Carpzov

Carpzov

Carpzov, Name einer im Gebiete der juristischen und theologischen Wissenschaft ausgezeichneten, die einstige Allianz beider Wissenschaften und ihre Früchte typisch vertretenden Familie, die ursprünglich aus Spanien (Carpezana) stammte, aber schon 1282 im Besitz des brandenburgischen Gutes C. unweit Tremmen war. Stammvater der Gelehrten dieses Namens in Deutschland ist Simon C., um die Mitte des 16. Jahrh. Bürgermeister in der Neustadt Brandenburg. Sein Sohn Joachimv. C. zeichnete sich im Dreißigjährigen Krieg aus und starb als Generalfeldzeugmeister des Königs von Dänemark 1628 in Glückstadt. Dessen Bruder Benedikt C., geb. 22. Okt. 1565 in Brandenburg, seit 1595 Professor der Rechte zu Wittenberg, starb 26. Nov. 1624. Sein Sohn Benedikt C., geb. 27. Mai 1595 in Wittenberg, wurde 1645 Professor der Rechte in Leipzig, 1653 kursächsischer Geheimrat in Dresden, von wo er jedoch später wieder nach Leipzig zurückkehrte; starb 30. Aug. 1666. C. hat (nach dem »Thesaurus rer. publ.«, IV, 816) bei 20,000 Todesurteilen, meist in Hexenprozessen, mitgewirkt. Dabei rühmte er sich, die Bibel 53 mal ganz durchgelesen zu haben. Seine Schriften haben einst einen außerordentlichen Einfluß auf die Rechtspflege ausgeübt. Zugleich ist er durch seine »Jurisprudentia ecclesiastica« (Leipz. 1649) ein Hauptbegründer des Episkopalsystems geworden. Sein Bruder Johann Benedikt C., geb. 22. Juni 1607 in Rochlitz, seit 1633 Pastor in Meuselwitz, starb als Professor der Theologie 22. Okt. 1657 in Leipzig. Er begründete die Disziplin der Symbolik durch sein nachgelassenes Werk »Isagoge in libros ecclesiarum Lutheranarum symbolicos etc.« (Leipz. 1665). Drei seiner Söhne machten sich einen Namen: Johann Benedikt C., Theolog und Orientalist, geb. 24. April 1639 in Leipzig, ward 1662 Prediger daselbst, 1668 Professor der orientalischen Sprachen und seit 1684 der Theologie, starb 23. März 1699, machte sich durch seinen Kampf gegen die Pietisten und hauptsächlich dadurch bekannt, daß er die Collegia philobiblica unterdrückte; August Benedikt C., geb. 2. Nov. 1644 in Leipzig, starb daselbst als Professor der Rechte 4. März 1708, schrieb über Zivilrecht; Samuel Benedikt C., Theolog, geb. 17. Jan. 1647 in Leipzig, ward 1671 Professor der Dichtkunst in Wittenberg, 1674 Hofprediger, 1692 Oberhofprediger zu Dresden; starb daselbst 31. Aug. 1707. Sein Sohn Johann Gottlieb C., der gelehrteste unter den Theologen aus dieser Familie, geb. 20. Sept. 1679 in Dresden, besuchte als Reiseprediger des polnisch-sächsischen Gesandten England und Holland, wurde 1719 Professor der orientalischen Sprachen in Leipzig, 1730 Superintendent zu Lübeck; starb 7. April 1767. Gegen Richard Simon und Clericus schrieb er als Anwalt der Inspiration seine »Introductio in libros canonicos bibliorum Veteris Testamenti omnes« (Leipz. 1721) und »Critica sacra Veteris Testamenti« (das. 1728). – Friedrich Benedikt C., Enkel des Oberhofpredigers Samuel Benedikt C. und Sohn des 1739 als Kreisamtmann zu Wittenberg verstorbenen Johann Benedikt C., geb. 21. Okt. 1702 in Zittau, starb als Professor des Natur- und Völkerrechts 1744 in Wittenberg. – Johann Benedikt C., Sohn des gleichnamigen, 1670 gebornen Leipziger Hospitalpredigers und außerordentlichen Professors der hebräischen Sprache und Enkel des 1699 verstorbenen Professors der Theologie, Joh. Benedikt C., geb. 20. Mai 1720 in Leipzig, wurde 1747 Professor der Philosophie daselbst, 1748 Professor der griechischen Sprache und 1749 auch der Theologie zu Helmstedt, 1759 Abt zu Königslutter; starb 28. April 1803, nachdem er die angeerbte Orthodoxie und lateinische Gelehrsamkeit der Vorfahren bis ins 19. Jahrhundert herein erhalten hatte.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Carpzov — is the name of a family, many of whose members attained distinction in Saxony in the seventeenth and eighteenth centuries as jurists, theologians and statesmen.The family traced its origin to Simon Carpzov, who was burgomaster of Brandenburg in… …   Wikipedia

  • Carpzov — Carpzov, gelehrte Familie, spanischen Ursprungs (Carpezano), verließ wegen Religionsverfolgungen im 16. Jahrh. Spanien. Merkwürdig: 1) Simon, Stammvater dieser Familie in Deutschland, war um 1550 Bürgermeister der Neustadt Brandenburg. 2)… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Carpzov — Carpzov, Benedikt, Rechtsgelehrter, geb. 27. Mai 1595 zu Wittenberg, 1645 Prof. zu Leipzig, gest. das. 30. Aug. 1666; schrieb: »Practica nova imperialis Saxonica rerum criminalium« (1635; 2. Aufl., 3 Bde., 1758) u.a. – Sein Neffe Joh. Benedikt C …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Carpzov — Carpzov, berühmte sächs. Gelehrtenfamilie, die aus Spanien eingewandert und deren deutscher Stammvater Simon C. (Carpezano?) sein soll, der um 1550 Bürgermeister der Neustadt Brandenburg war. Wohl am berühmtesten wurde der 1595 zu Wittenberg geb …   Herders Conversations-Lexikon

  • Carpzov — Die Familie Carpzov ist eine berühmte sächsische Gelehrtenfamilie des 16. bis 18. Jahrhunderts. Sie stammt von Simon Carpzov ab, der in der Mitte des 16. Jahrhunderts Bürgermeister von Brandenburg an der Havel war. Simon Carpzov hinterließ zwei… …   Deutsch Wikipedia

  • Carpzov — Cette page d’homonymie répertorie les différents sujets et articles partageant un même nom. Carpzov ou Carpzow, Carpzovius est le nom d une famille du Brandebourg, d origine espagnole (Carpezana), dont de nombreux membres furent célèbres en Saxe… …   Wikipédia en Français

  • Carpzov — Cạrpzov   [ tso], Benedikt, Jurist, * Wittenberg 27. 5. 1595, ✝ Leipzig 30. 8. 1666; Professor an der Universität Leipzig, Beisitzer, später Senior des Leipziger Schöppenstuhles (1620, 1633) und Rat im Appellationsgericht (1639). Aufbauend auf… …   Universal-Lexikon

  • Benedikt Carpzov der Jüngere — (* 27. Mai 1595 in Wittenberg; † 30. August 1666 in Leipzig) war deutscher Strafrechtler und Hexentheoretiker. Er gilt als einer der Begründer der deutschen Rechtswissenschaft. Sein Pseudony …   Deutsch Wikipedia

  • Johann Benedict Carpzov II. — Johann Benedict Carpzov II. auf einem Stich von Martin Bernigeroth Johann Benedict Carpzov II. (* 24. April 1639 in Leipzig; † 23. März 1699 ebenda) war ein deutscher lutherischer Theologe, Ethnologe …   Deutsch Wikipedia

  • Johann Benedict Carpzov I. — Johann Benedikt Carpzov I. Johann Benedikt Carpzov I., (* 22. Juni 1607 in Rochlitz; † 22. Oktober 1657 in Leipzig) war ein deutscher lutherischer Theologe. Inhaltsverzeichnis 1 …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”