- Landesmann
Landesmann, Heinrich, als Dichter u. Schriftsteller unter dem Namen Hieronymus Lorm bekannt, geb. 9. Aug. 1821 zu Nikolsburg in Mähren, gest. 3. Dez. 1902 in Brünn, war von Kindheit auf sehr kränklich, besuchte mit Unterbrechungen mehrere Lehranstalten in Wien, bis er im 15. Jahre das Gehör und zum Teil auch das Gesicht verlor und sich fortan für seine weitere Ausbildung auf den autodidaktischen Weg angewiesen sah. In spätern Jahren erblindete L. gänzlich und konnte sich nur durch ein selbst ausgedachtes System von tastender Fingersprache mit der Außenwelt verständigen. Bereits damals veröffentlichte er in Zeitungen mehrere sinnige Gedichte, bearbeitete 1843 die mohammedanische Faustsage »Abdul« in fünf Gesängen (2. Aufl., Berl. 1852) und ließ sodann die kritisch-politische Schrift »Wiens poetische Schwingen und Federn« (Wien 1847) erscheinen. Schon vor ihrem Erscheinen war er nach Berlin übergesiedelt, wo er seine kritische Tätigkeit in Kühnes »Europa« fortsetzte und die »Gräfenberger Aquarellen« (Berl. 1848) schrieb. Seit 1848 wieder in Wien lebend, siedelte er von dort 1873 nach Dresden und 1892 nach Brünn über. Von Lorms Schriften sind noch zu verzeichnen: »Ein Zögling des Jahres 1848«, Roman (Wien 1855, 3 Bde.; neue Aufl. u. d. T.: »Gabriel Solmar«, das. 1863; auch in Reclams Universal-Bibliothek); die Novellensammlung »Am Kamin« (Berl. 1856, 2 Bde.; 2. Aufl., Hamb. 1879); »Erzählungen des Heimgekehrten« (Prag 1858); »Intimes Leben«, Novelletten (das. 1860; 2. Aufl., Hamb. 1878); »Novellen« (Troppau 1864, 2 Bde.); »Wanderers Ruhebank« (Leipz. 1881); »Gedichte« (Hamb. 1870, 7. vermehrte Aufl., Dresd. 1894); einiges Dramatische: »Das Forsthaus«, »Hieronymus Napoleon«, »Die Alten und die Jungen« (Leipz. 1875); »Neue Gedichte« (Dresd. 1877) und später eine Reihe von Romanen: »Tote Schuld« (Stuttg. 1878, 2 Bde.), »Späte Vergeltung« (Hamb. 1879, 2 Bde.), »Der ehrliche Name« (Dresd. 1880, 2 Bde.), »Außerhalb der Gesellschaft« (das. 1881), »Ein Schatten aus vergangenen Tagen« (Stuttg. 1882), »Ein Kind des Meeres« (Dresd. 1882), »Der fahrende Geselle« (Leipz. 1884), »Vor dem Attentat« (Dresd. 1884), »Die schöne Wienerin« (Jena 1886), »Kleine Romane« (Berl. 1887, 2 Bde.) und »Nachsommer«, neue Gedichte (Dresd. 1897, 3. vermehrte Aufl. 1901). Daneben veröffentlichte er eine Reihe Studien und Essays: »Philosophisch-kritische Streifzüge« (Berl. 1873); »Geflügelte Stunden. Leben, Kritik, Dichtung« (Leipz. 1875, 3 Bde.); »Der Naturgenuß, eine Philosophie der Jahreszeiten« (Berl. 1876), sein philosophisches Hauptwerk, das er später in zwei Teile zerlegte: »Der Naturgenuß, ein Beitrag zur Glückseligkeitslehre« (Teschen 1883, 2. Aufl. 1901) und »Natur und Geist im Verhältnis zu den Kulturepochen« (das. 1884); »Der Abend zu Hause«, Betrachtungen (Berl. 1881); »Die Muse des Glücks und Moderne Einsamkeit. Zwei Beiträge zur Lebensphilosophie« (Dresd. 1893); »Der grundlose Optimismus« (Wien 1894). L. vereinigte philosophischen Tiefsinn mit poetischem Talent; als Lyriker des Pessimismus offenbart er eigenartige Auffassung.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.