Bernstorff

Bernstorff

Bernstorff, 1) Johann Hartwig Ernst, Graf, geb. 13. Mai 1712 in Hannover, gest. 18. Febr. 1772 in Hamburg, trat nach einer vorzüglichen Jugenderziehung 1733 in den dänischen Staatsdienst, ward 1737 Gesandter in Regensburg und 1744 in Paris. Seit 1751 Minister des Auswärtigen und Direktor der deutschen Kanzlei, beobachtete er während des Siebenjährigen Krieges, trotz seiner persönlichen Abneigung gegen Friedrich d. Gr., eine streng neutrale Haltung und wußte 1767 einen für Dänemark vorteilhaften Ausgleich mit Rußland in der holsteinischen Frage anzubahnen. Seine Wirksamkeit im Innern war namentlich auf die Förderung von Handel und Industrie sowie auf eine Verbesserung der Lage der ländlichen Bevölkerung gerichtet. Ein aufrichtiger Verehrer und trefflicher Kenner der Künste und Wissenschaften, stand er besonders mit Klopstock in freundschaftlichen Beziehungen. 1770 entlassen, starb er, als er nach Struensees (s. d.) Sturz wieder an die Spitze der Geschäfte treten sollte. Vgl. Ahlemann, Über das Leben und den Charakter des Grafen B. (Hamb. 1777); Vedel: Correspondance entre le comte B. et le duc de Choiseul (Kopenh. 1871), Den ældre Grev Bernstorffs Ministerium (das. 1882), Correspondance ministérielle du comte B. (das. 1882, 2 Bde.); E. de Barthélemy, Histoire des relations de la France et du Danemarc sous le ministère du comte de B. (das. 1887).

2) Andreas Peter, Graf, Neffe des vorigen, geb. 28. Aug. 1735 in Hannover, gest. 21. Juni 1797 in Kopenhagen, trat, durch Studien und Reisen gründlich vorgebildet, 1759 in den dänischen Staatsdienst, mußte 1770 als Geheimrat seinen Abschied nehmen, ward aber unmittelbar nach Struensees (s. d.) Sturz (1772) zurückberufen. Seit 1773 Minister des Auswärtigen und Direktor der deutschen Kanzlei, brachte er die von seinem Oheim begonnene Unterhandlung mit Rußland wegen Holstein zum Abschluß, erregte jedoch bald infolge seiner Bemühungen, ein freundschaftliches Verhältnis mit England anzubahnen, das Mißvergnügen Rußlands, Preußens und der ultradänischen Hofpartei unter Guldberg (s. d.), so daß er Ende 1780, obwohl er der gegen England gerichteten bewaffneten Neutralität beitrat, zurücktreten mußte. Nach dem Sturz des Kabinetts Guldberg (1784) in seine Ämter und Würden wieder eingesetzt, blieb er fortan bis zu seinem Tode der leitende Mittelpunkt der äußern und innern Verwaltung. Durch ein strenges Neutralitätssystem, das nur durch den unfreiwilligen Krieg mit Schweden (1788) eine kurze Unterbrechung erlitt, sowie durch zahlreiche Reformen im Verwaltungs-, Finanz-, Handels-, Schiffahrts-, Manufaktur-, Fabrik- und Militärwesen ist B. während seines zweiten Ministeriums einer der größten Wohltäter Dänemarks geworden. Auch an der Aufhebung der Leibeigenschaft in Schleswig-Holstein hatte er bedeutenden Anteil, obwohl dieselbe erst nach seinem Tod erfolgte. Bei der Bevölkerung war er wegen seiner liberalen Gesinnung, seines Eintretens für die Preßfreiheit und seines musterhaften Privatlebens außerordentlich beliebt. Vgl. Eggers, Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Staatsministers von B. (Kopenh. 1800); P. E. Holm, Danmarks politik under den svensk-russiske Krig 1788–1790 (das. 1868); Derselbe, Danmark-N orges udenrigske Historie 1791–1807 (das. 1875, 2 Bde.); A. Friis, Andreas Peter B. og Ove Höegh Guldberg 1772–1780 (das. 1899); Derselbe, Andreas Peter B. und die Herzogtümer Schleswig und Holstein 1773–1780 (Kiel 1900).

3) Christian Günther, Graf, Sohn des vorigen, geb. 3. April 1769 in Kopenhagen, gest. 28. März 1835 in Berlin, 1789–94 daselbst, später in Stockholm als Gesandter tätig, wurd 1797 Nachfolger seines Vaters, ohne jedoch von dessen Begabung etwas zu besitzen. Seine auswärtige Politik war 1801 und 1807 für Dänemark, bez. für Kopenhagen von höchst nachteiligen Folgen begleitet. Auch nach seinem Rücktritt (1810) bewies er als Gesandter in Wien 1811–1816 wenig Umsicht. Seit 1818 als Minister des Auswärtigen im preußischen Staatsdienst, gehörke er zu den Hauptführern der Reaktion. Erst 1832 ward er auf seinen Wunsch in den Ruhestand versetzt. Vgl. »Gräfin Elise von B., ein Bild aus der Zeit 1789–1835« (4. Ausg., Berl. 1899, 2 Bde.).

4) Albrecht, Graf von, preuß. Staatsmann, Neffe des vorigen, geb. 22. März 1809 zu Dreilützow in Mecklenburg-Schwerin, gest. 26. März 1873 in London, studierte in Göttingen und Berlin, trat 1830 in den preußischen Gesandtschaftsdienst und ward 1840 Geschäftsträger in Neapel, 1842 vortragender Rat im auswärtigen Ministerium, 1845 Gesandter in München und im Mai 1848 Gesandter in Wien. Als er, durch die Olmützer Konvention in seinem patriotischen Stolz verletzt, gegen die Politik des Fürsten Schwarzenberg auftrat, wurde er 1851 abberufen und vertrat im Winter 1851/52 die Stadt Berlin in der Ersten Kammer. Im Herbst 1852 zum Gesandten in Neapel, 1854 zum Gesandten in London ernannt, wurde er im Oktober 1861 als Minister des Auswärtigen in das »Ministerium der neuen Ära« berufen und behielt diesen Posten auch, als im März 1862 die liberalen Minister zurücktraten. Im September 1862 endlich trat Bismarck an seine Stelle, und er kehrte als Botschafter nach London zurück, vertrat Preußen auf der Londoner Friedenskonferenz 1864 sowie 1867, zum Botschafter des Norddeutschen Bundes ernannt, bei dem Kongreß zur Regelung der Luxemburger Angelegenheit. 1871 wurde er Botschafter des Deutschen Reiches in London.


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