Strafregister

Strafregister

Strafregister (Strafliste, Straftabelle, frz. Casier judiciaire), das nach Personen geführte amtliche Verzeichnis der in den Bezirk der Registerbehörde fallenden gerichtlichen Verurteilungen. Wird aus diesem allgemeinen S. ein Auszug angefertigt, enthaltend die Bestrafungen einer einzelnen bestimmten Person, so erhält man die Strafliste (das Strafverzeichnis) ebendieser Person, die gegenwärtig bei Beginn der Verhandlungen gewöhnlich verlesen werden, wogegen sich nicht mit Unrecht eine starke Strömung geltend macht. Ein solches S. ist für die rechtliche Beurteilung einer Person vielfach von großer Wichtigkeit. Für das Deutsche Reich ist jetzt durch Verordnung des Bundesrats vom 16. Juni 1882 mit den »Bestimmungen zur Abänderung der Verordnung vom 16. Juni 1882« vom 9. Juli 1896 die Führung von Strafregistern allgemein vorgeschrieben (vgl. »Zentralblatt für das Deutsche Reich«, 1882, S. 309, und 1896, S. 426). In diese S., die nach bestimmten Formularen zu führen sind, werden alle durch richterliche Strafbefehle, polizeiliche Strafverfügungen, Strafurteile der bürgerlichen Gerichte, einschließlich der Konsulargerichte, sowie durch Strafurteile der Militärgerichte ergehenden rechtskräftigen Verurteilungen eingetragen, und zwar wegen eigentlicher Verbrechen und Vergehen sowie wegen folgender Übertretungen: Bruch der Polizeiaufsicht oder der Ausweisung aus dem Reichsgebiet, Landstreicherei, Bettelei, das strafbare Verhalten derjenigen Personen, die sich dem Spiel, dem Trunk oder dem Müßiggang dergestalt hingeben, daß sie in einen Zustand geraten, in dem zu ihrem Unterhalt oder zum Unterhalt derjenigen, zu deren Ernährung sie verpflichtet, durch Vermittelung der Behörde fremde Hilfe in Anspruch genommen werden muß, gewerbsmäßige Unzucht unter Verletzung polizeilicher Vorschriften, Arbeitsscheu der aus öffentlichen Armenmitteln Unterstützten und selbstverschuldete Obdachlosigkeit. Ausgenommen sind die Verurteilungen in den auf Privatklage verhandelten Sachen, in Forst- und Feldrügesachen, wegen Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften über Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle und wegen gewisser militärischer Verbrechen und Vergehen. In die S. sind ferner die Beschlüsse der Landespolizeibehörden über die Unterbringung verurteilter Personen in ein Arbeitshaus oder deren Verwendung zu gemeinnützigen Arbeiten, desgleichen die aus dem Ausland eingehenden Mitteilungen über dort erfolgte Verurteilungen einzutragen. Bezüglich derjenigen Verurteilten, deren Geburtsort nicht zu ermitteln oder außerhalb des Reichsgebiets gelegen ist, wird das S. bei dem Reichsjustizamt in Berlin geführt, während im übrigen die Registerführung den zuständigen Behörden bezüglich aller Personen obliegt, deren Geburtsort im Bezirk derselben gelegen ist. Diese Behörden sind in Preußen und in den meisten übrigen deutschen Staaten die Staatsanwälte bei den Landgerichten, in Bayern und in Bremen die Amtsanwälte, in Sachsen und Baden die Amtsgerichte, in Württemberg die Ortsvorstände jeder Gemeinde und in Elsaß-Lothringen die Gerichtsschreibereien der Landgerichte. Die Aussicht und Leitung der Registerführung liegt unter allen Umständen der Staatsanwaltschaft bei den Landgerichten ob. Die nötigen Mitteilungen über die erfolgten Verurteilungen (Strafnachrichten) sind von den betreffenden Behörden an die Registerbehörde des Geburtsortes oder, sofern diese Behörde der mitteilenden Behörde nicht bekannt ist, an die Staatsanwaltschaft desjenigen Landgerichts, zu dessen Bezirk der Geburtsort gehört, zu richten. Ist der Geburtsort nicht zu ermitteln oder außerhalb Deutschlands gelegen, so ergeht die Mitteilung an das Reichsjustizamt. Diese Strafnachricht erfolgt nach vorschriftsmäßigem Formular. Gerichtlichen und andern öffentlichen deutschen Behörden ist auf jedes eine bestimmte Person betreffende Ersuchen über den Inhalt der S. kostenfrei amtliche Auskunft zu erteilen. Ersuchen und Auskunft erfolgen nach vorgeschriebenem Formular. Inwieweit auswärtigen Behörden solche Auskunft zu erteilen, bestimmt die jeweilige Landesregierung (vgl. z. B. die preußischen Allgemeinen Verfügungen vom 30. Juni 1888 und vom 9. Nov. 1889, betreffend die Mitteilung von Strafnachrichten an ausländische Regierungen) und in Ansehung des bei dem Reichsjustizamt geführten Registers der Reichskanzler. In Frankreich werden solche Auskünfte auch an Privatpersonen ohne weiteres erteilt. Die Bedeutung der S. liegt also darin, daß jederzeit durch Anfrage bei der Registerbehörde festgestellt werden kann, ob jemand bereits eine Vorstrafe erlitten hat. Durch Verbindung mit einer Aufnahme der Körpermaße (s. Anthropometrie) nach Bertillonschem System und mit dem Verbrecheralbum, ferner durch genauere Aufnahmen über das Vorleben, die körperlichen und geistigen Eigentümlichkeiten etc. der einzelnen Verbrecher würden die S. nicht nur praktisch noch brauchbarer gestaltet. sondern zugleich zu einer Fundgrube für wissenschaftliche kriminalistische Untersuchungen gemacht werden. Gegenwärtig ist das Bertillonsche System in fast allen Kulturstaaten eingeführt, beim Polizeipräsidium in Berlin befindet sich seit 1897 eine Zentralstelle für den anthropomerrischen und photographischen Erkennungsdienst. Vgl. Hamm, Die Einführung einheitlicher S. (Mannh. 1876); Marchand, Das S. in Deutschland etc. (Berl. 1900).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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