Neugriechische Sprache

Neugriechische Sprache

Neugriechische Sprache. Das Neugriechische ist die direkte Fortsetzung jener jüngern Erscheinungsform des alten attischen Dialekts, die unter dem Namen der Koine Schrift- und Verkehrssprache des ganzen griechischen Sprachgebiets geworden war, etwa seit der Zeit Alexanders d. Gr. Auf diese Koine (Gemeinsprache) gehen alle heute gesprochenen griechischen Mundarten zurück, auch die in Unteritalien; nur das Zakonische im Peloponnes muß als ein direkter Nachkomme des alten lakonischen Dialekts betrachtet werden; sonst haben sich nur vereinzelt Eigentümlichkeiten alter Mundarten erhalten. Schon die gesprochene Koine war ohne Zweifel mundartlich nicht einheit lich; etwas genauer kennen wir bloß das sogen. hellenistische Griechisch in Asien und Ägypten. Später haben vielfach romanische, slawische und türkische Elemente in den Wortschatz des Neugriechischen Eingang gefunden. Die ältere Geschichte der neugriechischen Sprache beginnt erst gegenwärtig durch die Untersuchungen von Hatzidakis, Krumbacher, G. Meyer, A. Thumb und K. Dieterich etwas aufgehellt zu werden. Auch die lebenden Mundarten sind noch sehr ungenügend bekannt. Die Schriftsprache suchte noch in byzantinischer Zeit im allgemeinen die Normen des Attischen festzuhalten und entfernte sich dadurch immer mehr von der Volkssprache, die aber doch in die Produkte ungebildeter Schriftsteller, oft gegen deren Willen, Eingang fand (s. Neugriechische Literatur). Auch heute noch wird der Kampf um die Schriftsprache zwischen den Vertretern des Purismus, der sogen. καϑαρεύουσα, und den einer mehr oder weniger volkstümlichen Schreibweise sehr lebhaft geführt (vgl. Krumbacher, Das Problem der neugriechischen Schriftsprache, Münch. 1902). Das Neugriechische weicht in Lautbestand, Flexion und Syntax sehr erheblich vom Altgriechischen ab. Altes ι, υ, η, ει, οι, sind in den einen Laut i zusammengefallen, ebenso ε und αι in e; die Medien β, γ, δ sind zu Spiranten geworden, ζ klingt wie weiches s (= franz. z) etc. Die alte Quantität der Silben ist untergegangen, und nur der Wortakzent hat Geltung. Die meisten dieser laut lichen Veränderungen, denen man im allgemeinen den Namen Itazismus gibt, gehören schon der Koine an; trotzdem haben diejenigen unrecht, welche die neugriechische Aussprache durchaus schon für die Zeit der klassischen Literatur gellen lassen wollen. In der Nominaldeklination ist der Dualis ganz und der Dativ so gut wie ganz verloren; letzterer wird durch präpositionale Umschreibung oder durch den Genetiv, bez. Akkusativ, ersetzt. Benn Verbum werden Futur, Perfekt, Plusquamperfekt durch Umschreibungen mit Hilfsverben gebildet; auch Optativ und Infinitiv sind verloren; letzterer wird, wie im Bulgarischen und Albanischen, durch einen Satz mit νά »daß« (aus ἵνα) vertreten. Auch der Wortschatz ist gerade in den Bezeichnungen für die gewöhnlichsten Dinge ganz erheblich verändert. Die älteste vulgärgriechische Grammatik verfaßte Nikolaos Sophianos im 16. Jahrh., neu herausgegeben von Legrand in der »Collection des monuments«. Dann folgte Girol. Germano (Rom 1622) und Simon Portius (Par. 1632), letztere neu herausgegeben mit wertvollem Kommentar von W. Meyer-Lübke (Par. 1889). Ganz veraltet ist Mullachs »Grammatik der griechischen Vulgärsprache« (Berl. 1856). Deutsche Lehrbücher schri even in jüngster Zeit: Vlachos (Leipz. 1864, 5. Aufl. 1899), Jeannarakis (Hannov. 1877), Sanders (Leipz 1881, 2. Aufl. 1890), Wied (3. Aufl., Wien 1900) und Mitsotakis (Berl. 1891; Chrestomathie 1896). Beiser als alle andern sind Thumb, Handbuch der neugriechischen Volkssprache (Straßb. 1895) und Pernot, Grammaire grecque moderne (Par. 1897). Von Wörterbüchern sind wichtig: Somavera, Tesoro della lingua Greca-volgare ed Italiana (Par. 1709), und Skarlatos Byzantios, Λεξικὸν τῆς καϑ᾿ ἡμᾱς Έλληνικῆς διαλέκιον (3. Aufl., Athen 1874); am ausführlichsten ist das Wörterbuch von Vlachos (Athen 1897) und das deutsch-neugriechische von Jeannarakis (Hannov. 1883); kürzer Legrand (Par. 1872, 2 Bde.) sowie Petraris (Leipz. 1897). Einen »Neugriechischen Sprachführer« lieferte Mitsotakis (Leipz. 1892). Eine wissenschaftliche historische Grammatik des Neugriechischen fehlt noch; Vorarbeiten dazu sind besonders Maurophrydis, Δοκίμιον ἱστοίας τῆς ἑλληνικῆς Υλὴσσης (Smyrna 1871) und die Arbeiten von Deffner, Morosi, Foy, Hatzidakis (s. d.), Krumbacher, Psichari, G. Meyer, A. Thumb, K. Dieterich u.a. Weitere Literatur findet man bei Thumb, Die n. S. (Freib. i. Br. 1892); G. Meyer, Neugriechische Studien I (Wien 1894) und im »Anzeiger der indogermanischen Forschungen« (seit 1890) verzeichnet.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • neugriechische Sprache — neugriechische Sprache,   Bezeichnung für zwei Sprachformen in Griechenland und Zypern: die Demotike (»Volkssprache«), die eine organische Entwicklung der griechischen Sprache durch die Jahrtausende darstellt, und die puristische Sprache… …   Universal-Lexikon

  • Neugriechische Sprache — Neugriechische Sprache. Die N.S. ist aus der altgriech. (s. Griechische Sprache), von der sie sich bes. durch die Aussprache (Itazismus), durch veränderte Bedeutung mancher Wörter, durch Wegfall von Deklinations und Konjugationsformen sowie… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Neugriechische Sprache — Neugriechisch Gesprochen in Griechenland, Zypern, Albanien, Mazedonien, Türkei, Bulgarien, in isolierten Sprachinseln in Süditalien (Kalabrien und Apulien) und überall dort, wohin Griechen und griechische Zyprer ausgewandert sind (USA, Australien …   Deutsch Wikipedia

  • Neugriechische Sprache u. Literatur — Neugriechische Sprache u. Literatur. Die N. Sprache ist das Altgriechische, vermischt mit italienischen, slawischen u. türkischen Wörtern u. in den Formen ziemlich verderbt. Sie ist die Umgangssprache der jetzigen Griechen, während die… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Neugriechische Sprache und Literatur — Neugriechische Sprache, Neugriechische Literatur. Die neugriech. Sprache entstand aus der altgriech. auf dieselbe Weise wie die roman. Sprachen aus der lateinischen. Seit dem 6. Jahrh. besteht das Neugriechische nachweisbar als Volkssprache u.… …   Herders Conversations-Lexikon

  • neugriechische Literatur — neugriechische Literatur,   Literatur in neugriechischer Sprache.   Unter osmanischer Herrschaft, 15. 19. Jahrhundert:   Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen (1453) blieben die volkssprachlichen Werke der spätbyzantinischen… …   Universal-Lexikon

  • Neugriechische Literatur — Neugriechische Literatur. Die n. L. kann nur in unmittelbarem Zusammenhang mit der byzantinischen Literatur richtig beurteilt werden. Die tiefe Spaltung zwischen volkstümlicher und Kunstpoesie erklärt sich aus dem Bestreben, die Form einer… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Neugriechische Grammatik — Die Neugriechische Sprache ist in einer kontinuierlichen Entwicklung aus dem Altgriechischen hervorgegangen und bildet einen eigenen Zweig der Indogermanischen Sprachfamilie. Sie hat grammatisch einige ursprüngliche Merkmale dieser Sprachfamilie… …   Deutsch Wikipedia

  • Neugriechische Phonologie — Die Aussprache des Neugriechischen besteht praktisch unverändert seit etwa dem 10. Jahrhundert. Sie ist relativ einheitlich, aus dem mit dem griechischen Alphabet geschriebenen Text geht die Aussprache bis auf wenige Ausnahmen eindeutig hervor.… …   Deutsch Wikipedia

  • Neugriechische Orthographie — Die Orthographie des Neugriechischen folgt einer historischen Rechtschreibung, die mit dem seit 403 v. Chr. nahezu unveränderten griechischen Alphabet notiert wird. Sie hat bestimmte Verschriftlichungen altgriechischer Laute und Lautkombinationen …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”