- Montreal
Montreal (spr. mont-riaol), die bedeutendste Stadt und der wichtigste Seehafenplatz Britisch-Nordamerikas, in der kanad. Provinz Quebec, unter 45°30´ nördl. Br. und 72°33´ westl. L., auf einer fruchtbaren, 35 km langen, bis 12 km breiten Insel zwischen dem linken Ufer des St. Lorenzstroms und dem rechten des Prärieflusses, einer Abzweigung des Ottawa, 190 km oberhalb Quebec, war durch seine Stromvereinigung früh ein Hauptmittelpunkt des Pelzhandels und erlangte sein Übergewicht in allen Handelszweigen und in der Geisteskultur des Landes seit der künstlichen Ausgestaltung seiner Wasserstraßen und seiner Eisenbahnverbindungen sehr rasch. Ursprünglich nur kleinen Seeschiffen zugänglich, wurde es durch die Austiefung des untern Lorenzstroms auf 8,4 m großen Dampfern nahbar, während es durch den Wellandkanal zur Umgehung der Niagarafälle und durch die Kanäle zur Umgehung der unmittelbar oberhalb der Stadt gelegenen Lorenzstromschnellen in ungehinderten Binnenschiffahrtsverkehr mit seinem Hinterlande trat, durch die 2,6 km lange Viktoriabrücke und durch den Champlainkanal auch bequeme Verbindungen mit dem rechten Lorenzstromufer erhielt. Die Stadt zerfällt in einen untern, vorwiegend von französischen Akadiern bewohnten Südostteil mit alten, ärmlichen Häusern und engen Straßen und einen obern englischen Nordwestteil mit breiten, schönen Straßen und Plätzen, an die sich die Terrassen des hinter der Stadt zu 238 m aufsteigenden Mont Royal (mit Drahtseilbahn) hinanziehen, wo die reichen Kaufleute stattliche Wohnhäuser erbaut haben. Hier liegen der prächtige Mont Royal-Park, der Logan-Park, der imposante Dominion Square, der Victoria Square mit einer Bildsäule der Königin, der Platz Jacques Cartier mit einer Denksäule Nelsons. Unter den stattlichen, meist aus hellem Kalkstein oder weißem Marmor aufgeführten Gebäuden ragen besonders hervor: die katholische Kathedrale mit zwei 68,8 m hohen Türmen, die nach dem Muster von St. Peter in Rom erbaute St. James-Kirche, die anglikanische Kirche mit 67 m hohem Turm, das Rathaus, Zollhaus, Gerichtshof, Börse, Bank von M., Postgebäude, Place Viger Hotel und Windsor Hotel. M. ist Sitz eines deutschen Berufskonsuls, eines katholischen Erzbischofs, eines anglikanischen Bischofs, der protestantischen Mac Gill-Universität mit 150 Dozenten und 1150 Studierenden, der französischen Laval-Universität, eines presbyterianischen und eines wesleyanischen College etc., hat 3 Lehrerbildungsanstalten, eine Veterinär- und eine Kunstschule, 2 Museen, ein Observatorium, einen Kristallpalast für Ausstellungen, Krankenhäuser, Anstalten für Taubstumme und Blinde, viele Klöster. Die Stadt hat Gas- und elektrische Beleuchtung, eine 12 km lange Wasserleitung und (1901) 267,730 Einw. (zur größern Hälfte französischer Abkunft. 1500 Deutsche). Die Industrie ist namhaft in Maschinen, Nähmaschinen, Kleidern und Schuhen, Zucker, Tabak, Brauerei, Kautschuk, Sägeholz. Viel bedeutender ist aber der Handel, der sich 1903 auf 65,643,393 Doll. Ausfuhr von Getreide (bis 12 Mill. hl im Jahr), Vieh und Viehzuchtprodukten, Holz, Pelzwaren etc. und auf 79,725,553 Doll. Einfuhr von Kolonialwaren, Zucker, Eisen- und Stahlwaren, Chemikalien, Kohlen etc. bewertete. Der Seeschiffsverkehr belief sich 1903 auf 862 Fahrzeuge von 2,312,970 Ton. Bei dem harten Winter, der in M. bis -37° Kälte bringt, ist die Schiffahrt freilich von Anfang Dezember bis in das letzte Drittel des April durch Eis gesperrt, und auf der Eisdecke des Lorenzstromes findet zeitweise Eisenbahnverkehr von Ufer zu Ufer statt. Durch die furchtbaren Eisgänge, die gelegentlich von einem Steigen des Stromes um 10 m begleitet waren, kam die untere Stadt aber wiederholt in schwere Gefahr, so daß zu ihrem Schutz ein starkes hölzernes Bollwerk geschaffen werden mußte. Ebenso ist M. dadurch der Sitz eines sehr lebhaften winterlichen Schnee- und Eissports, mit Eispalästen, Schneeschuhklub-Paraden, Schlittenfahrten (tobaggoning), Eiskarnevalen etc. – Als Jacques Cartier 1535 die Stelle erreichte, wo heute M. steht, fand er dort ein Hochelaga genanntes Indianerdorf vor; den Berg dahinter nannte er Mont Royal. Die ersten französischen Ansiedler unter Paul de Maison neuve kamen 1542 an, und ein Jahrhundert später erhielt der schon bedeutende Ort den Namen Villemarie. 1688 richteten die Indianer ein fürchterliches Blutbad in M. an. Die Stadt wurde 1760 den Franzosen als ihr letztes Besitztum in Kanada von den Engländern entrissen; 12. Nov. 1775 bis Frühjahr 1776 hielten die Nordamerikaner M. besetzt. Am 25. April 1849 wurde bei einem Aufstand gegen die britische Regierung das Parlamentsgebäude zerstört, weswegen der 1843 nach M. verlegte Sitz der Regierung wieder nach Quebec kam. Vgl. Hinshelwood, M. and vicinity (Montreal 1904).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.