- Meißen [2]
Meißen, Amtshauptstadt in der sächs. Kreish. Dresden, liegt am Nordende des Dresdener Elbtalbeckens, an und auf Hügeln (94–204 m ü. M.) an beiden Ufern der Elbe, in die hier links die Triebisch mündet, und über die in der Stadt zwei Brücken führen, und ist im Innern reich an altertümlichen Bauwerken, die neuen im Triebischtal und rechts der Elbe tragen dagegen modernen Charakter.
Zu den berühmtesten Bauwerken gehört der Dom, ein Meisterstück gotischer Baukunst, mit einer 78 m hohen Turmpyramide von zierlich durchbrochener Arbeit; die beiden Haupttürme sind 1547 durch Blitz zerstört worden. Der erste Gründer des Domes ist Kaiser Otto I.; nachdem aber das ursprüngliche Gebäude zu Anfang des 13. Jahrh. durch Feuer verwüstet worden, ward das gegenwärtige von 1260–1450 erbaut. Das schöne, figurenreiche Hauptportal wird leider durch die von Kurfürst Friedrich dem Streitbaren als Erbbegräbnis seines Stammes erbaute Fürstengruft verdeckt. Dieselbe enthält mehrere aus P. Vischers Werkstatt stammende Grabplatten. Einen zweiten Anbau bildet die Grabkapelle Herzog Georg des Bärtigen und seiner Gemahlin Barbara, mit einer Kreuzabnahme von Lukas Cranach dem Ältern. Rechts vom Südportal liegt die Johanneskapelle mit der Jahreszahl 1292, eine entzückende Komposition im edelsten Geiste der Frühgotik. Aus derselben Zeit stammen die hier und zum Teil im hohen Chor aufgestellten Bildsäulen Kaiser Ottos, seiner Gemahlin Adelheid, des heil. Donatus, der beiden Johannes und der Jungfrau Maria. Im hohen Chor befinden sich alte Glasmalereien und ein Flügelaltarbild (Anbetung der heiligen drei Könige), ein Meisterwerk ersten Ranges, 1890 restauriert. Die Restaurierung des Domes sowie der Bau der fehlenden Haupttürme ist 1903 in Angriff genommen worden. Unter den übrigen acht Kirchen sind die Stadt- oder Frauenkirche, die uralte, schon von Thietmar von Merseburg erwähnte Nikolaikirche, in der noch Fresken von hohem Alter sichtbar sind, die St. Afrakirche, die 1887 vollendete katholische Kirche, die 1898 eingeweihte Johanneskirche mit Fresken von Sascha Schneider und die 1901 vollendete Lutherkirche bemerkenswert. Eine neunte Kirche, die ehemalige Franziskanerkirche am Heinrichsplatz (auf dem ein Standbild Heinrichs I. aufgestellt ist), deren Kreuzgang 1892 restauriert und mit schönen Wandgemälden versehen wurde, und in welcher die ältesten Grabsteine Meißener Familien und einiger Adelsgeschlechter Ausstellung gefunden haben, wurde 1901 als Altertumsmuseum des Vereins für Geschichte der Stadt M. eingerichtet. Das neben der Domkirche stehende Schloß, eins der edelsten und großartigsten Profanbauwerke spätgotischen Stils, ist 1471–83 unter Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht durch Meister Arnold von Westfalen erbaut, unter Johann Georg II. im 17. Jahrh. restauriert und Albrechtsburg genannt, 1710 der Porzellanmanufaktur eingeräumt, seit deren Verlegung in das Triebischtal 1860 aber in würdiger Weise restauriert und in seinen Haupträumen mit Wandmalereien geschmückt. Im Hofe des Schlosses steht das Standbild des Herzogs Albrecht, von Hultzsch (vgl. Puttrich, Das Schloß und der Dom zu M., Leipz. 1845; Gurlitt, Das Schloß zu M., Dresd. 1881; Bilderwerk von Wanckel und Gurlitt, 18 Tafeln, das. 1895). Die Fürsten- und Landesschule zu St. Afra, auf dem durch einen einzigen Bogen von 13 m Spannweite mit dem Schloßberg verbundenen Afraberg, seit 1879 im neuen Gebäude, die Bildungsstätte Gellerts und Lessings, ist 1543 von Herzog Moritz gestiftet, der ihr die Gebäude des aufgehobenen (1205 gegründeten) Afraklosters überwies (vgl. Flathe, St. Afra, Geschichte der Fürstenschule, Leipz. 1879); die schöne Aula enthält Wandgemälde von Große und Pauwels. Das von 1479 an erbaute Rathaus ist 1875 restauriert worden. Die Stadt zählt (1905) mit der am rechten Elbufer liegenden, 1901 eingemeindeten Landgemeinde Kölln 32,289 Einw., davon 2387 Katholiken und 62 Juden. Unter ihren industriellen Anstalten steht die königliche Porzellanmanufaktur obenan, 1710 von J. Fr. Böttger (s. d.) gegründet, dem 1891 in der Neugasse ein Denkmal errichtet wurde.
Sie ist die älteste in Europa und beschäftigt 600 Arbeiter; ihr weltberühmtes Fabrikat (vgl. nebenstehende Marken) pflegt mit Vorliebe den Rokokostil (vgl. Böhmert, Geschichte der Meißener Porzellanmanufaktur in der »Zeitschrift des königl. sächs. statistischen Bureaus«, 1880, Heft 1 u. 2; Berling, Das Meißener Porzellan und seine Geschichte, Leipz. 1900; Weiteres s. Keramik). Außerdem hat M. noch sechs Ofen- und Schamottefabriken (davon zwei mit Porzellanfabrikation) mit ca. 2000 Arbeitern. Sonst befinden sich hier noch Jutespinnerei und -Weberei (1300 Arbeiter), Eisengießerei und Maschinenfabrikation, Fabriken für Herstellung von Sicherheitszündschnuren, isolierte Leitungsdrähte, Nähmaschinen, Papier-, Blech- und Metallwaren, Möbel, Pianofortes, Stöcke, Schuhwaren, Lampen, chemische Fabriken, eine Zuckerraffinerie, bedeutende Ziegeleien, Mälzerei, Bierbrauerei, Granitbrüche, Weinbau, Schiffahrt etc. Den Handel unterstützt eine Reichsbanknebenstelle, den Verkehr in der Stadt vermittelt eine elektrische Straßenbahn, für den Eisenbahnverkehr hat die Stadt zwei Bahnhöfe an der Staatsbahnlinie Koswig-Borsdorf. M. hat ein Amtsgericht, ein Hauptsteueramt, außer der bereits genannten Landesschule St. Afra ein Realgymnasium, eine Realschule mit Progymnasium, eine Handels-, eine landwirtschaftliche und eine Schifferschule und ein städtisches Genesungsheim. In der schönen, ansehnlichen Obst- und Weinbau treibenden Umgebung sind zu bemerken: die Ruinen des 1570 aufgehobenen Cistercienserinnenklosters zum Heiligen Kreuz, das von Miltitzsche Schloß Siebeneichen mit großem Park, das alte Schloß Scharfenberg und die moderne Huttenburg im Triebischtal. – M. (ursprünglich Misni) wurde von König Heinrich I. um 928 als Zwingburg gegen die Daleminzier und Schutz des Elbübergangs erbaut und war Sitz des Markgrafen, des Burggrafen und des Bischofs. Im 15. Jahrh. litt es durch die Hussiten. 1539 wurde im Dom der erste protestantische Gottesdienst gehalten. 1548 fanden hier Beratungen über das Interim statt. Im Schmalkaldischen Kriege (1547) wurde M. von den Kaiserlichen besetzt, im Dreißigjährigen Krieg 1637 von Banérs Schweden überrumpelt und zum großen Teil verbrannt; 1645 eroberten letztere unter Königsmark das Schloß. Auch im Siebenjährigen Kriege litt die Stadt mehrfach. Am 13. März 1813 ließ der französische Marschall Davout die Elbbrücke abbrennen; am 15. Juni 1866 wurde dieselbe beim Einmarsch der Preußen von den Sachsen gesprengt. Vgl. Reinhard, Die Stadt M., ihre Merkwürdigkeiten etc. (Meiß. 1829); Rüling, Geschichte der Reformation zu M. etc. (das. 1839); Gersdorf, Urkundenbuch der Stadt M. (Leipz. 1873); Loose, Altmeißen in Bildern (Meiß. 1889); Jäschke, Das Meißnerland (Stuttg. 1888); »M. und seine Kirchen« (Leipz. 1902); »Mitteilungen des Vereins für die Geschichte der Stadt M.« (Meiß. 1882 ff.).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.