- Faucher
Faucher (spr. fōschē), 1) Léon, franz. Publizist und Staatsmann, geb. 8. Sept. 1803 in Limoges, gest. 15. Dez. 1854 in Marseille, trieb anfangs in Paris philologische und archäologische Studien, wandte sich aber nach der Julirevolution der Journalistik und Nationalökonomie zu. Er war Redakteur des »Temps«, des »Courrier français« und des »Constitutionnel« von 1830–42 und gab mehrere staatswirtschaftliche Schriften heraus, worunter die »Études sur l'Angleterre« (1845, 2 Bde.; 2. Aufl. 1856) die wichtigste ist. 1846 erhielt er einen Sitz in der Kammer und stimmte hier mit der dynastischen Opposition; für den Freihandel und die Wahlreform trat er mit größtem Eifer ein. Nach der Februarrevolution in die Konstituante wie in die Legislative gewählt, stimmte er mit den gemäßigten Republikanern, ward nach Ludwig Napoleons Wahl zum Präsidenten (10. Dez. 1848) Minister des öffentlichen Bauwesens und des Innern und war für die Herstellung der Ordnung mit Erfolg tätig. Kurz vor dem Staatsstreich vom 2. Dez. 1851 zog er sich vom politischen Schauplatz ganz zurück. Seine staatswissenschaftlichen Abhandlungen sind zum großen Teil gesammelt in den von seinem Schwager Wolowski herausgegebenen »Mélanges d'économie politique et de finance« (1856, 2 Bde.). Außer obigen »Études« sind noch zu nennen die »Recherches sur l'or et sur l'argent« (1843). Vgl. »Léon F.; biographie, correspondance, vie parlementaire« (2. Aufl., Par. 1875, 2 Bde.).
2) Julius, deutscher Volkswirt (Freihändler), geb. 13. Juni 1820 in Berlin, gest. 12. Juni 1878 in Rom, studierte in seiner Vaterstadt, gründete nach Veröffentlichung mehrerer Schriften über die Wohnungsfrage etc. 1846 mit Prince-Smith, E. Wiß u. a. den ersten »Freihandelsverein« in Berlin und redigierte 1847–56 die »Ostseezeitung« in Stettin. 1848 als Abgeordneter von Elbing zum ersten Kongreß der deutschen Handels- und Fabrikstädte nach Frankfurt gesendet, war er an der Abfassung des Zolltarifs für das Deutsche Reich beteiligt. 1850 ward er Mitbegründer und Redakteur der freihändlerischen Berliner »Abendpost«. Nach Unterdrückung dieser Zeitung wandte er sich nach London, wo er (1856) in der Redaktion des »Morning Star« arbeitete. 1861 zurückgekehrt, wirkte er durch Vorträge in deutschen Städten für einheitliche Heimats- und Gewerbegesetzgebung. In demselben Jahr ward er Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses (Fortschrittspartei) und der ständigen Deputation des volkswirtschaftlichen Kongresses. Auf dem Breslauer volkswirtschaftlichen Kongreß 1868 trat er für Hebung der vernachlässigten deutschen Binnenschiffahrt ein und gründete den Verein für Fluß- und Kanalschiffahrt. 1870 war er auf dem Kriegsschauplatz Berichterstatter für die Londoner »Daily News«. 1872 begab er sich wieder nach London und schrieb (in englischer Sprache) über die Leibeigenschaft in Rußland und über die englischen Branntweinzölle. Mit O. Michaelis begründete er 1863 die »Vierteljahrsschrift für Volkswirtschaft und Kulturgeschichte«, die er bis 1877 leitete. Außer zahlreichen Abhandlungen in dieser Zeitschrift schrieb er noch: »Ein Winter in Italien, Griechenland und Konstantinopel« (Magdeb. 1876, 2 Bde.); »Vergleichende Kulturbilder aus den vier europäischen Millionenstädten« (Hannov. 1877); »Streifzüge durch die Küsten und Inseln des Archipels und des Ionischen Meeres« (Berl. 1878).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.