Myxomyzēten

Myxomyzēten

Myxomyzēten (Myxomycetes, Schleimpilze, Mycetozoa, Pilztiere), eine früher zu den Bauchpilzen gerechnete, jetzt wegen ihrer von allen übrigen Pilzen wesentlich abweichenden und mit den Monadizeen unter den Protozoen verwandten Organisation als selbständige Gruppe zwischen Tierreich und Pilze gestellte, von andern auch zum Tierreich gezogene Klasse von Organismen. Die M. entwickeln kein Mycelium und bestehen überhaupt nicht aus Pilzhyphen, sondern zeigen in ihren vegetativen Zuständen eine unverkennbare Ähnlichkeit mit den niedersten Tieren; nur ihre Fortpflanzungskörper sind pilzähnlich gestaltet. Aus den in letztern gebildeten Sporen gehen hautlose, durch fadenförmige Geißeln (Cilien) bewegliche Schwärmer hervor, die imstande sind, feste Nahrung aufzunehmen und sich durch fortgesetzte Zweiteilung zu vermehren. Nach einiger Zeit verlieren die Schwärmer die Cilien und zeigen amöboide Bewegungen mit Pseudopodienbildung; auch in diesem Stadium ist Teilungsfähigkeit vorhanden. Durch Verschmelzung der Amöben (Myxamöben) kommt das Plasmodienstadium zustande, das bisweilen zur Bildung zoll- bis fußgroßer, in langsamer Bewegung begriffener Schleimkörper (Plasmodium, Fig. 1) führt. Die Oberfläche der Masse wird von einer dichtern Randschicht gebildet, das wasserreiche Innere ist durchsät mit Vakuolen und mit Kalkkörnchen, die häufig von einem gelben oder dunkelvioletten Pigment überzogen sind.

Fig. 1. Plasmodium von Didymium. 350fach vergr.
Fig. 1. Plasmodium von Didymium. 350fach vergr.

In chemischer Beziehung besteht das Plasmodium aus einem unlöslichen Eiweißstoff (Plastin) neben Vitellin, Myosin, ferner Asparagin, Peptonen, Glykogen, einer Zuckerart, Cholesterin, Fettsäuren, Glyzerin, Harz, zahlreichen Salzen und Wasser (72 Proz.). Die Bewegung besteht in einem Aussen den und Wiedereinziehen aderartiger, oft netzförmig zusammenfließender Fortsätze (Fig. 1, S. 351), womit eine innere Strömung der körnigen Masse verbunden ist; wenn das Austreiben der Fortsätze vorwiegend nach einer Richtung stattfindet, so kommt Ortsbewegung zustande, die in ihrer Intensität und Richtung durch äußere Reize, wie Schwerkraft, Licht und Schatten, Wärme, Feuchtigkeit und Nährstoffgehalt der Umgebung, Richtung des Wasserstromes im Substrat etc., beeinflußt wird.

Fig. 2. Arcyria punicea. a Sporangien, natürl. Größe, b 40fach vergr., c Kapillitium, 300fach vergr., s. Sporen.
Fig. 2. Arcyria punicea. a Sporangien, natürl. Größe, b 40fach vergr., c Kapillitium, 300fach vergr., s. Sporen.

In allen Stadien des vegetativen Lebens können die M. bei eintretendem Wassermangel Ruhestadien bilden, die Schwärmer und Myxamöben umgeben sich mit einer derben Haut (Cystenbildung), die Plasmodien werden zu festen, knolligen oder strangartigen Sklerotien mit zelliger Struktur, die monatelang ruhen können und bei Rückkehr günstiger Vegetationsverhältnisse wieder zu Plasmodien werden. Zum Zwecke der Fortpflanzung bilden sich schließlich die Plasmodien in verschieden geformte Sporangien um (Fig. 2 a, b), die bisweilen dicht gedrängt kuchenartig verschmelzen und ein Äthalium bilden. Im Innern der Sporangien bildet sich neben den einzelligen Sporen (Fig. 2, s) sehr häufig ein fädiges Gerüstwerk (Kapillitium, Fig. 2 b, c) aus. Von diesem Entwickelungsgang, der im wesentlichen für alle eigentlichen M. (Myxogasteres) gilt, finden sich bei den hier anzugliedernden Gruppen der Acrasieae und der Phytomyxinae manche Abweichungen, die Sporenbildung erfolgt bei beiden ohne das Auftreten einer Sporangienwand. Die Akrasieen bilden nur Aggregatplasmodien, in denen die Myxamöben ohne zu verschmelzen nebeneinander leben. Im Gegensatz zu den eigentlichen M. und den Akrasieen, die als Fäulnisbewohner (Saprophyten) in morschem Holz zwischen faulenden Blättern, auf Mist und ähnlichen Substraten leben, sind die Phytomyxinen Parasiten höherer Pflanzen. Die bekannteste Art der echten M. ist die Lohblüte (Fuligo varians Sommerf., Aethalium septicum Lk.), deren Plasmodium in Gestalt gelber salbenartiger Massen oft in handgroßen Fladen auf Gerberlohe erscheint. Als Schädling ist die zu den Phytomyxinen gehörige, an Kohlpflanzen die als Kohlhernie (Kropf oder Kelch des Kohls) bezeichnete Krankheit verursachende Plasmodiophora Brassicae. Woron. zu erwähnen. Vgl. De Bary, Die Mycetozoen (2. Aufl., Leipz. 1864); Rostafinsky, Versuch eines Systems der Mycetozoen (Straßb. 1873); Cooke, The Myxomycetes of Great Britain (Lond. 1877); Zopf, Die Pilztiere (in Schenks »Handbuch der Botanik«, Bd. 3, Bresl. 1887); Lister, A monograph of the Mycetozoa (Lond. 1894).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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