Münzschmuck

Münzschmuck

Münzschmuck, eine fast universale Erscheinung, sofern man auch die Vorstufen unsers Metallgeldes unter den Begriff der Münze faßt. Die Veranlassung zum Anlegen der Wertsachen, die oft genug das gesamte Vermögen der Trägerin oder des Trägers repräsentieren, ist überall gegeben, wo unsichere Besitzverhältnisse die Sicherung des Eigentums an dem für den Besitzer leichtest erreichbaren Orte, nämlich dem eignen Körper, erheischen; man muß den Reichtum flüchten können, sonst ist er keiner. Ein andres, gleichwertiges, auf höhern Kulturstufen stark vorherrschendes Motiv des Münzschmuckes ist neben der allgemein menschlichen Freude am Putz der Wunsch, sein Vermögen möglichst offenkundig zur Schau zu stellen, es dabei aber doch stets auch unter Aussicht zu haben. In unsern gesicherten Verhältnissen endlich kommt lediglich die Freude am Putz und die Schaustellung für die Anlegung von M. in Betracht. M. ist getragen worden, wo die Menschheit zu einem Wertmesser überhaupt fortgeschritten ist; in unsrer eigenen Vor- und Frühgeschichte sprechen zahlreiche Funde von Metallringen u. dgl., der Ehrentitel des »Ringbrechers« für freigebige Fürsten u.a. für den Gebrauch des Münzschmuckes; ein Gleiches wissen wir auch von den alten Ägyptern. Ganz allgemein ist die Anlegung des geltenden Wertmessers bei den Naturvölkern: wo die Kaurischnecke in ausgezogenen Schnüren als Scheidemünze zirkuliert (in vielen Teilen Zentralafrikas), dient sie auch gleichzeitig als Schmuck. Noch allgemeiner gilt das in derselben Region von den Perlen europäischer Herkunft, die beiden Zwecken in noch vollkommnerm Maß gerecht werden. Auch die übrigen Geldwerte ähnlicher Art: Dentalium in Nordamerika, Diwarra- und Kokonon-Muschelgeld im Bismarck-Archipel, Potwalzähne auf Fidschi, Eberhauer und Hundezähne in Melanesien, Jadeit in China, Achat in Borneo, Dar Für, Kordofan und Ostafrika-alles das dient auch im weitesten Maß als Schmuck. Selbst zum Talisman und Amulett steigt bei westafrikanischen Negern das Kaurigeld empor. Mehr in die Augen fallend ist nach unsern Begriffen der M., sobald er Metalle und besonders geprägte Edelmetalle umschließt. Sein Hauptverbreitungsgebiet hat er seit jeher in Indien, vor allem aber im vordern Orient mit seinen stets unsichern politischen Verhältnissen gehabt; noch heute tragen maurische Kaufleute einen großen Teil ihres Kapitals in Gestalt von wertvollem Schmuck an sich; bekannt ist das Übermaß an Münzenbehang, das sich in allen Ländern des Islams die Frauen leisten. Bei den europäischen Völkern ist M. gegenwärtig vorzugsweise noch üblich im südlichen Bayern und in den angrenzenden österreichischen Landesteilen; dort trägt man Münzen alten und neuen Gepräges (Marien-, Georgitaler, durchbrochene Kreuztaler, Gulden und kleinere Münzen) im »Geschnür«, das die Miederhaken miteinander verbindet; weit allgemeiner ist dann die Sitte, daß der wohlhabende Bauer oder der prunkliebende Bursche seine Uhrkette mit einem blanken Taler besondern Gepräges schmückt. Neuerdings ist M. in Form von Münzenbroschen (Kaiser Friedrich-Doppelkronen) und sogen. Bettelarmbändern auch in Norddeutschland dauernd oder zeitweise in Mode gekommen. Vgl. Schurtz, Grundriß einer Entstehungsgeschichte des Geldes (Weim. 1898); Selenka, Der Schmuck des Menschen (Berl. 1900).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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