- Nordpolarländer
Nordpolarländer (hierzu Karte »Nordpolarländer«), die innerhalb des nördlichen Polarkreises gelegenen Länder, sowohl die den Festlandsmassen angehörigen als die von ihnen abgetrennten Inseln, auch als Arktis zusammengefaßt. Von Europa gehören dazu: das norwegische, schwedische und russische Lappland, das nördlichste europäische Rußland mit der Halbinsel Kola und Nowaja Semlja, von denen nördlich Spitzbergen und Franz Joseph-Land bis 82° nördl. Br. hinausreichen; von Asien das nördlichste Sibirien. das in der Taimyr-Halbinsel bis 77°34´ nördl. Br. sich erstreckt, mit den vorliegenden Neusibirischen Inseln und der Wrangelinsel; von Amerika der nördlichste Teil von Alaska und Britisch-Nordamerika mit den Halbinseln Adelaide, Boothia Felix und Melville und dem arktisch amerikanischen Archipel (Parry-Archipel) mit Banks-, Prinz Albert-, Wollaston-, Viktorialand, Prinz Patrick-, Melville- und Bathurstinsel, King William- und Prinz Wales-Land, Cornwallis- und Grinnellinsel, Nord-Somerset, Cockourninsel, Nord-Devon, Ellesmere, Grinnell- und Grantland und die von Sverdrup neuerdings entdeckten Inseln König Christian, Axel Heiberg-Land und Ellef Ringnes-Land, der größere nördliche Teil von Baffinland und Grönland und die kleine Insel Jan Mayen. Rechnet man noch das südliche Grönland und das gleichartige Island hinzu und schließt den Nordrand Europas, Asiens und Amerikas aus, so erhält man für die N. 3,825,000 qkm Fläche mit etwa 83,000 Einw., wovon auf das arktische Amerika 1000 Eskimo, auf Island 70,927, auf Grönland 11,893 kommen. Die übrigen Inseln sind unbewohnt, doch haben sich seit 1894 einige Samojeden auf Nowaja Semlja angesiedelt. Die meisten N. sind gebirgig, mit steilen Küsten und tief einschneidenden Fjorden. Das Innere ist größtenteils von einer zusammenhängenden mächtigen Eismasse bedeckt, von der sich gewaltige Gletscher in die Fjorde und Buchten ergießen. Urgesteine und paläozoische Ablagerungen, aber auch jüngere Sedimente, setzen die N. zusammen, häufig durchbrochen von vulkanischen Bildungen. Nutzbare Gesteine und Mineralien sind verbreitet, bei den ungünstigen klimatischen und Verkehrsverhältnissen werden aber nur wenige Vorkommnisse ausgebeutet, so das Kryolithlager bei Ivigtut an der grönländischen Westküste, einige Steinkohlen- und Braunkohlenflöze, die mitunter reich an Pflanzenresten sind und davon Zeugnis ablegen, daß selbst noch in der Tertiärzeit eine verhältnismäßig reiche Vegetation und dementsprechend auch ein milderes Klima geherrscht haben muß.
Gegenwärtig ist das Klima der N. gekennzeichnet durch strenge Winterkälte, kurze, kalte Sommer, Verspätung des Kältemaximums in das Frühjahr hinein, geringe Niederschläge und verhältnismäßig geringe Häufigkeit der Stürme. Während in der Winternacht die dichte Schneedecke ununterbrochen Wärme bei meist heiterm Himmel ausstrahlt, wird im Sommer der größte Teil der Sonnenstrahlung zur Schmelzung der Schnee- und Eisdecke verwendet. Nebel ist im Winter seltener, doch verdüstert das Treiben des seinen, trocknen Schnees die Luft oft wie dichter Nebel; dagegen sind im Sommer Nebel sehr häufig. Die lange Winternacht wird gemildert durch das Mond-, Sternen- und Polarlicht und verkürzt durch verlängerte Dämmerung. Die tiefsten Temperaturen werden meist von denen in Nordostsibirien übertroffen, indessen sind die mittlern Jahrestemperaturen in den Polargegenden am niedrigsten.
Die Pflanzenwelt (s. Arktische Flora) zeigt einen ähnlichen Charakter wie die der hochalpinen Region; nur im südlichen Grönland finden sich waldartige Bestände von niedrigen Weiden, Birken und Ebereschen. Verbreitet ist die Heideformation mit meist immergrünen Arten (Empetrum, Cassiope, Phyllodoce, Diapensia, Ledum, Rhododendron, Dryas, Vaccinium etc.), zwischen denen Zwergbirken, Pirola-, Potentilla-, Saxifraga-Arten und andre blühende Stauden wachsen. Weite Gebiete im polaren Asien und Amerika gehören der Formation der Tundren an. Für den Anbau der Getreidearten ist die Vegetationszeit zu kurz; dagegen werden an manchen Orten mit Erfolg Rübengewächse, Kohl, Spinat, Salat und Kerbel angepflanzt. Von wild wachsenden Pflanzen liefern Nahrungsmittel die Früchte der Heidelbeersträucher (Vaccinium uliginosum, vitis idaea und oxycoccos) und der Bärentrauben (Arctostaphylos). Blätter und Wurzeln verschiedener Pflanzen werden als Gemüse benutzt. Sauerampfer und andre Kräuter dienen als Heilmittel gegen den Skorbut, und endlich liefert noch das Meer eßbare Tangarten. Die Tierwelt ist die der »arktischen Zirkumpolarregion« (s. d.), die, den Nordpol umgebend, sich in Europa, Asien und Amerika südwärts bis zur nördlichen Grenze des Baumwuchses erstreckt. Für Handel und Ackerbau sind die arktischen Länder ohne Bedeutung; wohl aber bieten ihre Küsten den Walfischfängern und Robbenjägern eine reiche Beute. Vgl. K. Müller, Die Polarwelt (Sondersh. 1858); Sir J. Richardson, The Polar regions (Edinb. 1861); Blake, Arctic experiences (Lond. 1874); Weber, Die Entwickelung der physikalischen Geographie der Nordpolarländer bis auf Cooks Zeiten (Münch. 1898); Dittmer, Das Nordpolarmeer (hrsg. vom Deutschen Seefischereiverein, Hann. 1901); Dröber, Die Polargebiete und deren Erforschung (Stuttg. 1906). Vgl. auch Nordpolarexpeditionen und Polarforschung.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.