der autonomen Markgenossenschaften das Recht der Territorialherren, Forsten und Jagden in Bann zu legen, zu inforestieren, zu zahlreichen Eingriffen in die Substanz der Markwaldungen; aber dies Recht enthielt noch nicht die Befugnis zu einer allgemeinen polizeilichen Einwirkung auf alle Waldungen. Allmählich aber nahmen sie das Bannrecht überall als einen Ausfluß ihres Hoheitsrechts in Anspruch, auch da, wo sie niemals Grundherren gewesen waren. Sie beanspruchten dann auch ein Obereigentum an allen Waldungen und leiteten aus der Gerichtsherrlichkeit und dem Vogteirecht die Befugnis ab, alle Waldungen zu beaufsichtigen und die Wirtschaftsleitung durch ihre Beamten vollziehen zu lassen. Schon im 15., noch mehr im 16. und 17. Jahrh. waren fast alle Markwaldungen grundherrliche geworden, und die Gerichtsherrlichkeit ging an die erblichen Obermärker, d. h. zumeist die Landesherren, über. Letztere erließen nun Forstpolizeiordnungen auch für die Markwaldungen, anfangs noch unter Zuziehung der angesehensten Märker, später, als der genossenschaftliche Geist zu erlöschen begann, ohne ihr Zutun. Die Kundmachung der auf die Märkerforsten bezüglichen Forstordnungen erfolgte unter Bezugnahme auf die obrigkeitliche Gewalt (württembergische Forstordnung von 1551 u. v. a.). Vollkommen entsprechend der allgemeinen politischen Richtung des 17. und 18. Jahrh., der polizeilichen Omnipotenz der Regierungen, entwickelte sich die F. rasch zu einem System der absoluten Bevormundung, das der freien wirtschaftlichen Tätigkeit der Waldbesitzer fast nichts mehr zu tun übrigließ; der schlechte Zustand vieler Waldungen, die allgemein verbreitete und bei gering entwickeltem Verkehrswesen nicht unbegründete Furcht vor Holzmangel schienen dies System nur zu sehr zu empfehlen; die Waldbesitzer sahen in scharfen polizeilichen Verordnungen gegen die zu Servitutberechtigten herabgedrückten ehemaligen Miteigentümer bäuerlichen Standes oft das einzige Mittel, ihren Wald vor gänzlicher Zerstörung zu schützen. Zahllose Forstordnungen ergingen im 16., 17. und 18. Jahrh. Sie umfassen bis 1700 das gesamte forstliche Wissen der Zeit und zugleich alles das, was gesetzlich in bezug auf das Forst- und Jagdwesen zu regeln war. Sie gehören zu den wichtigsten Quellen der Geschichte der Forstwirtschaft. Die gewaltigen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Umwälzungen, die sich am Schluß des 18. und bei Beginn des 19. Jahrh. vollzogen, stürzten mit dem Polizeistaat auch die F. älterer Auffassung. Die Lehre von der Freiheit des Eigentums, zur Devise einer hereinbrechenden neuen Zeit gewor den, war unverträglich mit den Traditionen des ab soluten Staates auf dem wirtschaftspolitischen Gebiet. Ja über das Ziel hinausschießend, vergaßen es viele, daß die Bewaldung eines Landes von hoher Bedeutung für das allgemeine Wohl ist, und daß man nicht gut tue, sie der Privatspekulation schrankenlos zu überliefern. Langsam hat sich auch hier eine maßvollere Anschauung Bahn gebrochen, und in neuester Zeit hat es die Wissenschaft unternommen, die klimatische, hygienische und allgemeine Kulturbedeutung des Wal des durch exakte Untersuchungen festzustellen, um der Gesetzgebung in bezug auf das Oberaufsichtsrecht des Staates über den Privatwald eine feste Grundlage zu geben. Vgl. Forstpolizei.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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