- Carey
Carey (spr. kärĭ), 1) Henry, engl. Dichter und Musiker, geb. um 1696 in London, gest. 4. Okt. 1743, lebte als Musiklehrer daselbst und ließ 1713 eine erste, 1720 eine zweite Sammlung von »Poems« erscheinen; außerdem schrieb er Operntexte und eine Anzahl von Farcen, wie: »The contrivances« (1715), »Hanging and marriage« (1722) u. a., die gesammelt als »Dramatic works« (1743) erschienen. Am bekanntesten wurde C., als ihm sein Sohn das englische Nationallied »God save the king« (s.d.) zuschrieb, nach Chrysander mit Recht, nach Chappell (»Popular music«. II, 691) und Cummings »Musical times« (1878) mit Unrecht. C. hat außerdem viele Lieder, Balladen und Kantaten (z. B. »Sally in our valley«), auch Zwischenspiele komponiert, unter welch letztern besonders sein »Nancy, or the parting lovers«, das im Spanischen Erbfolgekrieg den Enthusiasmus der Soldaten und Matrosen erregte, großen Beifall fand. C. führte ein vergnügtes, ungeordnetes Leben, das er angeblich durch Selbstmord beschloß. Eine Sammlung seiner Lieder und Balladen erschien u. d. T.: »The musical century« (Lond. 1737–40, 2 Bde.). Vgl. Grove, Dictionary of music.
2) William, engl. Missionar und Orientalist, geb. 12. Aug. 1761 in Paulersbury (Northamptonshire), gest. 9. Juni 1834, kam zu einem Schuhmacher in die Lehre, beschäftigte sich aber, durch die Kongregationalisten mächtig angeregt, nebenher eifrig mit theologischen Studien und wurde endlich in einer Dissentergemeinde Prediger. 1793 ging er, von einer Baptistenmissionsgesellschaft unterstützt, nach Kalkutta, erlangte hier eine gründliche Kenntnis des Sanskrit und Bengali, setzte auch seine Missionsarbeiten eifrig fort und übersetzte die Bibel in das Bengali. Mit andern Missionaren wandte er sich 1800 nach Serampur bei Kalkutta, wo er eine Buchdruckerei gründete und 1806 seine »Sanskrit-Grammatik« sowie mit I. Marshman zwei Bücher des großen Heldengedichts »Râmâyana« in Text und Übersetzung (1806–10) veröffentlichte. Zugleich organisierte und leitete er eine Anstalt für Übersetzung der Bibel in die verschiedenen Dialekte Indiens, die in wenigen Jahren 32 Übersetzungen, darunter 25 von ihm allein gemachte, herausgab. Dabei fand C. noch Zeit, außer kleinern (landwirtschaftlichen, geographischen und linguistischen) Schriften eine »Bengali grammar« (1805) und ein bengalisches Lexikon (1825–27, 3 Bde.) herauszugeben, den Druck des tibetischen Lexikons des Missionars Schröder zu leiten und die erste birmanische Grammatik (1814) zu schreiben. Gleichzeitig wirkte er als Professor des Sanskrit am College des Fort William in Kalkutta und nahm noch wenige Jahre vor seinem Tode tätigen Anteil an der Errichtung und Leitung des Kollegiums von Serampur für Erziehung der Söhne von Europäern in Indien. Sein »Memoir« erschien 1836 in London. Sein Leben beschrieben G. Smith (Lond. 1834, neue Ausg. 1887) und Culroß (das. 1881).
3) Henry Charles, amerikan. Nationalökonom, geb. 15. Dez. 1793 in Philadelphia, gest. 13. Okt. 1879, Sohn des Irländers Matthew C. (geb. 1760 in Dublin, gest. 1839), der infolge politischer Verfolgungen dahin ausgewandert war und 1791 dort ein Verlagsgeschäft gründete. Nachdem C. 1814 Teilhaber an diesem Geschäft geworden war, trater 1821 an die Spitze desselben und machte sich um den Buchhandel durch Einführung der Verlagsauktionen (trade sales) verdient, die wesentlich dazu beigetragen haben, einen starken Absatz von Büchern in den Vereinigten Staaten zu schaffen. 1835 zog er sich von den Geschäften zurück, verwendete sein großes Vermögen zu industriellen Unternehmungen und widmete sich bis zu seinem Tode schriftstellerischen Arbeiten, die nur durch Reisen, besonders nach England und dem europäischen Kontinent (1857), unterbrochen wurden. Hierbei gelangte er zu Anschauungen, die zu denen der englischen Schule in schroffem Gegensatz standen. Ursprünglich Freihändler, wird er nun eifriger Schutzzöllner und fordert für Industrie und Landwirtschaft Schutz gegen fremde Konkurrenz als Mittel zur Erzielung einer günstigen Handelsbilanz. In seiner ersten größern Arbeit: »Essay on the rate of wages« (Philad. 1835), bekämpft er die Lehren Ricardos. Die in derselben niedergelegten Ideen wurden weiter verarbeitet in dem nun folgenden Hauptwerk, den »Principles of political economy« (Philad. 1837–40, 3 Bde.; deutsch von Adler, 2. Aufl., Wien 1870), worin C. seine Anschauungen über den Wertbegriff, nach denen der Wert gleich den Kosten der Wiederherstellung ist, über die volkswirtschaftliche Verteilung und über die sogen. Interessenharmonie entwickelte. Nun folgte eine Verteidigung der Bankfreiheit in »The credit system in France, Great Britain and the United States« (Lond. 1838) und »Answer to the questions: what constitutes curreney? what are the causes of unsteadiness of the currency? and what is the remedy?« (Philad. 1840). In dem Werk »The past, the present and the future« (Philad. 1848) bekämpft C. an der Hand hist orischer Nachweisungen die Annahme, als ob die Agrikultur zuerst auf demjenigen Boden begonnen habe, den wir heute als den besten ansprechen, während er in der Schrift »The harmony of interests« (New York 1851) das Schutzzollsystem durch die zwischen Landwirtschaft und Industrie bestehende Solidarität begründet. Das bedeutendste von allen Werken Careys sind seine »Principles of social science« (Philad. 1858–60, 3 Bde.; deutsch von Adler, Münch. 1863–64, 3 Bde.). Von demselben erschienen zwei Auszüge in deutscher Sprache u. d. T.: »Lehrbuch der Volkswirtschaftslehre und Sozialwissenschaft« (Münch. 1866), und »Sozialökonomie« (Berl. 1866). Die in dem genannten Werk versuchte Widerlegung der Ricardoschen Rententheorie ist als mißglückt zu betrachten, da C. sich vorzüglich nur gegen Ricardos Hypothese der historischen Entwickelung der Grundrente wendet, den eigentlichen Kerngedanken jener Theorie, daß Böden verschiedener Qualität und Lage ungleiche Erträge abwerfen, aber unbeachtet läßt. Die Malthussche Bevölkerungstheorie sucht C. mit der Annahme zu entkräften, mit wachsender Bevölkerung und steigender Kultur erweitere sich auch der Spielraum für die Erzeugung von Unterhaltsmitteln, so daß nie eine Übervölkerung entstehen könne. C. war wohl ein origineller Denker, doch ist die Annahme, als ob er eine Umwälzung in der Nationalökonomie herbeigeführt habe, eine Übertreibung. Seine Arbeiten lassen in Bezug auf Exaktheit und Wissenschaftlichkeit viel zu wünschen übrig. Von sonstigen Schriften Careys sind noch zu nennen: »Letters on international copyright« (1853, 2. Aufl. 1868); »The French and American tariffs compared« (Philad. 1861); »Review of the decade 1857–1867« (das. 1867); »Contraction or expansion? Repudiation or resumption?« (das. 1866); »How protection, increase of public and private revenues, and national independence march hand in hand together« (das. 1869); »Shall we have peace« (das. 1869; deutsch u. d. T.: »Geldumlauf und Schutzsystem«, Pest 1870); »International copyright question« (Philad. 1872); »The unity of law« (das. 1873; deutsch von Stöpel, Berl 1878). Gesammelt erschienen »Miscellaneous works« (Philad. 1869). Vgl. Dühring, Careys Umwälzung der Volkswirtschaftslehre (Münch. 1865); Derselbe, Die Verkleinerer Careys etc. (Bresl. 1867); A. Lange. I. St. Mills Ansichten über die soziale Frage und die angebliche Umwälzung der Sozialwissenschaft durch C. (Duisb. 1866); Elder, A memoir of C. (Philad. 1880); Jenks, Henry C. C. als Nationalökonom (Jena 1885).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.