- Pottsches Übel
Pottsches Übel (Malum Pottii, Spondylarthrocace), die eiterige Entzündung der Wirbelknochen und die daraus hervorgehende bucklige Verkrümmung der Wirbelsäule. Die Krankheit kann sich an allen Stellen der Wirbelsäule zeigen und befällt vorzugsweise das Kindes- und Jünglingsalter. Es stellt sich oft ohne äußere Veranlassung oder nach Verletzung oder Erkältung etc. undeutlicher Schmerz in der Wirbelsäule ein, der sich steigert oder vermindert; bald tritt eine Verkrümmung der Wirbel hervor, der Gang wird unsicher, zuweilen bemerkt man Eiterungen längs des Rückgrates und dazu allgemeine Abzehrung mit Fieber und Schweißen. Die häufigste Ursache des Pottschen Übels ist Tuberkulose der Wirbelknochen. Der Krankheitsprozeß ist nur dann zum Stillstand zu bringen, wenn er noch nicht zu weit vorgeschritten ist. Das erste Erfordernis ist größte und lang andauern de körperliche Ruhe in Rücken- oder Seitenlage. Ist aus anderweitigen Gründen dauernde Rückenlage nicht durchzuführen, so muß die von Taylor angegebene Maschine oder ein Gipsverband getragen werden. Geschieht dies nicht, so kann zuletzt der erkrankte Wirbel die auf ihm ruhende Last nicht mehr tragen; er wird zusammengedrückt, demgemäß weicht die Wirbelsäule entsprechend aus, und es entsteht die Wirbelsäulenverkrümmung (Gibbus, Fig. 1).
Vor allem muß auch ein guter Ernährungszustand des Patienten solange wie möglich durch kräftige Diät, Gebrauch von Solbädern, von Lebertran u. a. aufrecht erhalten werden. In vielen Fällen erfolgt Heilung, indem die Knochenkrankheit erlischt, oft allerdings, indem die Wirbelsäule in der krankhaften Stellung mit merklich hervortretendem Buckel fixiert wird. Bei der Mehrzahl der Kranken bedingt eine gleichzeitig vorhandene oder eine erst von dem erkrankten Wirbel durch Verschleppung von Tuberkelbazillen mittels der Blut- oder Lymphbahn ausgegangene tuberkulöse Erkrankung innerer Organe frühzeitigen Tod. Bei starker seitlicher Abweichung der Wirbel wird der Brustraum so verengert, daß die Lungen kaum Platz darin haben, Störungen im Kreislauf (Blausucht) entstehen, die dann unter allgemeinen Stauungserscheinungen das Ende herbeiführen.
Sehr leichte Grade von Schiefheit können durch Muskelzug bei fehlerhafter Körperhaltung, einseitiger dauernder Belastung, z. B. beim Tragen von Kindern auf Einem Arm, ausgebildet werden. Krümmungen nach vorn nennt man Kyphosis, seitliche Verkrümmungen der Wirbel Skoliosis. Letztere ist besonders häufig bei Mädchen in der Zeit des Wachstums, sie ist außer durch die genannten Ursachen häufig durch Schiefstand des Beckens infolge von Verkürzung eines Beines verursacht, besonders aber durch gewohnheitsmäßige schlechte Körperhaltung auf unzweckmäßigen Schulbänken. Behandelt wird diese Form durch Turnen, Massage und orthopädische Maschinen. Ähnlich entstehen die leichtern Formen der Kyphose, die als runder Rücken bekannt sind, und die Kombinationen beider Krümmungen, die Kyphoskoliosen (Fig. 2). Die Einwärtskrümmung Lordosis (Senkrücken, Fig. 1) ist seltener und entsteht oft durch doppelseitige Hüftgelenkverrenkung. Vgl. Löwenstein, Die Rückgratsverkrümmung und die Heilgymnastik (Wien 1869); Lorenz, Pathologie und Therapie der seitlichen Rückgratsverkrümmungen (das. 1886); Albert, Zur Theorie der Skoliose (das. 1890); Nicoladoni, Anatomien. Mechanismus der Skoliose (Stuttg. 1904).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.